Dorfhelferin Katja Baumann (Simone Thomalla) muss sich dieses Mal mit Forellen, deren Fang, Verpackung und Räucherung herumschlagen. Bei der jungen Familie Holzner, die sich vor ein paar Jahren ihren Traum einer eigenen Fischzucht erfüllt hat, ist Not am Mann. Der Vater (Janek Rieke) hat sich einen Kreuzbandriss zugezogen, am linken Bein, allerdings ist auch das rechte unters Messer gekommen. Die ehemalige Krankenschwester Katja wittert einen Ärztefehler und rät der Ehefrau (Picco von Groote), die durch den Ausfall ihres Mannes einen wichtigen Großauftrag verloren hat, sich juristischen Beistand zu holen. Dass Katjas Tochter Kiki (Carolyn Genzkow) ihre OP-Premiere als Lernschwester bei Holzners Eingriff hatte, hilft auch nicht weiter: Sie beruft sich auf die Schweigepflicht. Ihre extreme Gereiztheit seit dem Tag der OP ist allerdings augenfällig: Sollte es daran liegen, dass sie den aus Berlin aufgetauchten Cem (Merab Ninidze), die neue Beziehung ihrer Mutter, nicht so mag wie Tierarzt Mark (Marco Girnth)? Oder ist tatsächlich bei der Operation was schief gelaufen?
Zum zehnten Mal seit 2011 gibt Simone Thomalla die Dorfhelferin in der „Frühling“-Reihe des ZDF. Die Jahreszeiten wechseln, zumeist aber ist Sommer im Oberbayerischen, wenn die Frau mit der zupackenden Art ihre Hilfe anbietet und gute Ratschläge gibt, die offenbar auch die „Herzkino“-Zuschauerinnen gern annehmen (5,4 Millionen Zuschauer hatte Episode 9). „Frühling“ heißt bekanntlich der Ort, in den es sie und ihre Tochter nach der Trennung vom untreuen Ehemann verschlagen hat. Die Geschichten sind nicht mehr so reizvoll, wie es die Kombination aus dem im Fernsehen bislang unerzählten Helferberuf mit den Elementen der Familienserie und des modernen Heimatfilms, im Dramödien-Stil verpackt, vor fünf Jahren versprach. Das Muster ist immer das gleiche: Die Dorfhelferin übernimmt einen neuen Job, der Probleme aufwirft, hinter denen sich noch größere Probleme auftun; die Heldin deckt sie auf, dabei befällt mal sie rasch eine Ahnung, mal weiß der Zuschauer vor ihr, was Sache ist oder ahnt es wie in der neuen Episode „Zeit für Frühling“. Die Variationsbreite ist gering.
Das serielle Prinzip hat allerdings durchaus auch seinen Reiz. Denn das, was den Rahmen der Episodengeschichten ausmacht, der Alltag der Baumanns, die Menschen, die bleiben wie der von Marco Girnth gespielte Tierarzt, der mit der Heldin das alte „Beste Freunde oder doch verliebt?“-Spiel spielt, oder Menschen, die wieder gehen wie dessen Jugendfreundin – dieser Ersatzfamilien(serien)-Mikrokosmos funktioniert gut. Simone Thomalla passt die Rolle der sympathischen und patenten Frau, eine Rolle, die ihr freilich keine schauspielerischen Meisterleistungen abverlangt. Der Tonfall ist launig – und jeder Zuschauer weiß: alles wird gut (diesmal gibt es für das Töchterlein der Fischzüchter sogar ein „Alles-wird-gut“-Kettchen). Kein Konflikt ist so groß, dass er nicht mit gesundem Menschenverstand, etwas Küchen-Psychologie und Ratgeber-Latein zu lösen wäre. Diese Wellness-Dramaturgie und die dem „Herzkino“ eingeimpfte „Verlässlichkeit“ könnte man ruhig mal ein bisschen durchlöchern.
Ein Manko der Reihe aber umgeht die Episode „Zeit für Frühling“. Durch die Häufung der Figuren kam es immer öfter auch zu einer Häufung der Probleme, der man damit begegnete, vielen Figuren ähnliche Motive ins Drehbuch zu schreiben – sprich: die Probleme der einen Figur in einer anderen Figur sich spiegeln oder umkehren zu lassen, wohl in der Hoffnung, so eine Verdichtung zu erreichen. Bei einer Serie, die einen Alltags- & Realitätseindruck beim Zuschauer zu erzeugen versucht, ist das aber genauso kontraproduktiv wie das Prinzip „ein Berg von Problemen“, weil beides die Künstlichkeit der Geschichten betont. Indem Autorin Natalie Scharf („Das Geheimnis der Wale“) Tierarzt Mark zu Beginn in den Urlaub schickt, Cems Familie reduziert auf die quirlige Yasemin, die künftig noch mehr frischen Wind in die Szenerie bringen könnte, und indem sie den neuen Lover der Heldin keine weiteren Probleme machen lässt, sondern ihn einfach nur für entspannte und komödiantische Momente (aus einem romantischen Konzert der Grillen wird eine Heuschreckenplage) „einsetzt“, reduziert Scharf die „Probleme-Macher“ und etabliert so über 90 Minuten eine größere Gelassenheit.
Das korrespondiert auch damit, wie die Autorin die Fischzüchter mit dem Klinik-Konflikt umgehen lässt. Schwarz/weiß, gut/böse, Streit, Konflikt, Kampf – diese dramaturgischen Standards passen nicht recht nach Frühling. Jedenfalls ist die Wellness-Botschaft am Ende ein Fingerzeig in die richtige Richtung: Sie ist zeitgemäßer und auch ehrlicher, weil sie dem formalen Happy-End-Prinzip besser entspricht. Weniger Konflikte künstlich aufbauschen, stattdessen mehr die Optionen eines aufgeklärten „Landlebens“ zeigen – das könnte künftig eine mögliche Richtung der „Frühling“-Geschichten sein. Eines macht die Reihe im Gegensatz zu anderen leichten Unterhaltungsfilmen immer schon besser: Es wird mehr und ernsthafter miteinander geredet; zwischendurch sogar so, wie Mütter und Töchter miteinander reden sollten. Dass trotz anfangs größter Angespanntheit bei dem „Problempaar“ des Films sich der Wandel sympathisch und glaubwürdig vermittelt, das liegt auch an der überzeugenden Besetzung: Janek Rieke als Mr. Soft, trotz zwei kaputter Knie immer noch vorzugsweise nett, Picco von Groote, die hier ein stimmiges Gegenbild zu ihrer „Starfighter“-Hauptrolle wunderbar hintuscht, und die achtjährige Helena Pieske, die klasse spielt und jeder Zuschauer einfach sofort in sein Herz schließen muss. Gefühle sind hier wie auch bei all den anderen Interaktionen immer im Spiel. Schließlich befinden wir uns im „Herzkino“. Doch diese Gefühle wirken selten aufgesetzt, entstehen vielmehr aus der Situation. (Textstand: 6.1.2016)