Die Pleite der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 hat viele deutsche Kleinsparer um ihre Altersvorsorge gebracht. Die Menschen hatten angesichts der versprochenen Rendite alle Vorsicht fahren lassen; „Gier frisst Hirn“, hieß es damals. Das angelegte Geld war futsch, weil die Banken ihren Kunden faule Zertifikate untergejubelt hatten. Die Folgen der anschließenden globalen Finanzkrise sind bis heute spürbar; insofern lässt sich der 61. Episode aus der ZDF-Reihe „Wilsberg“ eine gewisse Aktualität nicht absprechen. Davon abgesehen wirkt der Film jedoch, als käme er ein paar Jahre zu spät. Größeres Manko sind die mit Informationen über Geldanlagen gespickten Dialoge, weshalb „Mörderische Rendite“ dem Titel zum Trotz mitunter wie ein Lehrfilm wirkt: Nahezu jedes Gespräch zwischen Wilsberg (Leonard Lansink) und seiner Freundin, Kommissarin Springer (Rita Russek), enthält Warnungen vor bösen Bankern und fiesen Vermögensberatern. Uli Pape, von Simon Schwarz hingebungsvoll als mit allen Abwassern gewaschener Geschäftemacher verkörpert, ist ein besonders abschreckendes Exemplar dieser Gattung. Das macht ihn selbstredend zu einem ausgezeichneten Hauptverdächtigen, genauso wie Bank-Vorstand Siekmann, in dessen Verkörperung Michael Brandner alle Vorurteile gegen Banker einfließen lässt. Schade nur, dass sich der Film zu wenig für seine eigentliche Geschichte interessiert.
Sie beginnt mit einem Mord: zwei Männer beim nächtlichen Treffen unter einer Brücke, ein Fadenkreuz, ein Schuss; dann die Einblendung „Zwei Tage vorher“. Damit endet der spannende Teil des Films, denn nun beginnt das Lehrstück, das sich auf drei Ebenen vollzieht. Ebene eins: Wilsberg lässt sich von der Kundenberaterin seiner Bank über die Möglichkeiten zur Altersvorsorge beraten. Das Ansinnen stellt angesichts seines notorisch überzogenen Kontos zwar eine echte Herausforderung dar, aber Sigrun Moorkamp (Anna König) weiß Rat: einfach einen Kredit aufnehmen, das Konto ausgleichen und den Rest anlegen; ein sogenannter Hebelvertrag, vor dem Verbraucherschützer dringend warnen. Springer wiederum, Ebene zwei, hat bei einer geplatzten Geldanlage, zu der sie der Filialleiter derselben Bank überredet hatte, 125.000 Euro verloren. Dieser Mann ist auch das Mordopfer, weshalb die Kommissarin bei ihren Ermittlungen nicht ganz unbefangen ist; Assistent Overbeck (Roland Jankowsky) erinnert sie prompt immer wieder daran, dass sie durchaus ein Motiv für die Tat hätte. Am ärgsten geht es jedoch auf Ebene drei zu: Paul Dietze (Michael Kausch), ein befreundeter Nachbarn des Detektivs, hat sein Vertrauen in Uli Pape bitter bereuen müssen; sämtliche Ersparnisse sind weg. Statt Ruhestand muss sich Paul nun einen Job suchen. Wilsberg will sich Pape vornehmen, aber selbst er fällt auf die Tricks des gewieften „Finanzdurchleuchters“ rein. Weil der frühere Bratpfannenverkäufer gerade einen Juniorberater sucht, muss Kumpel Ekki (Oliver Korittke) seine Urlaubstage wieder mal für einen Undercover-Einsatz opfern und bekommt es dabei wieder mal mit einer schönen Frau zu tun: Papes Mitarbeiterin Jette ist bei ihren miesen Machenschaften sogar noch abgebrühter als ihr Chef, zumal die Kunden reihenweise auf ihre blauen Kulleraugen hereinfallen; Cornelia Gröschel wird sich gefreut haben, dass sie auch mal was Anderes als die patente junge Frau von Nebenan spielen darf. Damit Ina Paule Klink ebenfalls was zu tun hat, berät Anwältin Alex den Bankchef „karrierepolitisch“; für Siekmann ist der Mord an seinem Filialeiter zwar bloß ein „kleiner Kolatteralschaden“, aber gut fürs Image ist er trotzdem nicht.
