Zwei

Katharina Marie Schubert & Hans Löw, Frank & Ariane Zeller. Aufräumen & Lieben

Foto: WDR / Marion von der Mehden
Foto Rainer Tittelbach

Ein Thema, zwei Figuren, eine Beziehung im Wandel, drei Episoden, zwei Zeitsprünge & nur wenige Schauplätze: „Zwei“, der einfache Titel passt gut zu diesem 90-Minüter, der zeigt, was alles machbar ist im Fernsehen, wenn man die ausgetretenen Pfade der TV-Fiktion verlässt. Ein Mann und eine Frau, um die 40, vor über 20 Jahren waren sie schwer ineinander verliebt, er, das Unternehmersöhnchen, das sich nie von seinem Vater befreien konnte, und sie, das Au-Pairs-Mädchen, das eine Berufsjugendliche geblieben ist. Es ist ein großes Vergnügen, Katharina Marie Schubert & Hans Löw beim Beziehung spielen zuzuschauen. Und zu sehen, wie Regisseurin Ariane Zeller die Filmsprache zum Mitspieler der beiden macht.

Eine Liebesgeschichte in drei Akten, die noch nicht auserzählt ist
1. Akt: Nachts in einer leeren Hotelbar treffen sich ihre Blicke: Fiona Kranzler (Katharina Marie Schubert) und Martin Meitner (Hans Löw) kennen sich aus einem anderen Leben. Vor über 20 Jahren waren sie schwer ineinander verliebt, er, das Unternehmersöhnchen, und sie, das Au-Pairs-Mädchen, das einen Sommer im Hause Meitner angestellt war. Fiona ist heute Managerin im Rockmusik-Business, Martin ist in die Firma seines Vaters eingestiegen. Sie palavern, nehmen ein Bad im Hotelpool – und verabschieden sich unverbindlich. Am nächsten Morgen ergibt es sich, dass die beiden noch einen gemeinsamen Tag dranhängen. Sie fahren ins Sommerhaus der Meitners, erinnern sich an alte Zeiten – und die Leidenschaft bricht wieder aus… 2. Akt: Die beiden leben jetzt zusammen, in jenem Sommerhaus an der Ostsee. Martin hat seine Familie verlassen. Es ist der Vorabend des 50jährigen Firmenjubiläums. Der Juniorchef soll eine Rede auf seinen alten Herrn halten, er ist aufgeregt, auch Fiona ist etwas bang vor dem Aufeinandertreffen mit Meitner senior. Prompt kommt es zum Eklat. Und obwohl Fiona schwanger ist, was Martin nicht weiß, verschwindet sie aus seinem Leben… 3. Akt: Fiona überrascht Martin im Sommerhaus, das verkauft ist und so gut wie leer steht. Über ein Jahr hatten sie keinen Kontakt. Beide wirken relativ entspannt. Martin scheint ein Stück weit Frieden mit seinem egomanischen Vater geschlossen zu haben. Fiona möchte einen Schlussstrich ziehen. Aber das fällt schwer. Denn sie sind noch ineinander verliebt…

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Wiedersehen nach über 20 Jahren. Sie (Katharina Marie Schubert) ist noch immer Berufsjugendliche, er (Hans Löw) scheint dagegen lebendig begraben zu sein in der Firma seines Vaters. Nach und nach erfährt man mehr von den Geschichten der beiden.

Eine Liebe, Zeitsprünge & zwei Menschen, die ihr Leben aufräumen
„Das kommt davon, wenn man mit 40 in die Pubertät kommt“, witzelt Fiona am Vorabend der allseits Bauchschmerzen bereitenden Firmenfeier in Akt 2 des ARD-Fernsehfilms „Zwei“. Sie legt die Hand in seine Wunde. Meitner junior hat sich nie richtig freimachen können von seinem übermächtigen Vater. „Mach’ dich nicht immer so zu seinem Opfer“, appelliert sie an ihn. Doch er wird es wieder tun – und mit Leidtragende wird Fiona selbst sein. Die Frau um die 40, die sich nicht umsonst für einen Job entschieden hat, der ihr den Status eines Berufsjugendlichen ermöglicht, lenkt gerne von sich ab. Bei Martin erkennt sie schnell, was Sache ist, an ihren eigenen Problemen scheint sie dagegen nicht rühren zu wollen. Machen – und dabei so gut es geht vergessen, wie es drinnen aussieht. Notfalls kann man ja mit Alkohol nachspülen. „Du bist der gelebte Ausnahmezustand“, schimpft Martin ihr einmal hinterher. Während er, der Strukturierte, nachdem er von ihr angeschubst wurde, etwas verändert in seinem Leben, fällt es ihr letztlich schwerer, sich klar und konsequent zu verhalten. Sie will sich irgendwie durchmogeln durchs Leben, und was sie als Allerletztes möchte: an alten Verletzungen (aus ihrer Kindheit?) rühren. Vielleicht sieht sie sich und ihr Leben nicht als so wichtig an (was Teil ihres Problems sein könnte). Und auf die Frage, „Warum kannst du dich mir nicht zeigen“, fällt ihr nicht viel ein. Dann doch lieber Sex auf dem Küchentisch.

