Bloch – Das Labyrinth

Pfaff, Minichmayr, Striesow, Krumbiegel, Dror Zahavi. Pures Beziehungsdrama

Foto: WDR / Frank Dicks
Foto Rainer Tittelbach

Gleich schlägt er wieder zu, gleich schreit sie, gleich beißt sie. Zwei vermeintlich Liebende bei „Bloch“ auf der Couch. Für den Therapeuten könnte dieses Paar das berufliche Aus bedeuten. „Das Labyrinth“ ist eine 90minütige Paartherapie, magisch auf Film gebannt, ein Kammerspiel, konsequent ohne Rücksicht auf Zuschauer-Erwartungen, dramaturgisch und inszenatorisch konzentriert, streng komponiert die Cadrage & das Lichtspiel. Ein Glanzstück dieser ohnehin vorbildlichen Reihe. Erschreckend gut: Minichmayr und Striesow. Zum Durchatmen bleibt nur das Distanz schaffende Hintertürchen der beredten Bildsprache.

Es ist immer dasselbe. Der so solide wirkende Versicherungsmathematiker Jens hat sich bei den ständigen Streitgesprächen mit seiner Freundin Andrea nicht unter Kontrolle – und schlägt zu. „Ich will, dass das aufhört, ich will normal sein und nicht so ein Schweinehund“, sagt der an sich friedfertige Mann und sucht Hilfe bei Maximilian Bloch. Der bittet auch die Freundin zum Therapiegespräch. Ein paar Fragen, ein Rollenspiel und der Psychotherapeut erkennt: „Sie beide sind im Krieg.“ Er bietet an, die Friedensverhandlungen zu leiten, doch im Grunde will Andrea die Regeln vorgeben; sie fühlt sich von Bloch in die Enge getrieben. Diese schwer narzisstisch gestörte Frau lügt, manipuliert, will zerstören. Zu spät merkt Bloch, dass Andrea „der schwerere Fall“ ist – schon hat er eine Anzeige wegen Nötigung und Körperverletzung am Hals und ihm droht sogar der Entzug seiner Approbation. Doch damit nicht genug: Auch seine Klara spielt „verrückt“ und hat einen Lover. Klug hält sich Bloch zurück. Außerdem muss er ja weiterhin Jens zur Seite stehen – und er recherchiert die Vita seiner Peinigerin.

Bloch – Das LabyrinthFoto: WDR / Frank Dicks
Karla (Ulrike Krumbiegel) hat einen Liebhaber. Weiß sie am Ende doch, was sie an ihrem Bloch (Dieter Pfaff) hat?!

„Menschen akzeptieren schlimme Dinge, um Schlimmeres zu vermeiden“, sagt Bloch zu Beginn beiläufig in einer Sitzung. Jene Andrea lässt sich lieber blutig schlagen, als sich mit ihren Lebenslügen und Verdrängungen konfrontiert zu sehen; so kann sie sich als Opfer fühlen, obwohl sie doch sowohl in ihren Partnerschaften als auch in ihren urfamiliären Beziehungen immer auch Täter war und ist. „Das Labyrinth“ ist eine 90minütige Paartherapie, magisch auf Film gebannt, ein Kammerspiel, konsequent ohne Rücksicht auf Zuschauer-Erwartungen erzählt, dramaturgisch und inszenatorisch konzentriert, streng komponiert die Cadrage & das Lichtspiel. Ein Glanzstück dieser ohnehin vorbildlichen Reihe. So ästhetisch brillant der Film, so bizarr das Machtspiel dieses Falls: dieser „Bloch“ führt in eine extreme Partnerschaft und zugleich präsentiert er einen Archetyp von Mann/Frau-Beziehung. Will sagen: dieser Film, dessen Stärke es gerade ist, Krankheitsbild und konkrete Geschichte so miteinander zu verschweißen, dass man nie den Eindruck hat, ein psychologisches Lehrstück vorgeführt zu bekommen, muss gar nicht so weit weg sein von den „normalen“ Erfahrungen der Zuschauer. Es gibt Situationen in diesem Film, die sind durchaus „anschlussfähig“…

Aber auch wer lieber Anderen beim sich zerfleischen zuschaut, beim sich klein machen („aber ich bin doch der Aggressor!“) oder sich übermächtig aufspielen („nur wenn es dir leid tut“), der wird bei „Das Labyrinth“ auf seine Kosten kommen. Regisseur Dror Zahavi geht nah an seine Figuren heran, zwingt sie zu äußerster Reduktion, schneidet alles Überflüssige im Bild und zwischen den Bildern weg. Für den Zuschauer heißt das: Zahavi konfrontiert ihn unmittelbar mit den stets emotional sehr unberechenbaren Situationen. Gleich schlägt wieder einer zu, gleich beißt sie, gleich schreit sie. Man muss auf alles gefasst sein. Auch bei diesen Schauspielern! Minichmayr und Striesow, so sehr man weiß, dass sie großartige Menschen-Darsteller sind, lassen eben gerade das vergessen: da ist nur diese Frau, viel Lippe, viel Wut, viel Stimme, viel Bein – viel Weib eben. Und da ist dieser Mann, sexuell beglückt, aber verzweifelt, bereit zum Frieden, in der festen Hoffnung, von dieser Frau gerettet zu werden.

Trotz dieser Intensität, dieser Endlosschleife aus Küssen und Schlägen lässt der Regisseur dem Zuschauer aber gelegentlich das Hintertürchen der Ästhetik offen. Dann nimmt er die unerträgliche, destruktive Wucht dieser fatalen Beziehung aus dem Spiel, indem er Bloch wie einen Buddha nächtens aus der Tiefe des Raums kommen lässt; auch in den Therapie-Sitzungen gibt es immer wieder Distanz schaffende Totalen. Das Prinzip Bloch: in der Ruhe liegt die Kraft. Das ist auch die Strategie, die Bloch in seiner Ehekrise fährt. So wird das Paar Bloch/Klara in diesem Film zu einer Projektion der Hoffnung. Denn: die Kräfte, die in der Beziehung zwischen dem Versicherungsmathematiker und seinem Objekt des Begehrens walten, sind von einem anderen Kaliber, als dass sie sich etwas sagen ließen von einem rituellen Glücksversprechen. Der Mut zum offenen Ende spricht auch für diesen „Bloch“.

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Reihe

SWR, WDR

Mit Dieter Pfaff, Birgit Minichmayr, Devid Striesow, Ulrike Krumbiegel, Holger Daemgen, Antje Schmidt

Kamera: Hubert Schick

Szenenbild: Susanne Hoffmann

Schnitt: Olaf Strecker

Produktionsfirma: Westdeutscher Rundfunk

Drehbuch: Jochen Greve, Johannes Rotter

Regie: Dror Zahavi

Quote: 4,66 Mio. Zuschauer (14,5% MA)

EA: 13.03.2013 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
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