Lara (Aylin Tezel) ist Mitte zwanzig und studiert ihren Eltern zuliebe Architektur, obwohl ihr Herz eigentlich für die Fotografie schlägt. Mit Nora (Henrike von Kuick) verbindet sie eine besonders enge Freundschaft, die – weniger aus überzeugter Bisexualität als vielmehr aus pubertärer Neugier – zuweilen über eine rein platonische Ebene hinausgeht. So fühlt sich Lara gleich doppelt betrogen, als Nora eine Beziehung zu ihrem Dozenten Martin (Godehard Giese) eingeht. Aus Trotz und verletztem Stolz lässt sich Lara auf ein überstürztes One-Night-Stand ein und muss wenige Wochen später schockiert feststellen, dass sie schwanger ist. Auf anfängliche Überforderung folgt Freude und sie entscheidet sich, das Kind zu bekommen. Nicht zuletzt gibt dieses unerwartete Ereignis ihrem Leben endlich den Sinn, den sie so lange vermisst hat. Doch ein furchtbarer Schicksalsschlag durchkreuzt alle ihre Pläne.
Pola Schirin Beck steigt dynamisch in die Geschichte ihrer Protagonistin ein. Surreale Nahaufnahmen und Spiegelungen verdeutlichen eine rauschhafte Verlorenheit Laras. Die sehr körperliche und überdrehte Beziehung der beiden jungen Frauen erschwert es dabei zunächst, die beiden Mädchen als Studentinnen und nicht als pubertierende Schülerinnen wahrzunehmen. Erst nach und nach kristallisiert sich die ernsthafte Sinnsuche Laras heraus, die sie von ihrer besten Freundin unterscheidet. Im Gegensatz zur nachdenklichen Hauptfigur, wirkt Nora zum Teil naiv und egozentriert. Wenn Lara im Zuge ihrer Schwangerschaft das unbeschwerte Partyleben gegen Bodenständigkeit eintauscht, findet auch die Kamera einen ruhigeren Stil, der das veränderte Innenleben der Hauptfigur widerspiegelt.
Es ist jedoch nicht nur das Zusammenspiel von Stil und Handlung, das der Geschichte von „Am Himmel der Tag“ Überzeugungskraft verleiht. Aylin Tezel trägt mit ihrem emotionalen Spiel einen erheblichen Teil zur filmischen Illusion bei. Es ist ihre Darstellung der zunächst in depressive Schockstarre verfallenen und später verzweifelten Lara, die das Publikum zu Tränen rühren kann und dem Film nach dem lockeren Einstieg eine bedrückende Ernsthaftigkeit verleiht. Dass es so leicht fällt, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren, ist auch dem Drehbuch von Burkhardt Wunderlich zuzuschreiben. Es gelingt ihm nicht nur, seine Geschichte spannend zu erzählen und über weite Strecken glaubwürdig aus den Charakteren zu entwickeln, sondern mit Hilfe einer komplexen Figurenzeichnung auch den kleinen Rollen Authentizität zu verleihen. Lediglich im letzten Drittel scheint es, als habe Wunderlich das Drama ein wenig zu stark forciert. Das Wegbrechen von Laras sozialem Umfeld dient zu offensichtlich der Zuspitzung ihrer Lage. Dieser starken Inszenierung der Ereignisse zum Trotz, haben Beck und Wunderlich ein dezentes Ende gewählt, das einerseits Hoffnung transportieren kann, dem Zuschauer aber auch Raum für eigene Interpretationen lässt.
Mit „Am Himmel der Tag“ hat Nachwuchsregisseurin Pola Schirin Beck bewiesen, dass sie komplexe Emotionen glaubwürdig inszenieren kann. Sie versteht es zudem, stilistisch und inhaltlich eine Zeitstimmung zu treffen und ihrem Film somit Relevanz zu verleihen. Letztlich geht es hier weniger um die ungeplante Schwangerschaft einer jungen Frau, als um das Dilemma einer ganzen Generation, die inmitten der Vielfalt möglicher Lebensentwürfe die Orientierung verloren hat. Bei allen Entscheidungen geht es Lara vor allem darum, ihrem Leben einen Sinn und eine Richtung zu verleihen. Mit ihrem Hochschulabschlussfilm zeigt Beck, dass sie selbst eine klare Richtung gefunden hat…