Die Patronenhülse ist eine klare Botschaft. Eine Familie ist ihres Lebens nicht mehr sicher. Vater Jochen, Manager einer Zigarettenfirma, dachte, das Richtige zu tun, als er Bilanz-Fälschungen der Geschäftsführung bei der Polizei zur Anzeige brachte. Doch mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Firma Zigarettenschmuggel im großen Stil betreibt. Keine guten Aussichten für einen Verräter und seine Nächsten. Die Zigarettenmafia hat einen strengen Kodex: „Wer mit der Polizei zusammenarbeitet – der muss bestraft werden“, bringt es Polizist Sebastian auf den Punkt. Die Familie wird deshalb in Sicherheit gebracht: In der Einsamkeit der Ostsee bewegen sich Vater, Mutter und Tochter, die sich über die Jahre entfremdet haben, wieder aufeinander zu – bis Ehefrau Marlene von Jochens Affäre erfährt. Enttäuscht sucht sie die Nähe des verständnisvollen „Zeugenschützers“ Sebastian. Zugleich lässt die Bedrohung von außen nicht nach. Es könnte sogar eine undichte Stelle bei der Polizei geben.
„Allein gegen die Angst“ ist ein außergewöhnliches Thrillerdrama. Eine Familie wird von einer auf die andere Minute aus ihrem materiell sorgenfreien Leben gerissen. Die Existenz wird durch äußere Umstände in Frage gestellt: Wird diese Familie je wieder ein ‚normales’ Leben führen? Hinzu kommt: In der Bedrohung auf Leben und Tod müssen Herzensangelegenheiten ‚verhandelt’ und über eine neue Lebensplanung entschieden werden. Martin Eigler gelingt es, die Grundparameter für eine gesicherte Existenz völlig aus dem Lot zu bringen und so eine Gemeinschaft in ihren Grundfesten zu erschüttern. Dabei streift der Krimi-Drama-Experte auch in diesem Film wieder seine liebsten Genres, ohne sich allzu sehr von den Konventionen leiten zu lassen. Meisterlich wie Eigler die Genres ineinander verwebt. Das ist kein postmoderner Tonlagen-Mix, sondern geboren aus der Notwendigkeit der Geschichte: der Krimi ist hier nicht der Steigbügelhalter fürs Drama. Eigler verliert nie den Bezug zur kriminellen Ausgangssituation, wie auch der überraschende Schluss deutlich macht.
Vorbildlich an Eiglers Film ist auch die Ökonomie der Mittel: klar, konzentriert, kein Wort zu viel – das ist die ästhetische Gangart. Die Schauspieler (ohnehin eine Klasse für sich) passen sich dieser Stimmungslage perfekt an, ohne dabei im deutschen Befindlichkeitskrimidrama zu versinken. „Allein gegen die Angst“ vermittelt etwas davon, was Zeugenschutz für die Betroffenen bedeuten kann, der fast völlig auf Action verzichtende Film ist vor allem aber ein kleines Genrekunststück, das wahrhaftig ist in seiner Durchdringung des Menschlichen und dessen distanzierter, analytischer Erzählstil einen nie kalt lässt. (Text-Stand: 27.3.2006)