Foto: ZDF / Thomas Kost
Weil sich alles nur ums Geld dreht, vergisst der Film zwischendurch des Öfteren, dass es eigentlich um Mord geht. Overbeck scheint der einzige zu sein, der den Fall wirklich aufklären will, auch wenn er mit seinen Mutmaßungen (internationale Finanzmafia!) wie stets weit übers Ziel hinausschießt. Jankowsky hat mit seinen mal makabren, mal süffisanten Einwürfen die mit Abstand besten Dialoge. Dass man so eine Geschichte auch ganz anders erzählen kann, hat Autor Georg Ludy mit seinem Drehbuch zu der herrlich schrägen Heimatgroteske „Storno – Todsicher versichert“ (2015) über die haarsträubenden Erlebnisse eines Versicherungsvertreters in der niederbayerischen Provinz bewiesen. „Mörderische Rendite“ ist dagegen weder schräg noch spannend, weil der Film quasi nur aus Dialogen besteht, die viel zu oft so klingen: „Wer der Bank vertraut, der wird beklaut.“ (Wilsberg) – „Der Staat gibt, der Staat nimmt“ (Ekki, Finanzbeamter). Kein Wunder, dass selbst ein routinierter Regisseur wie Martin Enlen, der schon einige richtig gute „Wilsberg“-Episoden inszeniert hat (zuletzt „Die Nadel im Müllhaufen“), im Grunde nur scheitern konnte. Die Reihe hatte bei jungen Zuschauern dank Themen wie Whistleblowing, K.o.-Tropfen, Gefahren in sozialen Netzwerken, Gesichtserkennung oder Verbrechensbekämpfung mit Hilfe von Algorithmen zuletzt regelmäßig Marktanteile von über zehn Prozent; diesmal wendet sich das ZDF verstärkt seiner Stammzielgruppe zu, was sich prompt auch in einer vergleichsweise biederen Anmutung niederschlägt. Natürlich ist die Frage nach der Sicherheit von Geldanlagen zeitlos, und es ist sicher auch nicht verkehrt, sie in eine Spielhandlung zu betten; aber dann doch nicht als verfilmte Broschüre einer Verbraucherzentrale. Immerhin lässt sich Einiges lernen, und das gilt nicht nur für die besondere Vorsicht, wenn’s um Geldanlagen geht. Ludy streut allerlei Fachvokabular ein, das zum Teil den ganzen Zynismus der Branche dokumentiert. Dass Pape sein Büro um ein potemkinsches Wohnzimmer ergänzt hat, in dem seine Mitarbeiter Kundengespräche üben können, ist vermutlich gleichfalls nicht aus der Luft gegriffen. Dafür ist jedoch der „Wilsberg“-typische Humor auf der Strecke geblieben; Overbeck – „das K steht für kurzen Prozess“ – muss diesen Part diesmal ganz allein schultern. Viel zu selten sind Szenen wie jene, in denen ein alter Nachbar der Dietzes vermeintlich tot auf dem Boden liegt. Tatsächlich hat er bloß ein Modellbauteil gesucht, der Mann lebt seine Kriegsleidenschaft mit entsprechendem Bastelgerät aus und verwickelt Wilsberg in ein Gespräch, das sinngemäß auf die Frage hinausläuft, ob er gedient habe. Selbst der obligate Bielefeld-Gag (Paul hat dort einen Schützenpokal gewonnen) wirkt eher lahm. (Text-Stand: 10.10.2018)