„Wenn man nur zwei Figuren hat, ist jede Szene wichtig und muss stimmen. Sonst bleibt der Film nicht im Fluss. Das erfordert viel Konzentration. Es gibt kaum Möglichkeiten, Schwächen im Schnitt auszubügeln.“ (Ariane Zeller)

ZweiFoto: WDR / Marion von der Mehden
Wenig Schminke zwar – und doch versteckt sich Fiona (Katharina Marie Schubert) hinter der Maske einer Beobachterin, eines Clowns, wie sie selber über sich sagt.

Deutlich reduziert und dennoch filmisch, alltagsnah und „realistisch“
Ein Thema, zwei Figuren, eine Beziehung im Wandel, drei Episoden, und die zentralen Schauplätze an den Fingern einer Hand abzuzählen: „Zwei“, der einfache Titel passt sehr gut zu diesem 90-Minüter, der einem wieder einmal zeigt, was alles machbar ist im Fernsehen, wenn man die ausgetretenen Pfade der deutschen TV-(Krimi-)Fiktion verlässt. Dabei wirken weder die Räume noch das Spiel in irgendeiner Weise theatral. Zwar ist die Sprache deutlich gestaltet, die Sätze charakterisieren die Figuren, doch die Interaktion wirkt alltagsnah. Ähnliches gilt für die Schauplätze. Das Sommerhaus ist mehr als eine imposante „Kulisse“ für diese Szenen einer Liebe; es steht gleichsam für Martins Respekt einflößenden (Über-)Vater. So erweist sich die symbolhafte Zeichenwelt im Film als keineswegs augenscheinlich symbolhaft, sondern als „realistisch“ und höchst filmisch. Und so fällt es nicht schwer, den beiden Schauspielern zuzuhören. Erleichtert wird das noch dadurch, dass die zwei Protagonisten sehr unterschiedliche Temperamente besitzen: Die Frau ist immer etwas schneller, gelegentlich zu schnell, trifft den Nagel auf den Kopf, aber auch schon mal schmerzhaft daneben („und – glücklich?“); der Mann braucht für alles etwas länger, muss nachdenken und verfällt dabei häufig in Selbstmitleid. Und dann wird ja auch nicht die ganze Zeit nur geredet. Da ist der Hotelpool, in dem die beiden eine Art Balztauchgang einlegen. Da sind der Strand und das Meer, die ihre Gedanken und Bewegungen beflügeln und deren Weite und Offenheit in alle Richtungen sich als Trugbild erweisen könnte. Da ist die Musik, da ist das Headbanging, die Erinnerung an alte Zeiten, und da ist natürlich der Sex.

Filmsprache wird zum Mitspieler: Licht, Farben, die Distanz der Kamera
Es ist ein großes Vergnügen, Katharina Marie Schubert und Hans Löw beim Beziehung spielen zuzuschauen. Die Autoren Frank und Ariane Zeller, die auch Regie führte, schrieben Sätze, die wie gemacht sind für Schuberts breite Kodderschnauze („Ist ja gar kein Porsche, wäre aber gut gegen Midlifecrisis“). Löw dagegen hat weniger Text, die Semantik seiner Figur vermittelt sich stärker über das Wie: die Stimme (belegt?), die Mimik, die Körper-Sprache – und wenn es sein muss, tritt dieser Martin noch während eines Gesprächs die Flucht an. Weil es keine weiteren Protagonisten gibt (nur Meitner senior, gespielt von Hand Löws Vater Jörg Löw, ist kurz zu sehen, aber nicht zu hören), wird quasi die Filmsprache zum Mitspieler. Vor allem Licht und Farben reagieren auf die Entwicklung der Geschichte. „Von einem eher offenen und verspielten Look zu Beginn über die verliebten Farben in der Mitte wird am Ende alles nackter, ernüchternder, die Töne dunkler“, so Ariane Zeller. Die sichtbaren Stimmungen spiegeln die augenblicklichen Befindlichkeiten der Protagonisten wider. Die Ostsee, das wechselnde Wetter, auch hier wieder entscheidend das Licht, das alles wird zur Metapher für die Liebe der sich Wiedergefundenen. Weil die Figuren stets auch mit der Umgebung kommunizieren, begegnet die Kamera den Charakteren mit der nötigen Distanz. Außer beim Sex werden die emotionalen Situationen nicht „am Mann“ hoch gespielt, dagegen beobachtet die Kamera schon mal das Spiel durch geöffnete Türen. So kann sich der Zuschauer stets das bestmögliche Bild von der erwachsenen Liebesgeschichte machen.

ZweiFoto: WDR / Marion von der Mehden
Können die zwei das Vergangene hinter sich lassen? Ist der seelische Müll entsorgt? Ein bisschen liegt das auch im Augen des Betrachters. Der Zuschauer kann den Film nicht nur am Ende weiterdenken. Auch zuvor darf er seine Phantasie gebrauchen.

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Fernsehfilm

WDR

Mit Katharina Marie Schubert und Hans Löw

Kamera: Florian Emmerich

Szenenbild: Adrienne Zeidler

Kostüm: Cornelia Streiter

Schnitt: Regina Bärtschi

Soundtrack: Radiohead („Creep“ / „No Surprises“), Le Spin Ovale („Sleep Fast And Go“)

Produktionsfirma: Akzente Film & Fernsehproduktion

Drehbuch: Frank Zeller, Ariane Zeller – Überarbeitung: Annette Simon

Regie: Ariane Zeller

Quote: 2,86 Mio. Zuschauer (8,7% MA)

EA: 19.04.2017 20:15 Uhr | ARD

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