Das Tauziehen geht weiter. Viel zu gut gefällt der Ex-Stewardess Sophie (Aglaia Szyskowitz) und ihrem bärbeißigen Untermieter Barthl (Friedrich von Thun) der Fuchsbichlerhof, als dass einer von beiden die Segel streichen würde. Gründe zum Aufgeben gibt es allerdings genug. Das Leben Tür an Tür mit einer impertinenten Person ist da noch das kleinste Übel. Der wahre Feind sitzt woanders. Der alte Hof selber, so schön und idyllisch er auch ist, könnte zur Schuldenfalle werden für diese Frau, die sich entschieden hat, mit 50 noch mal neu durchzustarten, ohne Mann, dafür jetzt wieder mit ihrer kleinlaut heimgekehrten Tochter (Carolin Garnier). Sophie entschließt sich, ab sofort groß zu denken, was die Sache nicht einfacher macht. Jan (Alexander Beyer), der Bruder einer alten Freundin (Regula Grauwiller), ein liebesleidender Architekt mit viel Zeit und guten Ideen, setzt ihr einen kostspieligen Floh ins Ohr: einen Glasanbau mit Pool. Da es nur einen passenden Ort dafür geben kann, verschlechtert sich das Klima zwischen den Streithähnen wieder merklich. Gerade schien es sich etwas normalisiert zu haben. Auch, weil Barthl wieder verstärkt am sozialen Leben im Dorf teilnimmt: Er musiziert wieder mit Ferdi (Philipp Sonntag) und die schwere Krankheit eines anderen alten Spezerls (Sepp Schauer) hat ihn ruhiger und nachdenklicher werden lassen. Doch für ein Intrigenspiel hintenrum hat er offenbar noch ausreichend Energie.
Sterne-Vergabe von „Zimmer mit Stall“ im Detail:
„Tierisch gute Ferien“ erhält vier Sterne, „Berge versetzen“ hat sich dagegen 4,5 Sterne verdient.
Die umtriebige Stadtflüchtige und der vereinsamte Grantler müssen also weiterhin miteinander auskommen. Nach den fast fünf Millionen Zuschauern, die im März 2018 „Zimmer mit Stall – Ab in die Berge“ einschalteten, war der ohnehin als Reihe angedachte Grundkonflikt doppelt reif für eine Fortsetzung. Und so raubt in diesem Jahr gleich zweimal der Misanthrop auf Abruf der temperamentvollen Hofbesitzerin ihren letzten Nerv. Doch während in der ersten neuen Episode, „Tierisch gute Ferien“, bei aller zwischenmenschlichen Entspannung die Gegensätze zwischen den ungleichen Hauptfiguren von Autor-Regisseur Ralf Huettner durch den Pool-Haus-Konflikt immer wieder befeuert werden, zielt Episode 2, „Berge versetzen“, in Richtung Konfliktbewältigung. Denn wie schon gesagt: Der Feind sitzt woanders – diesmal im Gemeinderat und er ist ganz dick drin‘ in den kommunalen Geschäften; es ist Barthls Bruder Ludwig (Christian Hoening), der einen hochmodernen Campingplatz am Fuße des Fuchsbichlerhofs plant. Und so strahlt der Teamgeist von Markus Zahm (Steffen Groth), der auf dem Hof einen Workshop für ein zerstrittenes Familienunternehmen (Petra Kleinert, Tayfun Bademsoy, Karim Günes, Annika Blendl) ausrichtet, gleichsam ab auf diese beiden, die sich offenbar nicht riechen können, obwohl sie sich im Geiste näherstehen als viele andere. Diese zwei unangepassten Individualisten, die sich nicht darum scheren, was die Leute von ihnen erwarten, wissen, dass sie nur zusammen ans Ziel kommen. Durch eine Unachtsamkeit hat Sophie die Existenz des Hofs in Gefahr gebracht. Für sie und Barthl heißt es nun, gemeinsam alle Rechtsmittel ausschöpfen: Sie müssen 80 Unterschriften gegen den Campingplatz zusammenkriegen. Aber es wird schwer gegen diesen Platzhirsch.
