Katharina (Henriette Richter-Röhl) und ihre Mutter Johanna (Thekla Carola Wied) leben in völlig verschiedenen Welten, obwohl sie gar nicht mal so weit voneinander entfernt wohnen: die eine in München, die andere in einem Dorf im Umland. Nach einem Treppensturz der allein lebenden, früh verwitweten Mutter muss sich die viel beschäftigte Anwältin für Insolvenzrecht allerdings etwas Zeit nehmen für die alte Dame, auch wenn die sich nicht gern in ihr Leben reinreden lässt – nicht von Jana (Christiane Bärwald), ihrer anderen Tochter, und schon gar nicht von Katharina, zu der sie noch nie eine besonders enge Beziehung hatte. Mit der Idee, das Haus seniorengerecht umbauen zu lassen, kann sich Johanna dann aber doch anfreunden. Und ein Handwerker ist auch schnell gefunden: Mike Müller (Jochen Matschke), ein Meister in Sachen Innenausbau, der sich – Katharinas Klischeevorstellungen zum Trotz – als eine ziemlich coole Socke erweist. Anfangs kommandiert und scheucht sie ihn zwar noch herum, doch die Seelenruhe, mit der er auf sie reagiert, scheint der zwanghaften Perfektionistin dann doch im Innersten ihres abgekühlten Großstadtherzens zu imponieren. Ihrer Mutter würde das doppelt in den Kram passen. Die Tochter hätte endlich mal den Richtigen an der Angel – und auch sie selbst weiß schon längst die Vorteile eines Handwerkers im Haus bzw. in der Familie zu schätzen. Aber noch ist der Liebesdrops nicht gelutscht.
Foto: Degeto / Hendrik Heiden
Gute Unterhaltung muss nicht kompliziert sein. Zwei Frauen, die wenig miteinander verbindet und von denen jede gern das letzte Wort hat, und ein Mann, der mit stoischer Gelassenheit die Angriffe der jüngeren Domina pariert, können als narrative Eckpfeiler völlig ausreichend sein für eine kurzweilige Komödie mit gelegentlich ernsthaftem Unterton. Den Beweis liefert der Fernsehfilm „Zum Glück gibt’s Schreiner“, der weniger auf viel Handlung und dramaturgische Dichte setzt, dafür umso mehr mit gut aufgelegten Hauptdarstellern, einer sehenswerten Variation des Liebeskomödienkonzepts und mit pointierten Dialogwechseln punktet. Ein großes Plus auch, dass die reichhaltigen Gegensatzpaare der Narration (Anwältin/Hausfrau, Stadt/Land, Akademiker/Handwerker, Image/Authentizität, Stress/Lockerheit) nur selten überdeutlich betont und schon gar nicht gegeneinander ausgespielt werden. Der urbane Workaholic wird nicht über Nacht zum Landei, und der in sich ruhende Schreiner, der das Leben im Grünen liebt, wird nicht zum überzeugten Großstädter. Welche Lebensform die beiden für ihr gemeinsames Glück finden werden, lässt der Film erfreulicherweise offen.
Schade finden kann man es, dass das Ausgangsproblem – der Treppensturz und der Umgang mit der älter werdenden Mutter – in der Geschichte nicht stärker zum Zuge kommt. Die Mutter geht trotz eines Armbruchs und der Diagnose Arthrose bald wieder wie gewohnt ihrer Wege, hält Selbstgespräche mit ihren Kürbissen im Garten – und plant sogar für den nächsten Monat unverdrossen einen Urlaub. Offenbar wollte man bei der Degeto nicht die ARD-Zielgruppe mit allzu viel grauem Alltag behelligen, sondern die rüstige Rentnerin lieber frohen Mutes in die Zukunft blicken lassen. Das mag ja für einen Unterhaltungsfilm die adäquate Haltung sein – aber muss man deshalb gleich das Thema, das die Handlung in Gang setzte, am Ende völlig links liegen lassen? So jedenfalls wirkt der Unfall der Mutter wie ein bloßes Mittel zum Zweck: als Auslöser, um die ewigen Spannungen zwischen Mutter und (Papa-)Tochter endlich auszuräumen, und als Steigbügelhalter für die sich anbahnende Liebesgeschichte.
Foto: Degeto / Hendrik Heiden
Diese Liebesgeschichte, so sehr sie auch auf leisen Sohlen daherkommt, ist dafür umso charmanter – was maßgeblich an der Besetzung liegt. Henriette Richter-Röhl („Wilde Wellen“ / „Weingut Wader“) gehört seit Jahren zu den Schauspielerinnen ihrer Generation, der man gern nachsieht, dass sie den Frautyp in ihren Rollen nicht sonderlich variieren darf. Zu sympathisch kommt sie rüber, zu beiläufig verkörpert sie ihre nicht gerade weltbewegenden Charaktere und zu natürlich wirkt ihr Spiel mit der (Selbst-) Ironie ihrer Figuren, die nicht gern die Kontrolle abgeben. In „Zum Glück gibt’s Schreiner“ darf sie früh die warmherzige Seite dieser Frau zeigen. Aber noch früher gewinnt man – nicht zuletzt durch Richter-Röhls Ausstrahlung – den Eindruck, diese Frau mit ihrem Loft und ihrem Hang zur Perfektion ist eigentlich ganz anders, als sie sich gibt, kam nur bisher nicht dazu, es auszuleben. Was sagt sie doch am Ende zu Mike Müller: „Du bist überhaupt nicht das, was ich mit vorgestellt habe, aber offensichtlich genau das, was ich brauche.“ Da sagt sie was. Der bisher vor allem in kleinen Serienrollen eingesetzte Jochen Matschke funktioniert in Hinblick auf den Zuschauer nämlich ganz ähnlich wie dieser lebenskluge Handwerker in Bezug auf die vermeintlich coole Katharina: Der unbekannte Schauspieler überrascht einen in der männlichen Hauptrolle.
Matschkes Präsenz hat maßgeblich mit den wunderbaren Wortwechseln zu tun, die das Autorenduo Annette Lies und Michael Kenda, deren Exposé zu diesem Film 2015 den ARD-Degeto-Nachwuchspreis Impuls gewann, dem Paar ins Drehbuch geschrieben hat. Keine Comedy-Pointen, sondern leicht-launige und gelegentlich trocken humorige Repliken, die zum Schmunzeln einladen und damit eine angenehme Grundstimmung erzeugen: Dabei ist nicht Romantik oberstes Gebot, auch Understatement und Ironie haben hier ihren Platz. Nicht umsonst spricht Regisseurin Neelesha Bartel („Marry Me – Aber bitte auf Indisch“) bei „Zum Glück gibt’s Schreiner“ von einer „Tonalität zwischen leicht angelegter Screwball-Comedy und Tragikomödie“. Neben den flüssigen Tonlagenwechseln auffallend sind auch die sommerlich-luftige Anmutung und der unprätentiöse, dem Alltag abgelauschte Erzählrhythmus. Leider geht es auch in dieser Komödie nicht ohne das retardierende Moment vorm Happy End. Allerdings, wie sich Mike aus Katharinas aufgeräumter Welt verabschiedet, das hat schon Stil. Von der Schlussszene kann man das leider nicht behaupten. Hier hätte Barthel Thekla Carola Wied in ihrem Ausdruckswillen etwas bremsen müssen. Aber auch sonst hat diese Szene keine jener Gänsefüßchen, mit denen andere vermeintlich stereotype Situationen dem Zuschauer ein Schmunzeln entlocken. (Text-Stand: 10.1.2020)
Foto: Degeto / Hendrik Heiden