Da es zum Kino-Start im Januar 2015 viele gute Kritiken zu Burhan Qurbanis „Wir sind jung. Wir sind stark“ gab, verzichtet tittelbach.tv auf eine weitere Stimme, die dem sehenswerten Film kaum etwas Neues hinzufügen würde. Deshalb haben wir an dieser Stelle die wichtigsten Stimmen und Argumente gesammelt:
Auf Welt.de schrieb Eckhard Fuhr am 20.1.2015
„Es geht jedenfalls um mehr als um die „Aufarbeitung“ des fremdenfeindlichen Pogroms, das Ende August 1992 in Rostock-Lichtenhagen unter den Augen der Fernsehöffentlichkeit ausbrach. Unterstrichen wird diese Distanz zum bloß Dokumentarischen durch die strenge Schwarz-Weiß-Optik.
So sehr Qurbanis Film von einem politischen Ethos getragen und dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gewidmet ist, so wenig gibt er sich mit einfachen sozioökonomischen Erklärungen und politischen Ansagen zufrieden. Früher hätte man gesagt, ihn interessiere das Allgemeinmenschliche. So ist es in der Tat. Und es hat gar nichts Tröstliches.
Der dauernde Wechsel der Perspektive von den Jugendlichen zur vietnamesischen Familie und zurück gibt der Erzählung ihre Spannung. Durchweg glänzende Schauspieler machen „Wir sind jung. Wir sind stark“ zu einem wirklich großen Film, der vor dem Hintergrund sich neuerlich verschärfender Konflikte um Zuwanderung und kulturelle Toleranz genau zur richtigen Zeit kommt.“
Foto: ZDF / Yoshi Heimrath
Auf Spiegel online schrieb Oliver Kever am 22.1.2015:
„Die vielen Erzählstränge zeigen neben den virtuos eingesetzten filmischen Mitteln Qurbanis Anspruch. Er drehte keinen Problemfilm, sondern ein Gesellschaftspanorama. „Wir sind jung. Wir sind stark.“ wurde zwar produziert von der ZDF-Redaktion des Kleinen Fernsehspiels, aber herausgekommen ist großes Kino. Widersprüche, Brüche, offene Fragen inklusive.
„Wir sind jung. Wir sind stark.“ ist kein Film über Rechtsradikalismus, sondern über die Fremdenfeindlichkeit, die in der viel beschworenen „Mitte der Gesellschaft“ entsteht. Er zeigt, wie Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche sich zum Mob formieren und eine Gewaltorgie gegen Schutzlose zum Volksfest wird, bei dem man sich an eilig bereitgestellten Imbissbuden mit Bier versorgt.
Er zeigt die Lähmung, die Leere, das Loch, in das große Teile der ostdeutschen Bevölkerung nach der Wiedervereinigung stürzten. Das letzte Bild seines Films nimmt in gespenstischer Klarheit vorweg, dass diese Stimmung nach Rostock-Lichtenhagen nicht einfach verpufft ist. Das hässliche Deutschland, es marschiert heute wieder.“In epd-film schrieb Dietmar Kanthak am 15.12.2014
„Der Regisseur erweckt Figuren zum Leben; er bedient keine Vorurteile, speist das Publikum nicht mit scheinbaren Gewissheiten und einfachen Wahrheiten ab. Poesie beherrscht er auch.
Psychologie und Psychopathologie erscheinen als entscheidende Faktoren, gewissermaßen als Brandbeschleuniger. Die fabelhaften Darsteller beglaubigen diese These. Jonas Nay als Stefan, der als erster einen Brandsatz wirft, ist zerrissen zwischen Empathie und Aggressivität, Ekstase und Gewissensbissen. In seiner Lust an der Zerstörung liegt auch etwas Selbstzerstörerisches. Manchmal scheint es, als wolle er sich selbst auslöschen.“Die Gegen-Meinung:
Auf FAZ.net schrieb Hans-Jörg Rother am 22.1.2015
„Man mag die Absicht akzeptieren, den Zuschauer das Fürchten zu lehren. Von einem aufklärerischen Willen zeugt der Film indes nicht. Weil er alles zeigen will, zeigt er von allem nur etwas, vor allem von dem, was den Zuschauer anrührend verstören könnte: die Verlorenheit einer Jugend in einer Umbruchsituation, die Unsicherheit der Politik in den Fragen der Zuwanderung oder auch die lauernde Bosheit des Kleinbürgers, die hier eine bloße Fratze bleibt.“