Das ist schon respektabel. „Wilsberg“ ohne Heinrich Schafmeister: Das schien bis vor Kurzem noch unvorstellbar. Doch schon beim zweiten Film in der Ära nach „Manni“ ist der Beamte mit dem treuen Blick fast vergessen: weil Oliver Korittke die Position prima ausfüllt; und weil bei den Krimis offenbar wieder mehr Wert auf eine richtig gute Handlung gelegt wird. Die Geschichten waren auch früher nicht schlecht, aber „Callgirls“ (Buch: Eckehard Ziedrich) gehört zu den bis dahin stärksten Folgen der Reihe. Es stimmt nahezu alles. Die Darsteller fühlen sich mit ihren Figuren sichtlich wohl, die Inszenierung (Walter Weber) hält die Spannung hoch, ohne dafür billige Effekte bemühen zu müssen, und der Fall führt den Amateurdetektiv in die höchsten Kreise: Sämtliche Honoratioren geben sich in einem Luxus-Bordell offenbar die Klinke in die Hand. Entsprechend stabil ist die Mauer des Schweigens, gegen die Wilsberg (Leonad Lansink) immer wieder prallt. Und nicht nur das: In konzertierter Aktion sorgen die Ehrenmänner dafür, dass der Antiquar mit dem Rücken zur Wand steht.
Dabei sollte er im Auftrag von Kumpel Ekki (Korittke) bloß nach Schwarzarbeitern suchen. Aber wenn’s in Münster eine Leiche gibt, stolpert Wilsberg garantiert als erster drüber. Das mobile Telefon, dass die Frau in der Hand hält, steckt er kurzerhand ein, zeigt es doch das Foto seines Erzfeindes Debilius (Christian Redl), der seinerzeit für seinen Ausschluss aus der Anwaltskammer verantwortlich war. Dummerweise hat Wilsberg das Telefon ausgeschaltet und sucht nun den Rest des Films mit wachsender Verzweiflung nach der Pin-Nummer, denn das Gerät enthält noch weitere brisante Informationen; die junge Frau wird auch nicht die letzte Leiche sein. Bei aller Krimi-Spannung ist „Callgirls“ immer wieder lauthals komisch; und wenn sich die Serie rätselhafter Todesfälle am Ende als Familiendrama entpuppt, gelingt es Autor Ziedrich sogar, für echte Verblüffung zu sorgen. (Text-Stand: 4.2.2006)
Foto: ZDF / Thomas Kost