Vermutlich hat schon Bettina Böttinger das Wortspiel nicht erfunden, als sie einst für den WDR die Doku-Soap „Ein Heim für alle Felle“ konzipierte, und auch sonst klingt „Zwei Frauen für alle Felle“ erst einmal nicht sonderlich originell. Zwei Frauen, die nicht nur vom Alter her grundverschieden sind, tun sich zusammen, um gemeinsam eine Praxis zu betreiben: Das erinnert an die ZDF-Sonntagsreihe „Mit Herz und Holly“ (seit 2023); selbst die Titel der beiden Auftaktfilme, dort „Diagnose Neustart“, hier „Neuanfang“, sind sich ähnlich. Ansonsten entspricht das Schema der neuen Freitagsreihe dem bewährten „Medical“-Muster von „Eifelpraxis“ oder „Praxis mit Meerblick“: Beruflich suchen Maja Freydank (Bettina Zimmermann) und Julia Kramer (Meriel Hinsching), Detektivinnen gleich, nach den Ursachen rätselhafter Symptome, privat erleben sie allerlei Turbulenzen.
Foto: MDR / Thomas Dietze
Einziger, aber wesentlicher Unterschied zu den anderen Reihen, der Titel lässt es erahnen: Die beiden Frauen behandeln „alle Geschöpfe groß und klein“; so lautete der übersetzte Originaltitel der überaus beliebten BBC-Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“ (ab 1978) nach den Erzählungen des Tierarztes James Herriot. Sein erstes Buch hieß „Wenn sie doch nur reden könnten“, und dieser Stoßseufzer markiert auch den größten Kontrast zwischen den beiden Veterinärinnen: Julia sagt von sich selbst, sie sei keine Hundeflüsterin. Während die erfahrene Maja grundsätzlich auf ihr Bauchgefühl vertraut, hält sich die jüngere Kollegin lieber an Fakten; auch das ein typisches Muster, wenngleich vor allem in Krimiserien.
Dass die beiden Filme allem Schematismus sowie der soliden, aber allzu unaufgeregten Inszenierung (Stefan Bühling) zum Trotz dennoch sehenswert sind, liegt vor allem an den vielen Geschichten, die die „Praxis mit Meerblick“-erfahrene Autorin Anja Flade-Kruse erzählt. Auch hier finden sich zwar allerlei schon oft verwendete Versatzstücke, aber die Kombination ist abwechslungsreich und die Figuren wecken Interesse: Maja hat ihren von Kai Schumann als sympathischen Luftikus verkörperten Gatten zwecks „Beziehungspause“ ausquartiert, was gelegentliche nächtliche Rückfälle nicht ausschließt. Julia wiederum verliebt sich regelmäßig in ihre Kollegen, pflegt aber stets Reißaus zu nehmen, wenn’s ernst wird. Zumindest in dieser Hinsicht kann sie bei Maja unbesorgt sein, und die gelegentlichen medizinischen Differenzen erweisen sich ohnehin als fruchtbar.
Foto: MDR / Thomas Dietze
Zunächst erzählt „Neuanfang“ jedoch, wie die Frauen zusammenkommen: Majas Chef (Karl Kranzkowski) wechselt in den Ruhestand und will seine Praxis im schönen Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt) an einen Konzern verkaufen, der hier in der Gegend auch eine Klinik betreibt. Maja wäre fortan Angestellte und würde als Springerin mal hier, mal da eingesetzt. Kurzerhand beschließt sie, die Praxis selbst zu übernehmen, zumal ihr neuer Chef (Max von Pufendorf) ein Schnösel ist. Die junge Kollegin hat zwar schon einen Vertrag bei Sanaripets unterschrieben, aber keine Lust auf Schichtdienst, und weil sich die beiden Frauen auf Anhieb gut verstehen, tun sie sich zusammen. Julias Privatleben beschränkt sich zumindest in den ersten beiden Filmen (zwei weitere sind bereits abgedreht) auf ihre Besuche beim Bruder: Leo (Matti Schmidt-Schaller) sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl, ist aber felsenfest überzeugt, eines Tages wieder laufen und in seinen Beruf als Koch zurückkehren zu können.
