Wilsberg – Gottes Werk und Satans Kohle

Lansink, Korittke, Klink, Russek, Friedrich, Ungureit, Enlen. „Sagen Sie jetzt nichts!“

Foto: ZDF / Thomas Kost
Foto Tilmann P. Gangloff

„Mörderische Rendite“, der letzte „Wilsberg”, wirkte wie ein Lehrfilm zur Finanzkrise. Zwar ist auch die 63. Folge des ZDF-Klassikers, „Gottes Werk und Satans Kohle“ (Warner Bros.), eine Parabel auf die Gier, aber Regisseur Enlen hat wieder zu der souveränen Mischung aus Krimispannung und dialogischer Leichtigkeit zurückgefunden, die bereits seine früheren Beiträge zu der Reihe ausgezeichnet haben. Schon der Titel ist ein deutliches Zeichen, dass den Verantwortlichen ein besonderer Film vorschwebte: Der Detektiv geht ins Kloster. Während Enlen den Schauplatz für einige Anliegen beim „Gothic Thriller“ nutzt, erfreut das Buch von David Ungureit mit vielen schönen Einfällen. Unter anderem darf sich Overbeck in eine junge Novizin verlieben, was eine sehr amüsante Hommage an Loriot zur Folge hat.

Schon der Titel deutet an, dass die letzte „Wilsberg“-Episode nur ein Ausrutscher war. „Gottes Werk und Satans Kohle“, eine Anspielung auf John Irvings großartigen Roman „Gottes Werk und Teufels Beitrag“, ist ein Krimi, an dem es nichts auszusetzen gibt. Bereits die Grundidee ist originell: Wilsberg (Leonard Lansink) geht ins Kloster. Als Handlungsort ist so ein ehrwürdiges Gemäuer ohnehin interessant, zumal es sich – „Der Name der Rose“ lässt grüßen – vortrefflich als schaurigen Schauplatz inszenieren lässt. Entscheidender für die Dichte der Geschichte ist jedoch die Überschaubarkeit: Ähnlich wie beim Inselkrimi oder wie in vielen Erzählungen von Agatha Christie gibt es gewissermaßen kein Entrinnen; und alles, was von draußen kommt, wird als Bedrohung wahrgenommen. Das gilt in diesem Fall vor allem für einen Bauunternehmer, der das marode Kloster angeblich in ein Seniorenheim umwandeln will, in Wirklichkeit aber ganz andere Pläne hat. Da dieser Hollerbach von Simon Licht verkörpert wird, trägt die Figur förmlich einen Schurkenstempel auf der Stirn. Die Handlung beginnt mit einem Auftrag für den Privatdetektiv: Das Kloster ist dank des Börsengeschicks von Kassenfrau Christa (Inka Friedrich) zu einem ansehnlichen Spekulationsvermögen gekommen, aber nun ist das im Altar versteckte Geld, 1,5 Millionen Euro, futsch. Kaum hat sich Wilsberg zur Kontemplation im Kloster eingenistet, ereignet sich auch noch ein Mord: Einer der polnischen Arbeiter, die das Gebäude renovieren, wird in der Krypta erschlagen.

Wilsberg – Gottes Werk und Satans KohleFoto: ZDF / Thomas Kost
Zum Vergnügen des Zuschauers: Immer für einen Bluff gut: Anna Springer (Rita Russek) und Overbeck (Roland Jankowsky)

David Ungureit hat viele Drehbücher für die ARD-Märchenreihe „Sechs auf einen Streich“ geschrieben, die berühmten Vorlagen wahlweise kühn gekürzt („Wasser des Lebens“, 2017) oder keck erweitert („Die Bremer Stadtmusikanten“, 2009) und dabei stets eine höchst unterhaltsame Mischung aus spannenden und komischen Situationen gefunden. Seine Fernsehfilme, oft Komödien wie „Ein Reihenhaus steht selten allein“ (2013) und die Fortsetzung „Neues aus dem Reihenhaus“ (2016) oder auch mal ein Krimi wie die „Big Data“-Geschichte „Mord Ex Machina“ (2017), ein „Tatort“ aus Saarbrücken, waren in der Regel ebenfalls sehenswert. Das gilt auch für sein „Wilsberg“-Debüt, zumal es ihm gelungen ist, das gesamte Ensemble glaubwürdig in die Geschichte zu integrieren. Wilsberg-Kumpel Ekki (Oliver Korittke) hat ein ganz eigennütziges Interesse an dem Fall, weil er vom brillanten Gespür der Schatzmeisterin profitieren möchte. Christa bedauert ihr Werk allerdings längst, weil Mammon doch des Teufels ist; ähnlich wie zuletzt die insgesamt allerdings deutliche schwächere Episode „Mörderische Rendite“ ist auch der 63. „Wilsberg“-Film eine Parabel auf die Habgier. Alex (Ina Paule Klink) kommt ins Spiel, weil sie sich wieder mal unwissentlich der dunklen Seite der Macht verschrieben hat: Sie soll im Auftrag Hollerbachs dafür sorgen, dass Äbtissin Helena (Maren Kroymann) die Diözese dazu bringt, ihm das Anwesen zu verkaufen. Außerdem hat der Bauunternehmer einen Maulwurf im Kloster; eine der Bewohnerinnen ist also tatsächlich mit dem Teufel im Bunde.

