Scheißwetter, Scheißjob und überhaupt. Seit Jahren ist der unwillige Hauptkommissar Claudius Zorn abgestellt zum Aktenwälzen, nun hat er überraschenderweise mal wieder einen Mordfall zu bearbeiten. Eine ausgeblutete Frauenleiche gibt Rätsel auf. Kollege Schröder ist happy, Zorn dagegen fühlt sich in seinem Welthass-Modus gestört. Doch bald weckt Staatsanwalt Sauer, der seinen „unfähigsten Kommissar“ sichtlich verachtet, Zorns Ehrgeiz. Hat Sauer ihn vielleicht nur deshalb auf den Fall angesetzt, weil er dessen Aufklärung verhindern will? Zorn findet mit Hilfe von Sauers Sekretärin heraus, dass die Akten der Toten manipuliert wurden. Wenig später kostet ihr dieser Liebesdienst das Leben. Doch das war nicht die letzte Leiche in Halle. Bald fällt sogar noch ein Toter vom Himmel.
Viele Leichen, viel Blut, viel Nacht, viel Regen. Der Großstadtkrimi „Zorn – Blut und Regen“ setzt vor allem auf Atmosphäre, auf Bilder, auf filmische Qualitäten. Der Film von Mark Schlichter nach dem Roman von Stephan Ludwig entwirft eine eigene Welt: die Hallenser Abrissbirnen-Realität trifft auf die mit Wut und Selbsthass getarnte Verzweiflung eines Kommissars. Ein Verlorener, um den alles herum zerfällt. Das Einzige, was er (noch) hat, ist allein sein Kollege Schröder, ein dickleibiger Besserwisser, der tatsächlich alles besser weiß. Dieses ungleiche Paar ist nicht aufdringlich als „ungleiches Paar“ gesetzt. Beide sind, wie sie sind, der eine faul und übelgelaunt, der andere fett und zumeist guter Dinge. Zugute kommt dieser Konstellation, dass die beiden keine redaktionellen Kopfgeburten sind, bei denen alles zwanghaft auf Gegensatz gebürstet ist, sondern sie bereits spürbar ein Genre-Leben zwischen zwei Buchdeckeln hinter sich haben. Und die Besetzung mit den Bauch-Schauspielern Mišel Matičević (der spielt aus dem Bauch heraus) und Axel Ranisch (der spielt mit dem Bauch), die beide eine feine Lakonie ins Spiel bringen, ist so ziemlich optimal. Zwei so angenehm befremdliche Kommissare hätte man als Letztes von der Degeto und dem MDR erwartet.
Soundtrack: Rolling Stones („Miss You“), Madonna („Lika A Virgin“), Herb Alpert („Spanish Flea“), Ortopilot („With A Little Help From My Friends“)
Zorn ist ein Kotzbrocken mit Seele. So etwas hätte leicht zur Karikatur werden können: ein gewollt cooles Arschloch etwa. Maticevic aber überzieht nie. Er gibt seiner Figur, dessen moralische Integrität sich mehr und mehr herausschält, einen Weltschmerz mit auf den Weg, der nicht abstößt, nicht unsympathisch wirkt, sondern neugierig macht. Er ist anders als die der Realität verpflichteten TV-Kommissare, er ist aber auch anders als die smarten Genrekino-Erfindungen. Was im Roman deutlicher wird, im Film bleibt es Randnotiz: Zorn kann kein Blut sehen und er leidet unter Höhenangst. Deutlicher werden dagegen seine körperlichen Defizite: Sport ist für ihn ein Fremdwort. Man kann es kaum fassen, dass dieser Mann körperlich eine Null ist. Was sich im Schwimmbad zeigt, setzt sich im Bett fort. James Bond lässt nicht grüßen. Hocherotische Frauen, doch Sex Fehlanzeige! In Gegenwart des weiblichen Geschlechts, insbesondere der schönen Nachbarin, auf die er ein Auge geworfen hat, ist Zorn eine dauerhafte Verunsicherung anzumerken. Auch geht ihm der Hinweis der schönen Tippse („Du musst aufpassen, dass du keinen Bauch bekommst“) nicht mehr aus dem Kopf. Zorn ist also alles andere als emotional souverän – und Maticevic, auch ein guter Komödiant, spielt das auf eine Art, dass sowohl Männer als auch Frauen mit seiner Figur etwas anfangen können.
„Zorn – Tod und Regen“ ist das ungewöhnlichste Krimi-Konzept, das ein ARD-Sender in den letzten zwei Jahren vorgestellt hat. 2013 gingen zwar eine Reihe neuer „Tatort“- und „Polizeiruf“-Kommissare an den Start, doch Überdurchschnittliches ist den Sendern dabei nur selten gelungen: statt auf Innovation setzte man lieber auf prominente Schauspielernamen wie Striesow, Michelsen und Möhring oder auf junge Ensembles im „Tatort“ aus Erfurt und Weimar. „Zorn“ ist dagegen ein Krimi mit Stil, mit Seele, mit Ironie. „Tod und Regen“ ist ein Film aus einem Guss. Ein stimmungsvolles Genre-Konstrukt, das einem das Morden in Serie nicht als deutsche Realität verkaufen will. „Zorn“ ist kein 08/15-Format, das den seriellen TV-Krimi-Overkill bedient – der MDR und die Degeto täten also gut daran, sich auch der beiden anderen bisher erschienenen „Zorn“-Romane anzunehmen.