Schon das zweite Mal innerhalb eines Jahres wird Maximilian Bloch der sexuellen Belästigung gegenüber einer Patientin bezichtigt. Stefanie Rudolf war wegen Depressionen und heftiger Panikattacken in die Praxis gekommen. Sie sprach von „schwarzen Löchern, die immer größer werden“ und sie zu ersticken drohten. Bloch arbeitete bei ihr mit Hypnose. Offenbar hat er die Wirkung der Behandlungsmethode auf die junge Frau falsch eingeschätzt. Eine beruhigende Berührung wird von ihr als „Anmache“ erinnert, später behauptet sie sogar, vergewaltigt worden zu sein. Ehe Bloch sich versieht, wird ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Polizei stellt seine Praxis auf den Kopf. Schließlich wird sogar Haftbefehl gegen Bloch erlassen. Als er gegen Kaution freikommt, müssen er und seine Clara die Wahrheit ans Licht bringen, sonst drohen ihm mehrere Jahre Haft. Stefanies Überreaktion hat sich Bloch von Anfang an mit einer „Übertragung“ erklärt. Das heißt: Er muss für etwas büßen, das ein anderer – wahrscheinlich vor Jahren – getan hat. Vielleicht ist es ja ihr vergötterter, fast krankhaft geliebter Bruder? Nach dem „Vorfall“ hat er sich mehr und mehr von seiner Schwester zurückgezogen – während sie davor fast eine Art Ehe geführt haben.
„Die Lavendelkönigin“ ist die letzte „Bloch“-Episode. Dieter Pfaff, der die Rolle seit 2002 spielte und liebte, starb am 5. März. Film und Fall gehören nicht zu den Highlights dieser gesellschaftlich relevantesten TV-Reihe der letzten Jahre. Dramaturgisch arbeitet das Drehbuch mit überdeutlichen Oppositionen, die Figuren werden im Sympathie-Antipathie-Gegensatz durch den Film geführt, der sich an der Chronologie der Ereignisse (Anzeige, U-Haft, Mediendruck/Schlägerei, Recherche, Rettung) entlang hangelt. Das ist bewegend, das ist spannend, das mögen sicher viele Zuschauer, weil Bloch/Pfaff ein idealer Identifikations-Protagonist ist und weil Regisseur Michael Verhoeven ganz auf das Spiel seiner Schauspieler vertraut. „Die Lavendelkönigin“ müsste eigentlich „Das Übertragungsopfer“ heißen. Denn anders als sonst geht es hier fast ausschließlich um die Figur Bloch. Gegen einen solchen Perspektivwechsel ist prinzipiell nichts einzuwenden. Die Geschichte erzählt ja von einer Situation, die in der psychotherapeutischen Praxis durchaus vorkommt. Das gesellschaftliche Problem, der mögliche Imageschaden, drohendes Berufsverbot bis hin zu einer möglichen Haftstrafe, dominiert hier über das Psychodrama. Auch das muss kein Grund zur Kritik sein. Brechungen haben der Reihe stets gut getan. Es ist die schlichte Dramaturgie, die etwas enttäuschend ist. Das ist „Bloch“ auf „Der Dicke“-Niveau, immer noch besser als vieles andere im seriellen Fernsehen, aber eben nicht so sensationell wie beispielsweise der vorletzte „Bloch von Dror Zahavi mit Birgit Minichmayr und Devid Striesow.
Andererseits ist es tröstlich, nach dem Tod dieses wunderbaren, warmherzigen Schauspielers, der viel von seiner entspannten Lebensklugheit in seine Charaktere fließen ließ und der aus Überzeugung die letzten Jahre keine (klassischen) Krimis mehr drehen wollte, die wichtigste Figur seiner Karriere noch einmal in den Mittelpunkt eines 90-Minüters gerückt zu sehen. Durch seinen Tod hat sich die Wahrnehmung dieser letzten „Bloch“-Episode ohnehin auf seine Person hin verschoben. Da können Anna Maria Mühe, Ulrike Krumbiegel und Ludwig Blochberger noch so gut sein. Was bleibt ist ein doppelter Verlust. Denn mit diesem 24. „Bloch“ stirbt auch die einzige ernsthafte Drama-TV-Reihe, die sich erfolgreich gegen die Allmacht des Krimis (und gelegentlich auch gegen dessen Dramaturgie) aufgelehnt hat.