Regisseur Martin Enlen hat einige richtig gute „Wilsberg“-Krimis gedreht und knüpft mit „Gottes Werk und Satans Kohle“ wieder an die Qualität seiner vorletzten Episode, „Die Nadel im Müllhaufen“, an. Während seine spannungsarme Folge „Mörderische Rendite“ wie ein Lehrfilm zur Finanzkrise wirkte, hat die jüngste Arbeit alles zu bieten, was die Freunde der Reihe zu schätzen wissen. Dazu zählen auch die unvermeidlichen, aber mit heiterer Gelassenheit inszenierten Geplänkel zwischen dem Detektiv und der Kommissarin (Rita Russek), die gern wenn schon keine Lebens-, dann zumindest doch eine Wohngemeinschaft mit dem ewig klammen Antiquar eingehen würde. Sehr zur Freude der Overbeck-Fans spielt der Oberkommissar diesmal wieder eine besondere Rolle, weil er sich unsterblich in die junge Lisa (Joyce Ilg) verliebt und prompt in verschiedene Fettnäpfchen tritt; angesichts der hübschen Novizin wundert er sich, dass im Kloster „auch Frauen“ leben, „richtige Frauen“. Kein Wunder, dass die Entnahme einer Speichelprobe einem erotischen Akt gleichkommt.

Sehr gelungen ist auch Enlens Spiel mit dem „Gothic“-Genre; dazu lädt der Schauplatz natürlich ein. Dank Bildgestaltung (Philipp Timme) und Musik (Matthias Weber) wirkt die Auftaktszene mit der an einen „Gargoyle“ aus entsprechenden Horrorfilmen erinnernden Steinfigur wie der Beginn eines Schauer-Thrillers. Der Film will zwar nicht „Der Name der Rose“ sein, aber gerade die Nachtaufnahmen kommen dem berühmten Werk recht nahe. Gegen Ende greift Enlen den Einstieg noch mal auf, als verirrte Kugeln aus Overbecks Dienstwaffe für eine sehr effektvoll  inszenierte verzögerte Kettenreaktion sorgen und die Skulptur gemeinsam mit dem halben Klosterdach in die Tiefe stürzt. Angesichts des guten Gesamteindrucks stört es auch nicht weiter, dass der Börsenjargon von Schwester Christa etwas aufgesetzt wirkt oder eine schweigsame Nonne, die heimlich „Herzkino“-Filme anschaut, ihr Gelübde ausgerechnet mit dem ähnlich unglaubwürdigen Satz „Was für ’ne Bitch“ bricht. Ungleich gelungener ist die Rolle der redseligen Schwester Gudula, die von Katharina Blaschke als liebenswerte Klatschbase und nicht als Witzfigur verkörpert wird. Ähnlich sympathisch sind auch die Loriot-Details: Das Kreuz in Wilsbergs Kammer gerät beharrlich immer wieder in Schieflage, und als Overbeck an einem Strauß Blumen schnuppert, den er seiner rehäugigen Angebeten überreichen will, bleibt ein Blütenblatt an seiner Nase hängen. Ungureit und Enlen erlauben sich sogar die Hommage, die vermutlich berühmteste Dialogzeile Loriots zu zitieren: „Sagen Sie jetzt nichts!“ Amüsant sind nicht zuletzt die Paraphrasierungen der zehn Gebote; das Spektrum reicht von „Du sollst Deinen Onkel ehren“ bis zum bislang noch unbekannten elften Gebot, „Du sollst keine dummen Fragen stellen“.

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Reihe

ZDF

Mit Leonard Lansink, Oliver Korittke, Ina Paule Klink, Rita Russek, Roland Jankowsky, Inka Friedrich, Maren Kroymann, Simon Licht, Katharina Blaschke, Joyce Ilg, Ivan Shvedoff

Kamera: Philipp Timme

Szenenbild: Oliver Mugalu

Kostüm: Sonia Bouabsa

Schnitt: Monika Abspacher-Uhlmann

Musik: Matthias Weber

Soundtrack: Stretch („Why Did You Do It?”, Vorspannlied)

Redaktion: Martin R. Neumann

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Anton Moho

Drehbuch: David Ungureit

Regie: Martin Enlen

Quote: 7,34 Mio. Zuschauer (23,1% MA); Wh. (2021): 3,69 Mio. (17,7% MA)

EA: 12.01.2019 20:15 Uhr | ZDF

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