Das über den eigenen Schatten springen macht deutlich größere Laune beim Zuschauen als die augenzwinkernde Feindschaft mit der freitagsfilmüblichen Degeto-Dickschädeligkeit – zumal die Annäherung hübsch verspielt und köstlich von Aglaia Szyszkowitz und Friedrich von Thun gespielt vonstattengeht. Zunächst enthält jeder zweite Satz der beiden einen Vorwurf. „Sie Grobian“, schimpft sie, als sie die Stalltür an den Kopf kriegt. „Man stellt sich auch nicht so vor eine Tür“, mault er. „Sich spielerisch aufeinander einlassen als Team“, rät der Motivationscoach den Teilnehmern im Kurs, bei dessen Übungen nun auch das Hof-Duo gelegentlich mitmachen darf. Mit verschränkten Armen, spitzer Zunge & Schuldzuweisungs-Monologen, versteht sich. Verfahren scheint die Kommunikation zwischendurch aber bei allen zu sein. Die Dörfler verweigern die Unterschriften, Sophies Tochter will lieber eine Ausbildung als Köchin machen als das Abitur, der zu coachende Familienbetrieb scheint auseinanderzubrechen – und dann ist da noch ein Journalistenpärchen, Gunda (Juliane Köhler) und Ingo (Max Herbrechter), welches das Projekt von Barthls Bruder mit einem Artikel in einem Camper-Magazin featuren soll. Auch die beiden passionierten Freilufturlauber scheinen irgendwann nicht mehr so überzeugt zu sein von diesem „Bergtraum“-Campingplatz.
Diese Vielzahl der Interaktionen in den 90 Minuten von „Berge versetzen“ verzögert die Annäherung der Hauptfiguren, schiebt das Miteinander auf und lässt die versöhnlichen Gesten kurz vor Schluss nicht wie eine dramaturgische Konvention wirken. Im Gegenteil. Es ist das schönste und am meisten anrührende Bild in den zwei Mal 90 Minuten. Die beiden gehen sich wortwörtlich zur Hand. Der alte Zausel lässt sich von Sophie überreden, ihr bei der Suche nach den in der Bergpension eingecheckten und mittlerweile verschollenen Journalisten zu helfen. Im Wald begegnet ihnen der Esel, der gelegentlich am Hof und in der Umgebung sinnbildlich auftaucht, steht dort mal wieder herum und weigert sich weiterzugehen. Erst als sich die Streithähne an die Hand nehmen und so gemeinsam ein Stück des Weges gehen, gibt der Esel sein störrisches Verhalten auf und trabt hinter den beiden her. Und zur Krönung gibt’s folgenden Dialog. Sophie: „Sie haben schöne, warme Hände.“ Barthl: „Und Sie riechen ganz gut.“ Dem Wohlfühlende scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Doch eine entscheidende Hürde muss von den beiden – nun im Schulterschluss – noch genommen werden.
Dieser emotionalen Szene zum Trotz ist der dritte Film mehr denn je Komödie und schließt in der Tonlage an den Auftakt von 2018 an. Das Tempo jedoch ist höher; die Plot-Dichte verpflichtet und sorgt für häufige Szenenwechsel. Harmonisch wirkt das Ganze trotzdem, weil das Thema Team-Building zwischen den Plots sehr gut miteinander verschränkt ist. Besser als die „Themen“ in „Tierisch gute Ferien“: In diesem weniger rasanten Film, einer Komödie mit Dramödien-Touch, werden die Aspekte der Liebe, die für die Beziehung der Hauptcharaktere keine Rolle spielen, im üblichen Sinne in den Plots gespiegelt: ein junges Gast-Pärchen begibt sich noch vor der Hochzeit auf Hochzeitsreise und muss zwischen Heubodenidylle und Bettdeckentest so manch eine desillusionierende Erfahrung machen; Sophies Tochter hat Liebeskummer, auch Architekt Jan hat sich gerade nach zehn Jahren Beziehung von seiner Partnerin getrennt. Dass zwischen ihm und der weiblichen Hauptfigur nicht das für das Genre normalerweise Unvermeidliche passiert („Neu denken, frei planen – ich mach das für mich“) ist erfreulich. Dass die neue Hofmitbewohnerin, eine ausgesetzte Hündin, trächtig ist, und es dafür im Leben der Menschen eine Entsprechung geben wird, das gehört allerdings zu den typischen dramaturgischen Stereotypen deutscher Fernsehunterhaltungsfilme. Schlimmer wird es nur noch, als die tierische Niederkunft, der putzige Mischlingswelpe, einem zweifelnden Manne die Augen öffnet. Eine solche Situation ist natürlich der pure Kitsch.
