Bankraub mit Geiselnahme
Irgendwo in einer deutschen Kleinstadt. Ein abgehalfterter Polizist gibt sich mal wieder die Kante. Die Bank hat ihm den Geldhahn zugedreht. Mit seinem Sohn Jacob hat er Dauerstress. Der will kämpfen um das Haus, in dem sie wohnen und das auch das Haus seiner Mutter war. Sie lebt nicht mehr. Ein Unfall. Arved hat den Tod seiner Frau noch nicht verwunden. Will er das Haus verkaufen, um zu vergessen? Sein Zustand ist bemitleidenswert. Jacob hat kein Verständnis für solche Larmoyanz. Die Bank will ihnen kein Geld mehr geben, also geht er zur Bank und holt es sich – mit Gewalt. Aber er ist nicht allein. Er hat Verbündete, die Arved gut kennt und die er nicht mag. Aus dem Bankraub wird eine Geiselnahme. Die Situation eskaliert. Auf welche Seite wird sich Arved schlagen? Mit Mord jedenfalls will er nichts zu tun haben.
Ein Toter kommt selten allein
„Das ist er, der Moment der Wahrheit“, sinniert der Held in dem Thriller „Bissige Hunde“. Er liegt in einem Wald, es ist Nacht und um ihn herum mehrere Tote. Es folgen 24 Stunden aus dem Leben eines tragisch verwitweten Provinzpolizisten, der in einem Spiel auf Leben und Tod zwischen allen Stühlen sitzt. Werden es seine letzten Stunden sein? „Vielleicht finden wir eine bessere Lösung als den Tod“, sagt jene Frau, die ihn in einer Zelle einem „Verhör“ unterzieht. Polizistin? Psychologin? Wahrheitsgöttin? Erotik ist unterschwellig auch im Spiel. Tobias Oertel und Jeanette Hain, die schon einmal in der Sat-1-Serie „Bis in die Spitzen“ miteinander sexy im Clinch lagen, tun ihr Bestes, um die gemeinsamen Szenen in einer rätselhaften Atmosphäre zu belassen. Der Bankraub mit Geiselnahme bringt die nötige Klarheit in die Geschichte, die nicht nur tricky gebaut ist, sondern lange Zeit auch eine angenehme Unberechenbarkeit besitzt. Dass das Ganze ein gutes Ende nehmen wird, was ja gewöhnlich bei einem TV-Krimi Regel Nr.1 ist, lässt sich für diesen Psychothriller nur schwer vermuten. Realismus & Wahrscheinlichkeit sind nicht die Parameter, nach denen Hochschulabsolvent Alex Eslam – gemeinsam mit Crime-Experte Sven Poser („Stralsund“), der es sichtlich genoss, die Fernsehkrimi-Konventionen über den Haufen zu schießen – den Plot gebaut hat.
Genrefilm mit (zu) viel Subtext
Da „Bissige Hunde“ mit Rätseln und Metaphern spielt, die sich erst am Ende für den Zuschauer komplett auflösen (auch wenn man so seine Vorahnungen hat), bekommt der Film eine Aura des Ungefähren: gewichtige Sätze müssen den schweren Überbau der Geschichte aushalten („Gehe weit, um zu schützen, was du liebst“); bedeutungsträchtig aufgeladene Situationen verlangen nach teilweise überdeutlichem Agieren der Schauspieler. Ein Stück weit ist das dem Genre(mix) geschuldet. Alex Eslam wollte sich in seinem Abschlussfilm an der Filmhochschule Baden-Württemberg, der von Sat 1 mitfinanziert wurde, nämlich nicht mit einem klassischen Geiselnahme-Thriller begnügen. Eine höchst mögliche Fiktionalität für einen Film, der auch im Fernsehen laufen soll, war offensichtlich das anvisierte Ziel. Ein Genrefilm mit reichlich Subtext. Dass dieser aber nicht geschmeidig unter der Geschichte liegt, sondern offen (aber anfangs verschlüsselt) in die Handlung integriert wird, gibt dem Film nicht nur etwas Schweres, sondern er nimmt ihm auch etwas von der äußeren Spannung, ohne diese hinreichend durch innere Spannung, die zwischen den Charakteren bzw. die, die das Dilemma der Hauptfigur widerspiegelt, zu ersetzen. So lässt einen dieser Thriller – zumindest am TV-Bildschirm – eher kalt. Distanz ist kein grundsätzliches Negativkriterium für einen Film. Für einen Film, der aber mit dem, was er filmisch auffährt, deutlich macht, dass er gerade besonders auf diese Emotionalisierung aus ist, irritiert das schon ein wenig (insbesondere wenn der Score einem überdeutlich zeigt, dass – und was – man fühlen soll). So hat man mitunter den Eindruck, dass der sicher geführte filmische Apparat ein wenig ins Leere läuft.
Handwerklich beeindruckend
Trotz dieser Schwächen ist „Bissige Hunde“ ein bemerkenswerter Debütfilm und – sieht man ihn im Vergleich mit dem, was einem das Fernsehen als Genre tagtäglich anbietet – dann ist er eine willkommene Abwechslung. Auch wenn Eslams Film eindeutig ein Film ist, der die große Leinwand braucht. Im Kino würde man zwar auch die Mängel in der Dramaturgie erkennen, aber das Filmische würde wohl die Oberhand gewinnen. Und handwerklich – von der Kamera über die Ausstattung und das Sounddesign bis zur visuellen Nachbearbeitung – ist der Film beeindruckend und unterstützt vorbildlich den surrealen Charakter der Erzählung, die sich aus Motiven wie Todessehnsucht, verletzter Stolz, Schuld und Schmerz speist. Auch wenn es dem Film nicht gelingen mag, den Fernsehzuschauer vordergründig „emotional“ zu packen, so gelingt es doch der Montage, den Zuschauer an die mitunter diffuse Handlung zu binden. Den Rest übernimmt der Look. Und Schauspieler, denen man gern folgt. (Text-Stand: 12.6.2015)