Mindestens so wichtig wie die zweibeinigen Mitwirkenden ist in „Neuanfang“ die dritte weibliche Hauptfigur: Labradoodle Tessa läuft Maja zu Beginn des Films vors Auto. Bei der Untersuchung der Hündin entdeckt sie Symptome, die nicht vom Unfall stammen können. Im Gegensatz zu den beiden Ärztinnen ahnt das medical-geschulte Publikum alsbald, das hinter der lebensbedrohlichen Krankheit des Tiers keineswegs der stinkstiefelige Nachbar (Henning Peker), sondern ein familiäres Drama steckt. Auch bei Maja läuft daheim nicht alles nach ihrem Wunsch: Die beiden Teenager argwöhnen, dass sie als Praxischefin noch weniger Zeit für sie haben wird. Und dann gibt’s noch eine Nebenebene mit einer kleinen Rolle für Wolfgang Stumph: Wenn Maja morgens nackt im Waldsee schwimmt, versteckt der Vater ihre Kleider, weil Baden dort verboten ist. Was wie ein neckischer Streich wirkt, hat einen überaus ernsten Hintergrund, der allerlei Zündstoff birgt.
Foto: MDR / Thomas Dietze
Soundtrack: (1) Desmond Dekker („You Can Get It If You Really Want“), Bill withers („Lovely Day“), Billie Eilish („What Was I Made for?“), Canned Heat („Let’s Work Togehter“) (2) Tori Kelly („Don’t You Worry ’Bout A Thing“), Feist („My Moon My Man“), Fiona Apple („I Know), Bobby McFerrin („Don’t Worry Be Happy“)
Die Handlung des zweiten Films, „Väter und Töchter“, dreht sich nicht um ein einzelnes Tierschicksal, sondern um einen Bauernhof: Seit seine Frau ihn verlassen hat, schuftet Landwirt Rothe (Peter Schneider) rund um die Uhr. Der Betrieb ist verschuldet, auf dem Schreibtisch stapeln sich Mahnungen und Rechnungen, aber es kommt noch schlimmer: Als eine seiner Kühe an einem Virus stirbt, muss die gesamte Milch entsorgt werden. Ein Verkauf des Bauernhofs an ein Agrarunternehmen scheint unvermeidlich. Wie schon die Auftaktepisode bietet also auch die Fortsetzung mehr als bloß entspannte Freitagsunterhaltung; in „Neuanfang“ ging’s unter anderem um die Frage, warum so viele Tierarztpraxen auf dem Land von auf Profit getrimmten Konzernen übernommen werden.
Die Umsetzung des Drehbuchs durch Stefan Bühling ist allerdings erneut recht konventionell. Auch wenn der Vergleich schon allein wegen der gänzlich unterschiedlichen Sujets nicht fair ist: Gemessen am bislang besten Film des Regisseurs, dem herausragenden Drama „Martha Liebermann – Ein gestohlenes Leben“ mit Thekla Carola Wied als jüdische Witwe des Malers Max Liebermann, wirkt „Zwei Frauen für alle Felle“ wie eine solide Auftragsarbeit. Für optische Abwechslung sorgen allein gelegentliche Einstellungen aus Tierperspektive.
Foto: MDR / Thomas Dietze


1 Antwort
Ich glaube, noch schlechter ist die Tierarztquote nur in Schwanitz*, wo in manchen Folgen überhaupt kein Tier behandelt wird.
Aber sehr schön da, im Burgenlandkreis!
Die zweite Folge heißt übrigens „Väter und Töchter“, nicht -Söhne.
Darin fehlte mir, dass mal einer die Frage stellt, seit wann die Tiere auf dem Hof so auffällig oft krank werden und ob das was mit dem Kerl zu tun haben könnte, der den Hof kaufen will. Will er damit vielleicht den Preis drücken? Schließlich kommt erst am Schluss raus, dass es ihm gar nicht um die Tiere geht, sondern um das Land. Und wenn die Tiere krank sind oder womöglich eine Seuche ausgebrochen ist, kann er deswegen erstklassig sein Anfangsgebot senken.
*= In Schwanitz, wo ich meine veterinärmedizinische Ausbildung genossen habe, gabs mal ne Rinderseuche. Es ist der Hauptort in Nord bei Nordwest.
P.S.: was spricht eigentlich gegen Windräder, wenn es nicht zugleich um das Höfesterben und den Niedergang der kleinbäuerlichen Landwirtschaft geht? Dazu hätte ich mir auch gerne einen oder zwei Sätze angehört. (Oder hat hier jemand was gegen die Energiewende?) Stattdessen hätte die entflohene Bauersfrau eine Plattitüde weniger zu ihrem Mann sagen können.