Trotzdem gelingt auch „Tierisch gute Ferien“ letztlich der Drahtseilakt zwischen Klischees bedienen und der frischen Variation des sattsam Bekannten. Dazu trägt sicherlich nicht unwesentlich die große (Komödien-)Erfahrung von Regisseur Ralf Huettner bei, der einst mit der launigen „Musterknaben“-Trilogie für Genremix-Furore sorgte, der mit der Tragikomödie „Vincent will Meer“ erfolgreich Kino machte, der für die Ulmen-Serie „Dr. Psycho“ den Grimme-Preis bekam und dessen „Kühn hat zu tun“, eine TV-Verfilmung eines Romans von Jan Weiler, zuletzt eindrucksvoll zeigte, wie sich selbst in ein existentielles (Krimi-)Drama ästhetische Ironie einbauen lässt. Beiläufigkeit, komisches Understatement und ein filmisches Timing gehörten schon immer zu Huettners Markenzeichen. Auch diesem „Endlich-Freitag“-Film im oberbayerischen Outdoor-Ambiente tut dieser Stil gut. Die Kamera zeigt die Berge, sie zeigt die Landschaft wie auch Tiere und Blumen allerdings als Bestandteil der Handlung, verzichtet auf die üblichen Panoramaschwenks und Drohnenflüge. Der Country-bluesige Score passt zur Komödie und ist eine Wohltat, vergleicht man ihn mit dem nervtötenden Tirili anderer Unterhaltungsfernsehfilme. In „Berge versetzen“ scheint es fast, als ob sich der Frosch, der zu Beginn des Films aus der digitalen Trickkiste gehopst kommt, sich wenig später in die Wasserleitung des Hofs beziehungsweise ins Sounddesign des Films verirrt hat. Da lässt sich bereits erahnen, dass mit diesem Frosch, der eher aussieht wie eine Kröte, im Laufe der Handlung noch zu rechnen sein wird. Schön schräg im wahrsten Sinne des Wortes ist auch das Wohnmobil des Journalistenpärchens, das Juliane Köhler und Max Herbrechter nicht weniger schräg verkörpert: Auf einem Waldweg hat sich der Oldtimer selbstständig gemacht, hängt jetzt zwischen Himmel und Erde. Beim Warten auf Hilfe drehen die beiden die Lautsprecher auf. Die Ouvertüre aus Mozarts „Cosi Fan Tutte“ dröhnt durchs dichte Grün. Ein kleiner Hauch von „Fitzcarraldo“ im öffentlich-rechtlichen Pantoffelkino. Das hat schon was. Genauso wie die Gemeinderatssitzung mit der Rettung in letzter Minute und der gelungenen Inszenierung von purer Freude (in anderen Filmen oft eher ein Fremdschäm-Moment). Und beim Ausklang in der Dorfkneipe würde man als Zuschauer am liebsten selbst mitfeiern. Und was den störrischen Esel betrifft, der kommt und geht, wann er will, wäre zu hoffen, dass er mal wieder vorbeischaut auf dem Fuchsbichlerhof – um sich sein eigensinniges Wesen dann aber schnell wieder austreiben zu lassen. (Text-Stand: 15.5.2019)