Es beginnt alles mit einem roten Sportwagen und einer deutschen Blondine. Ali, der ehemalige Dorftrottel, ist zurück gekehrt in die anatolische Heimat, um die armen Bauern mit dem Deutschlandfieber zu infizieren. 1961 kamen die ersten 2500 Gastarbeiter aus Anatolien in die Bundesrepublik. „Zeit der Wünsche“ erzählt davon, wie die türkischen Männer vor 40 Jahren in Unterhosen vor deutschen Ärzten antreten mussten, wie sie mit traurigen Augen am Fließband standen oder in die Zechen einfuhren, wie sie sehnsüchtige Briefe in die Heimat schickten, wie sie später ihre Familien nachholten, wie manche Türken Deutschland als Chance nutzten, wie sich andere in türkische Gettos und in die Religion flüchteten oder gedemütigt in die alte Heimat zurückkehrten, in Dörfer, die keine Dörfer mehr waren.
Fünf Jahre dauerte es, um die erste TV-Saga, die die türkische Migration aus der Perspektive der Immigranten erzählt, fertig zu stellen. Konzeption, Recherche und Entwicklungsphase zogen sich hin. Man wollte keine faktischen Fehler machen. Der Aufwand (Budget: 3,8 Mio. Euro) hat sich gelohnt. Auch die Verbindung zwischen türkischem Autor und deutschem Regisseur war kein fauler Kompromiss der Prime-Time-Tauglichkeit wegen. Immerhin heißen sie Tevfik Bazer und Rolf Schübel. Der orientalische Märchenerzähler und der ehemalige Chronist der Arbeitswelt. Das Ergebnis: „gefühlte Geschichte von Menschen auf der Reise“, so nennt es Hilmi Sözer. Die Sympathieträger sind andere: die 27-jährige Entdeckung Lale Yavas und Erhan Emre. Die unerfüllte Liebe ihrer Protagonisten zieht sich als roter Faden durch den Zweiteiler, der von der Sehnsucht nach Liebe und Heimat, nach Glück und Geborgenheit erzählt. Weil Briefe nicht ankommen, weil in Anatolien die Väter die Töchter verheiraten und weil Liebe nicht erzwingbar ist, spielt die Tragik zunehmend hinein in dieses zeithistorische Melodram, das wie ein Märchen beginnt. Golden schimmert der Sehnsuchtsort Anatolien. Die Kamera umschmeichelt die Landschaft und das Leitmotiv Wunschbaum. In Deutschland herrscht ein anderes Klima. Fast dokumentarisch muten hier die Bilder an.
Diese Gegensätze bindet Schübel in den Erzählfluss, sie spiegeln emotionale Zustände, sie beschreiben, sie werten nicht. Baser und Schübel versuchen nicht, dem Zuschauer Botschaften aufs Auge zu drücken. Der bewegt sich durch den Film wie Heldin Melike durch Deutschland. „Sie lässt sich von niemandem etwas vorpredigen, sie hat etwas Freigeistiges“, so Yavas. Der Zeithorizont und die Schicksale der Menschen werden ernst genommen. Liebe ist in „Zeit der Wünsche“ Teil einer Lebensgeschichte und wird so glaubhaft.
Bazer hat ein poetisches Drehbuch geschrieben, das Schübel mit Gespür für psychologische Zwischentöne umgesetzt hat. Zu Hilfe kamen ihm dabei die Darsteller mit ihren Erfahrungen. Die zweite Generation der türkischen Einwanderer spielt die erste. Das bot Stoff für Gespräche in den Familien der Schauspieler. „Ich habe erfahren, dass meine Mutter tatsächlich im Zug das Kopftuch abgenommen hat und dass vor Wien die Schnäuzer der Männer gefallen sind“, sagt Lale Yavas. „Mir wurde wieder klar, wie es damals war“, so Tim Seyfi. „Es waren nicht nur Menschen, die in ein fremdes Land kamen, sie kamen vom Dorf in die Großstadt, in ein Wohnheim, an Maschinen. Sie konnten die Sprache nicht, sie hatten Angst. Und da war dann jemand, der Türkisch sprach. An den hat man sich geklammert.“ Warum Integration leichter gesagt als getan ist, das könnten die Deutschen durch „Zeit der Wünsche“ verstehen. Und die Türken? Seyfi: „Die werden den Film hoffentlich als Würdigung ihrer 40 Jahre harten Arbeit verstehen.“ (Text-Stand: 12.1.2005)