„Ich habe mal gehört, dass es im Osten neben der SED eine zweite große Partei gegeben haben soll: die FKK.“ Jakob ist gar nicht davon begeistert, dass seine Eltern ihrem Freiheitsdrang aus alten DDR-Tagen auch noch 20 Jahre nach dem Mauerfall nachgeben. Immer und überall laufen sie nackt herum. Vater Helmut und Mutter Sabine leiten ein Nudisten-Camp in der Mark Brandenburg. Sie verstehen sich als Freigeister. Früher war es ein Schutz gegen die Vereinnahmung durch die Obrigkeit. Heute ist es ein Stück Weltanschauung, das ihnen aus ihrer Jugend geblieben ist. In diese textilfreie Zone gerät ein schnieker, konservativer Textilunternehmer aus München mit seiner verzogenen Tochter. Er ist der neue Besitzer des Grund und Bodens, auf dem das Nudisten-Camp steht. Die Nackten fürchten mit Recht um ihren Pachtvertrag. Also heißt es: sich anziehen und verstellen, bis der Mann wieder weg ist. Doch dem gefällt es im „Sportverein zur Freiheit“. Und wie die Ostfamilie zusammensteht, das imponiert dem Wessi und seiner Tochter ganz besonders.
„Barfuß bis zum Hals“ beginnt als große Nackedei-Party. Mit einer bisher in Fernsehfilmen noch nicht gesehenen Selbstverständlichkeit wird hier mit dem Nacktsein umgegangen. Die Schauspieler halten sich nichts vor die Genitalien, auch der Kameramann macht keine künstlichen Verrenkungen. Martin Brambach und Stefanie Höner spielen nackt so, als ob sie angezogen seien. Das alles nimmt weit mehr für die ersten 20 Minuten des Films ein als die übliche Kontrast-Konstruktion, mit der die Drehbuchautorin Sarah Schnier und Regisseur Hansjörg Thurn („Die Schatzinsel“) das Komödienmaschinchen durchaus gekonnt anwerfen.
Doch das, was in der Folgezeit aus den Ost-West-Klischees herausgeholt wird, was zwischen Freikörperkultur und Freier Marktwirtschaft, zwischen real existierendem Ost-Sex und kapitalem Liebesfrust West verhandelt wird, ist launig, mitunter frech und auch nicht ganz unintelligent. Das Wechselspiel zwischen Eltern und Kindern, zwischen ausdiskutierter Politik der Gefühle und zärtlich ausgelebter Romantik ist wohl austariert. Die äußere Handlung ist nur Vorwand für eine Geschichte über Weltanschauung und Freundschaft, über Rebellion und Generationenkonflikte und über die Vorurteile, die Ost- und Westdeutsche im Umgang miteinander pflegen. Christoph M. Ohrt findet mit steigendem Alkoholpegel seines „Kapitalisten“ zu einer realistischen Tonlage, die Martin Brambach von Anfang an in seiner unnachahmlichen Art und Weise zu spielen an den Tag legt. Er ist das Herzstück dieser kleinen, feinen Komödie, die auch mit ihren liebevollen Details, den kernigen Nebenfiguren und ihren Jungdarstellern, allen voran Constantin von Jascheroff und Sarah Kim Gries, zutiefst zu überzeugen weiß. Der Film hat das Zeug zum Kultfilm. (Text-Stand: 15.9.2009)