Maria ist süchtig nach Nähe. Selbstzerstörung ist ihr zweiter Vorname. Ihr größter Feind ist das Alleinsein. Weil sie Angst vor der Leere hat, betäubt sie sich mit Wodka, Tabletten und Sex. Weil sie sich nicht spürt, ritzt sie sich die Unterarme blutig oder lässt sich von wechselnden Liebhabern besinnungslos ficken. Nur von einem kann sie nicht lassen, ein Mann, fast doppelt so alt wie sie: bereitwillig lässt er sich von ihr herumschubsen. Ist Marias Gier nach körperlicher Zuneigung befriedigt, folgt der seelische Kater. Spätestens dann schmeißt sie ihre(n) Lover vor die Tür. Sie hat Angst vor Gefühlen, weil sie Angst vor Zurückweisung hat, und deshalb muss sie ihre Liebesobjekte vor den Kopf stoßen. Es ist immer dasselbe Spiel – bis sie eines Tages den Studenten Jan kennenlernt, der so anders ist als ihre bisherigen Männer. Er ist ehrlich, sensibel, liebevoll. Und wieder hat Maria Angst, Angst, Jan und dieses ungewohnte Gefühl zu verlieren, Angst, verletzt zu werden. Also verheimlicht sie ihm ihre manisch-depressive Sucht. Doch lange kann das nicht gut gehen.
„Lavinia Wilsons Darstellung verwandelt Maria von einer Fallstudie in eine lebendige Figur, die weitaus komplexer ist als die Summe all ihrer Krankheitssymptome nahe legt.“ (Sascha Westphal, FR)
„Lavinia Wilson ist eine Sensation. Manchmal ist ihr Gesicht so spitz wie das von Nicole Kidman, dann wieder so durchscheinend verletzlich wie das von Julianne Moore, und wenn es nicht diesen Film schon gäbe, müsste man hoffen, dass einer käme und ihr Geschichten auf den Leib schreibt.“ (Michael Althen, FAZ)
Lavinia Wilson bekam in Saarbrücken 2005 den Nachwuchspreis für „Allein“, obwohl die Schauspielerin schon als Teenager, beispielsweise in „Todesreigen“ (da war sie gerade mal 13) oder „Das erste Mal“, überaus preiswürdig agierte. Sie vermag es, den Filmen, in denen sie spielt, ihren Stempel aufzudrücken. Es ist ein Spiel, das von ihrer Aura, von Stimmungen, von Blicken, von einer magischen Körperlichkeit lebt. Und das passt vorzüglich zu dem, was der junge Filmemacher Thomas Durchschlag sich für seinen ersten Langfilm vorgenommen hatte: ein konzentriertes, auf Rituale fokussiertes Porträt einer Frau, die unter einer Borderline-Störung leidet, ohne dass sie oder der Regisseur eine filmische Therapiesitzung daraus machen. „Allein“ kommt ohne psychologische Erklärungen aus, will weniger Fallbeispiel sein als Film: ein Gesicht, die Andeutung eines Krankheitsbildes, ein selbstzerstörerischer Wankelmut, ein kranker Körper, ein paar männliche Objekte der (kurzzeitigen) Begierde, eine reduzierte Bildsprache, sparsame Dialoge, wenig Schauplätze – die Konturen des Films sind so klar wie die Gesichtszüge von Lavinia Wilson zwischen lebenshungrigem Leuchten und Erloschenheit. Da übersieht man gern die kleinen dramaturgischen Schwächen. Insgesamt aber ist „Allein“ ein herausragendes Debüt, weil der Film seine Kräfte perfekt bündelt und sich nicht in seinem Thema verliert. Und Lavinia Wilson spielt zum Fürchten realistisch.