Zwei allein

Elmar Wepper, Bittenbinder, Ani, Stephan Wagner. Der Krebs, die Angst, der Tod

Foto: ZDF / UFA / Heike Ulrich
Foto Rainer Tittelbach

„Zwei allein“ beginnt wie ein Krimi, doch der Film von Stephan Wagner nach dem Buch von Friedrich Ani übernimmt die Perspektive der Hinterbliebenen, schraubt sich ins Innenleben der Figuren. Was bleibt sind die Erinnerungen an den geliebten Menschen. Trotz des vermeintlich kriminalistischen Zugangs zu dieser Geschichte voller Verlust und Verzweiflung ist der psychologisch klug austarierte Film nicht dem Genre, sondern dem Realitätsprinzip verpflichtet. Das glänzend gespielte & inszenierte TV-Drama geht dahin, wo es wehtut.

Henriette und Benedikt führen eine symbiotische Beziehung im besten Sinne. Ein halbes Leben lang haben sie sich verstanden – auch ohne viele Worte. Sie waren immer ganz auf sich fixiert, haben keine Kinder, nur „Henris“ Schwester Gerlinde nimmt am Leben der beiden gelegentlich Anteil. Gemeinsam führen die beiden Frauen das Schuhgeschäft ihrer Eltern. Benedikt war Profisportler, dann wurde er Busfahrer. „Im Paradies könnte es nicht schöner sein“, sagt „Bene“ einmal – und sein Schatz strahlt ihn überglücklich an. Doch beider Liebe findet ein jähes Ende. „Henri“ wird auf offener Straße vor den Augen der Schwester erschossen. Ein Raubmörder geht um in München. Der großen Liebe folgt die große Trauer.

„Zwei allein“ beginnt wie ein Krimi, doch der Film von Stephan Wagner, Grimme-Preisträger 2013 und 2014, übernimmt die Perspektive der Hinterbliebenen und schraubt sich fortan ins Innenleben der drei Charaktere. Was bleibt – das sind die Erinnerungen an den geliebten Menschen. Autor Friedrich Ani webt Stationen des gemeinsamen Erlebens, Schlüsselmomente der Beziehung zwischen Henri/Bene und Henri/Linda, in den Handlungsfluss der Gegenwart. Das lässt den Zuschauer erkennen, wie tief die Liebe, wie groß die Nähe war, zeigt aber auch Benedikts Sprachlosigkeit, als sich herausstellt, dass Henriette Krebs hat. Die Wahrnehmung des Hier & Jetzt findet – wie das oft so ist, wenn ein Mensch trauert – immer wieder in die Vergangenheit zurück. Busfahrer Benedikt frisst den Schmerz in sich hinein und entzieht sich seiner Schwägerin, die nicht weniger leidet als er. Allein macht er sich immer wieder auf an die gemeinsamen Orte seiner großen Liebe. Stephan Wagner entwickelt einen dem Thema angemessenen Erzählrhythmus, der ganz von der Subjektivität des Trauernden getragen wird.

Zwei alleinFoto: ZDF / Ufa / Heike Ulrich
Die Schwestern kommen sich durch die Krankheit wieder näher. Gundi Ellert und Johanna Bittenbinder in „Zwei allein“

Trotz des vermeintlich kriminalistischen Zugangs zu dieser tragischen Geschichte voller Verlust und Verzweiflung ist „Zwei allein“ nicht dem Genre, sondern ganz dem Realitätsprinzip verpflichtet. Reale Gefühle und Befindlichkeiten bestimmen die Handlung; der Polizist wird bewusst (durch das leicht stilisierte Spiel von Simon Licht) als eine Art Fremdkörper für die Geschichte, als Störfaktor für die Trauerarbeit des hinterbliebenen Ehemanns, „inszeniert“. Autor wie Regisseur kommen kein einziges Mal in Versuchung, das kriminalistische Kombinieren, das dem zunehmend von Krimihandlungen konditionierten Zuschauer wahrscheinlich leichter fallen dürfte als das Nachdenken über realistische „Beziehungsarbeit“, für die Dramaturgie zu nutzen bzw. zu missbrauchen. Als die Schwester der Toten der Verdacht beschleicht, ihr Schwager könnte etwas mit der „Ermordung“ zu tun haben, wird dieser Verdacht kein bisschen spannungsdramaturgisch ausgespielt: Linda spricht ihre Ahnung, Benedikt habe vielleicht Sterbehilfe bei Henriette geleistet, sofort aus, sie sucht Rat beim Gemeindepfarrer, konfrontiert aber auch den Schwager selbst mit dem Verdacht.

„Zwei allein“ geht dahin, wo es wehtut (auch für den Zuschauer). Keine Genre-Konventionen stillen den Schmerz. Stattdessen blickt man der tiefen, sprachlosen Verzweiflung ins Gesicht. Elmar Wepper gibt einmal mehr Zeugnis seiner großen Fähigkeit, aus dem Alltäglichen das Tragische herauszuschälen. Aus einer Reihung unspektakulärer Momentaufnahmen ergibt sich am Ende ein immer schwerer Ritt für seine Figur („Warum lässt du das zu, du Gott?!“), die das eigene Versagen erkennen muss. Ausgerechnet bei Gott, den er in seiner Wut anklagt, fand Henriette einen Weg, mit dem Sterben umzugehen. Warum nur hat er nicht mit seiner Frau gesprochen über den Krebs, die Ängste, den Tod?! (Text-Stand: 27.6.2014)

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Fernsehfilm

Arte, ZDF

Mit Elmar Wepper, Johanna Bittenbinder, Gundi Ellert, Rufus Beck, Simon Licht

Kamera: Thomas Benesch

Szenenbild: Josef Sanktjohanser

Schnitt: Gunnar Wanne-Eickel

Produktionsfirma: Ufa Fiction

Drehbuch: Friedrich Ani

Regie: Stephan Wagner

Quote: 3,64 Mio. Zuschauer (12,7% MA)

EA: 25.07.2014 20:15 Uhr | Arte

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