Alaska Johansson fühlt sich bedroht. Die beste Head-Hunterin ihrer Firma wird auf Weltreise geschickt. Sie tritt die Reise aber nicht an, sondern gerät in einen heimischen Horrortrip. Aus Wodka und Tabletten mixt sie sich einen bunten Cocktail. Ist die Frau, die so unterkühlt wirkt, die Abfuhr ihres Chefs und Liebhabers doch näher gegangen als vermutet? Der Selbstmord misslingt. Ein Mädchen mit Halloween-Maske wird ihr Lebensretter. Fortan spukt das Kind weiter im Leben der Head-Hunterin herum – steht am Fenster gegenüber, macht Geräusche, kichert, nervt. Kein anderer kennt das Mädchen, weder der Nachbar, den Alaska für den Vater hält, noch die Polizei. Bei einem schweren Unfall hat sie wenig später großes Glück. Das Auto sei von selbst gefahren, behauptet Alaska felsenfest. Alle zweifeln an ihrem Verstand. Sie entlässt sich selbst aus dem Krankenhaus, macht sich schön – und verführt den Notfallarzt. Ihr Vater, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Schönheitsoperation, würde ihn am liebsten verklagen. Und dann ist das „kleine Ungeheuer“ plötzlich wieder da, ganz nah bei Alaska.
„Alaska Johansson“ – so heißt kein Mensch, so heißt kein Fernsehfilm, so sieht auch kein Fernsehfilm aus! Die im Breitwandformat gedrehte HR-Eigenproduktion erzählt von seltsamen Erlebnissen um eine junge Frau, die ein großes Geheimnis hat. Nach 60 Minuten gibt es die ersten Antworten – bis dahin sieht man die Heldin sich immer wieder waschen, sich kratzen, sich herumärgern mit Nachbar, Polizei und Ärzten, und man sieht sie regelmäßig in Panik verfallen – wer klopft denn da an meine Badezimmertür? Man wird Zeuge, wie schnell sie sich erholt vom Vollcrash mit einem LKW, wie sie sich immer verführerischer stylt und sich vom Notfallarzt ihre Wunden lecken lässt. Die filmkritische Zwischenbilanz fällt nach 60 Minuten, trotz dicker Fragezeichen und obwohl man das Geheimnis der Heldin und den Clou des Films noch nicht kennt, bereits ausgesprochen positiv aus: Der Film von Achim von Borries („Tatort – Wie einst Lilly“) ist nicht nur ein optischer Leckerbissen – auch die Geschichte erschließt sich vornehmlich auf der Bildebene. Auch wenn Genres wie Thriller & Psychodrama deutlich ihre Spuren hinterlassen haben in diesem postmodernen Pop-Pastiche – eine klassische Dramaturgie mit stringenter Handlung kann man lange suchen. Nicht Psycho-, sondern die Wahn(sinns)logik führt Regie. Assoziations- und Bilderketten sind ihr Atem. Was haben die Begleiter der schönen Heldin, das „Gespenst“ und ein roter Luftballon, gemeinsam? Der Film hat etwas von einem Labyrinth, er entwickelt keinen „realistischen“ Genrefilm-Schrecken, sondern präsentiert sich als visuell opulente, subjektive Arthaus-Phantasie.
Foto: HR / Bernd Fischer
Die Welt, die „Alaska Johansson“ schafft, ist eine Traumwelt. Eine vermeintliche Wunschlandschaft, in der sich die Hauptfigur immer weniger zurechtfindet. Obwohl doch Alaska Johansson selbst ein Produkt dieses schönen Scheins ist: rote Lippen, schwarze Haare, hohe Hacken, kühler Blick – die Frau als Fetisch. Louise Brooks und alle ihre Epigonen lassen schön grüßen! Als Objekt der Verführung versteht sich aber auch der Film (und insbesondere die Bildgestaltung von Bernd Fischer): modernistisches Design, exquisite Ausstattung, klare Formen, knallige Farben, bizarre Perspektiven, aufreizendes Sounddesign – da sind die Sinne gefordert, ist der Augenmensch glücklich. Doch hinter diesem Glück gibt sich alsbald die hässliche Fratze dieser formvollendeten Wirklichkeit mit ihrem Perfektionszwang, der kalten Oberfläche und dem hohlen Schönheitskult zu erkennen. Es bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen, wo bei ihm die Wirklichkeit aufhört und der Wahn beginnt. Auch eine große Stärke dieses aufregenden Films, der die HR-Reihe der „mysteriösen Geschichten“, von „Lisas Fluch“ über „Nina sieht es…!“ bis „Sechzehneichen“, in bester Fernsehkino-Qualität und mit Alina Levshin („Die Kriegerin“) als furios agierender Kunst(film)ikone fortsetzt.