Sie ist hibbelig, sie kippelt beim Sitzen, wenn sie nicht wie eine Getriebene durch den Raum tigert. Am liebsten aber trainiert sie zuhause oder spurtet wie ein Derwisch durch die Gegend. Jana, Anfang 20, ist keine Leistungssportlerin, Jana ist magersüchtig. Sie lebt unter dem Zwang, ständig Kalorien verbrennen zu müssen. So sieht sie auch aus. Eingefallene Wangen, starrer Blick, ihr Gesichtsausdruck eine Leidensmiene. Sie wiegt nur noch 42 Kilo, hält sich aber für fett. Die Eltern sind überfordert. Da muss Bloch ran. „Die meisten Magersüchtigen akzeptieren mich nur ungern als Leitfigur in Ernährungsfragen“, sagt er bitter lächelnd.
Es lag nahe, beim Thema Magersucht die Körperfülle des Psychologen nicht unberücksichtigt zu lassen. Für Dieter Pfaff ist jene Jana „eine spiegelverkehrte Seelenverwandte von Bloch“. Dieser stilisiert seine Fresssucht zur Lust – eine schwere Lebenslüge. „Wohl um mir einen Gefallen zu tun, hat Autor Marco Wiersch das zunächst nicht zum Thema machen wollen“, so Pfaff. Der Schauspieler selbst hat offensichtlich keine Probleme mit dem Thematisieren seiner eigenen Lust an gutem Essen. „Ich finde, darin steckt auch ein Stück Selbstironie.“ Bloch indes vergeht das Lächeln. Der schaufelt sich im Film nur so die Pralinen rein.
Wäre der Film von Franziska Meletzky nicht aus der Reihe „Bloch“, er hätte gut auch „Jana“ heißen können. Auch wenn der Psychologe sich in „Bauchgefühl“ (die ersten 10 Minuten) mit sich selbst konfrontiert sieht, so ist doch seine Patientin die Person, die die Emotionen fast 90 Minuten lang auf sich zieht. Für Zuschauer mit großer Empathie-Bereitschaft kann dieser Film zur Tortur werden. Es ist die nervöse Fahrigkeit, der Suchtcharakter, der Mitleid erregt. Und es ist die authentische Wucht Maria Kwiatkowskys, das Bild gewordene Leiden ihrer krankhaft hageren Jana, das einen stärker als in anderen „Bloch“-Episoden die Konventionen der TV-Reihe und die dramaturgischen Krücken (zur Erklärung der Krankheit) vergessen lässt. „Ich habe ein paar Monate vorher angefangen, Trennkost zu essen, und mit der Diät hatte ich auch Erfolg“, sagt Kwiatkowsky. Sechs Kilo hat sie abgenommen. „Als der Film abgedreht war, habe ich noch eine Zeit gebraucht, um nach alledem wieder normal zu essen.“
Maria Kwiatkowsky kniet sich rein in ihre Rollen. Und die kamen bislang alle aus dem Problemfach. Sie ist der Typ für die psychisch labilen Girlies. In „Liebe Amelie“ war sie ein manisch-depressiver Teenager, in „En Garde“ spielte sie eine hypersensible 16-Jährige, die von ihrer Mutter ins Erziehungsheim abgeschoben wird, in „Kommissarin Lucas“ begeisterte sie als eine junge Frau, die ihre Ohnmacht und Gefühllosigkeit in Blutbädern zu ertränken sucht. Gestrauchelt ist die 24-jährige Berlinerin auch schon im wahren Leben. 2005 zündete sie „aus privater und beruflicher Frustration“ eine Kindertagesstätte an und wurde zu einer zweijährigen Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Dieter Pfaff sah in ihr eine intelligente Partnerin. „Erst habe ich gedacht, sie ist ein Freak, aber mir wurde schnell bewusst, dass ich es mit einer ganz großen Künstlerin zu tun habe.“ (Text-Stand: 3.6.2009)