Ihren Traumberuf haben sie noch nicht gefunden, die richtige Liebe ist ihnen auch noch nicht begegnet. Florian, Pit, Karsten, Petronella & die anderen Freunde sind zwischen 20 und 25, sie haben Abitur und alle Möglichkeiten stehen ihnen offen. Scheinbar. Zu oft stehen sie sich selbst im Weg, verlieren sich im Überangebot an Jobs, Studienfächern und Liebesobjekten und flüchten in die Beliebigkeit von Beziehungen, in den Konsum von Drogen, Medien und Menschen. Jeder dreht sich nur um sich selbst und so überrascht es nicht, dass keiner bemerkt, wie einer von ihnen die Kontrolle verliert und so die Clique mit ins Verderben reißt.
“Wir” (Trailer) ist eine Ohrfeige ins Gesicht derer, die jeder Generation einen Stempel aufdrücken wollen. Die (Anti-)Helden in dem glänzenden Debütfilm von Martin Gypkens sind zwar Freunde und “arbeiten” an typischen Mittelschichts-Biographien, doch sie sind alles andere als eine homogene Gruppe. Jeder bastelt an ganz unterschiedlichen Lebenskonzepten herum. Einer will Model werden, andere träumen vom ersten eigenen Film oder von menschenfreundlicher Innenarchitektur, wieder andere studieren oder lieben wild in der Gegend herum. Alles ist möglich. Die Optionsgesellschaft frisst ihre Kinder.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich in einer Lebensphase befinden, in der sie sich ausprobieren und ihr Jungsein ausleben wollen. Gemeinsam ist ihnen auch: keiner hört dem Anderen richtig zu. Mit der Ausnahme vielleicht, wenn jemand frisch verliebt ist. “Wir“, ein Film, der auf unbekannte Gesichter setzt, lässt den Zuschauer einen Sommer lang mit seinen Figuren durch die Berliner Szene streifen, ohne dass irgendetwas an diesem dichten, wunderbar stimmigen Film beliebig oder zufällig erscheinen würde. Selten wurde in einem deutschen Film des letzten Jahrzehnts ein Lebensgefühl so präzise eingefangen wie in Gypkens preisgekrönter Abschlussarbeit an der Potsdamer Filmschule. Dem 35-jährigen gebürtigen Bonner ging es “um das Gefühl des Auf-der-Suche-seins, dem Gefühl von absoluter Freiheit im positiven wie im negativen Sinne”. Gypkens: “Ich wollte einen Film machen, der unterhaltsam ist und sich dennoch ernsthaft mit den Ängsten seiner Figuren auseinandersetzt.“ (Text-Stand: 30.9.2004)