„Jetzt haben wir unsere Elternpflichten erfüllt und sind frei als Menschen und als Freunde – und jeder kann tun und lassen, was er will“, strahlt Bella, sich im Kopf eine glückliche Zukunft ausmalend. Doch die Realität scheint anders auszusehen. Ehemann Martin will sich von ihr scheiden lassen. Die Tochter will sich ein Jahr lang nach Australien absetzen. Und der Job im Call-Center bringt die Frau, Mitte 40, bei ihrem Start in ein neues Leben auch nicht weiter. „Bei Bella geht es jetzt darum, in Würde zu altern“, macht ihr die eigene Schwester nicht gerade Mut. Auch Bellas Pläne vom Auswandern nach Australien kontert diese verbal: „Die wollen ein Land aufbauen, kein Altersheim gründen.“ Bella ist dennoch guter Dinge, trifft Vorbereitungen für ein Leben „down under“. Sie büffelt Englisch und versucht sich wieder als Physiotherapeut in einem etwas anrüchigen Etablissement. Tochter Lena fliegt schon mal vor. Ihre Mutter will nachkommen. Erst muss sie in Berlin alles regeln und in Ordnung bringen.
Soundtrack: Ben Webster („My Romance“), Tex Ritter („High Noon“), I am Kloot („Proof“), Elvis Costello („She“)
Bella ist wieder da! Nach „Bella Vita“ heißt es nun „Bella Australia“. Fast das identische Schauspielerensemble um Andrea Sawatzki hat sich wieder eingefunden, um die Heldin und ihre Freunde auf ihrem Zickzack-Kurs durchs Großstadtleben weiter zu begleiten. Im Zentrum stehen die Wünsche und Sehnsüchte von Frauen zwischen 40 und 50. Die einen mit lückenhaftem Lebenslauf und kaum Perspektive, die anderen, die alles im Überfluss haben und sich alle Optionen so lang wie möglich offen halten wollen. Die einen, die es weiterhin zu zweit, die anderen, die es besser mal allein versuchen wollen. „Ich bin eine völlige Katastrophe“, zieht Bella Bilanz, nachdem sie mit aller Kraft ihrem Leben eine Wende geben wollte. Und überhaupt: „Glück wird überbewertet.“ Und weil sie weiß, dass Sex keine Lösung ist, springt sie erst mal mit ihren beiden Männern in die Kiste. Was kommen wird, wer weiß. Die Angst vor etwas Neuem, vor der eigenen Courage, die Angst, zu scheitern – Bella kennt diese Ängste nur ansatzweise. Hoppla, jetzt komm ich, ist ihre Haltung – obgleich sie wohl ahnt, dass diese Haltung reichlich naiv ist. Unermüdlich und frech grinst sich diese Bella das Leben lebenswert. Das kriegt mit all den feinen semantischen Nuancen, von grell überzeichnet bis ehrlich und chaotisch liebenswert, hierzulande nur eine hin: Andrea Sawatzki.
„Bella Australia“ spießt all die Sehnsüchte, die Wunschvorstellungen, die Idealbilder des Zeitgeists auf, nicht ohne auch deren Widersprüche und Schwachstellen aufzudecken. Die Dialektik des merkwürdigen Verhaltens des aufgeklärten Großstädters nach der eigentlichen Paarungszeit spielt neben Sawatzki die Hauptrolle in dieser gelungenen Lifestyle-Komödie. Alles ist möglich im Verhalten der vom Leben und den eigenen Lebensscripts gebeutelten Stadtneurotikern. Vivian Naefes Film nach dem Buch von Melanie Brügel handelt auch vom Zwang, sich selbst zu verwirklichen, der sich auch schon mal als Selbstfindungsterror entpuppen kann. Was früher hieß, „wer rastet rostet“, wird heute zum kategorischen Imperativ einer Generation, die sich noch mal neu ausprobieren will. Da wird das Alte über Bord geworfen, ohne ein neues Ziel im Auge zu haben. Die Veränderung als Wert an sich – das schimmert lebensklug durch die vielen kleinen Geschichten, die „Bella Australia“ am Rande miterzählt. Das vielfältige Personal gibt diesem Frauenporträt einen gesellschaftlich stimmigen Unterboden. Und diese Dramaturgie bringt nicht nur Tempo in die Geschichte, sie macht in einer Zeit, in der Netzwerke und „Freunde“ zum Marktwert gehören, auch Sinn.