Das fängt ja gut an. Ecki wird von seiner pingeligen Revisorin in den Wahnsinn getrieben, Alex lässt sich von ihrer alten „Freundin“ Tessa, die ihr einst Freund und Job weggeschnappt hat, klein machen, und Wilsberg geht mit Anna Springer essen, zeigt Gefühl und wird von der Kommissarin nach der Hauptspeise sitzen gelassen. Grund: ein Date mit einem Callboy. Jener Adam liegt wenig später nackt und tot in ihrem Hotelzimmer. Jetzt muss Georg helfen. Um einen Skandal zu vermeiden, sagen beide aus, sie hätten ein Zimmer geteilt und den Toten zufällig entdeckt. Overbeck bekommt den Fall – und grinst. Parallel versucht das vierblättrige Kleeblatt, schneller zu sein. Ecki taucht in die Callboy-Szene ab, Springer stört Overbecks Ermittlungen so gut es eben geht, Wilsberg recherchiert den Kundinnen mit eifersüchtigen Partnern hinterher und Alex arbeitet an ihrer süßen Rache in Richtung ihrer Lieblingsfeindin Tessa, die ihre Zuhälter-Dienste stylish als „Work Life Balance für die Frau“ verkauft.
Foto: ZDF / Thomas Kost
Der neue „Wilsberg“ hat alles, was die Reihe auszeichnet – insbesondere ein engmaschiges Geflecht an liebevoll gezeichneten Beziehungen. Alle Handlungsfäden finden nach und nach zusammen und der Spaß spielt mal wieder die Hauptrolle. Zumindest beim Zuschauer. Die Figuren dagegen beutelt es zwischenzeitlich über alle „Wilsberg“-Maßen. So ist Georg enttäuscht von seiner Anna alias Alice im Callboy-Land. „Du gehst mit mir romantisch essen und bestellst dir zum Dessert einen Gigolo?!“ Die Kommissarin hat andere Probleme: „Ich möchte jetzt mit dir nicht mein Freizeitverhalten diskutieren.“ Später kommt es dann zu einer Aussprache, in der Anna dieselbe Offenheit an den Tag legt wie ihr Georg. Sie klagt das Leid der Frauen über 50: keiner dreht sich mehr um – als ob man Luft wäre für die Männer. „Aber die eigenen Bedürfnisse sind noch dieselben.“ So viel Beziehungstiefe ist selten bei „Wilsberg“. Der Mann will Kochen und Gespräche, die Frau nur Sex – verdrehte Geschlechterwelt.
Soundtrack:
Stretch („Why did you do it“), James Brown („Sex Machine“), Davis Guetta feat. Kelly Rowland („When loves take over“), Katy Perry („California Girls“), Barry White („Can’t get enough of your love, baby“), Beverley Knight („Queen of starting over“)
Der Krimi bleibt wie immer in dieser Reihe eine schöne Nebensache. Dafür zieht das Komische in „Frischfleisch“ mächtig an. Situationswitz und Charakterkomik sind wunderbar aufeinander abgestimmt. Dabei stechen die brillanten Chef-Untergebenen-Miniaturen heraus und auch das, was Hugo Egon Balder zähnefletschend selbstgefällig spielen darf, ist Typen-Komik vom Feinsten. Die Autoren Jan Martin Scharf und Arne Nolting haben offensichtlich ihren Loriot genau studiert und bisweilen hört man aus den Dialogen auch den guten alten Didi (Hallervorden) heraus: „Was? im Hoootellll?!“ (Text-Stand: 8.4.2011)