Der Wiener Polizist Albert Schuh ist schon genug angefressen. Sein Partner ist vor vier Monaten erschossen worden – und vom Täter fehlt jede Spur. Jetzt wird ihm auch noch so ein Greenhorn aus Deutschland an die Seite gestellt. Für den kurz vor der Pensionierung stehenden Österreicher ist dieser Thorsten Richter ein einziger Witz: ein pubertierendes „Büberl“ und dazu auch noch ein „Piefke“. Doch da muss er jetzt durch – also verpasst er dem überengagierten Jungspund erst einmal einen unnötigen Undercover-Einsatz bei einer Erotik-Hotline. Er selbst ermittelt im Falle des toten Kollegen – eigentlich nicht sein Ressort, Schuh arbeitet in der Abteilung „Einbruch und Diebstahl“. Ein Einbruch in einen Antiquitätenladen, bei dem angeblich nichts gestohlen wurde, erregt die Aufmerksamkeit des deutschen Muster-Beamten. Obwohl für Schuh der Fall erledigt ist, hält Richter in dieser Sache die Augen offen. Nach zwei Toten bestätigt sich, dass der Deutsche den richtigen Riecher hatte. Die Einbrüche und die Morde stehen in einem direkten Zusammenhang.
Foto: ORF / ZDF / Bernhard Berger
„Ein junger, ehrgeiziger deutscher Polizist mit hohem Berufsethos trifft auf einen älteren, sehr gemütlichen und latent korrupten Wiener Kollegen.“ So umschreibt der Autor-Regisseur und Grimme-Preisträger Nikolaus Leytner („Ein halbes Leben“) die Ausgangssituation von „Willkommen in Wien“. Der übermotivierte Mittzwanziger ist für den abgebrühten Routinier ein gefundenes Fressen – bis sich dieser „Flocki“ mit Fleiß, Ausdauer und deutscher Genauigkeit durchaus den Respekt seines Kollegen verdient. Und auch Schuh kann mehr, als nur die Hand aufhalten. Im Verlauf der Krimi-Handlung rückt das deutsch-österreichische Spannungsverhältnis deutlich in den Hintergrund. „Es wird eine Geschichte zwischen einem älteren und einem jüngeren Mann, die letztendlich in einem freundschaftlichen Vater-Sohn-Verhältnis endet“, betont denn auch Wolfgang Böck. Ein solcher sich nach und nach abschleifender Kontrast ist von „Tatort“-Buddy-Pärchen à la Stuttgart bis zu „Der letzte Bulle“ ein dramaturgisches Standardmuster. In dieser ORF/ZDF-Koproduktion wird der Gegensatz krasser, schräger und vor allem komischer ausgespielt – und bevor man sich versieht, besteht der Konflikt gar nicht mehr. Das spricht für Leytner und Ko-Autorin Katarina Bali.
Wer an Wien, an Krimi, an einen charismatischen Polizisten denkt, der denkt an Wiener Schmäh und der denkt vor allem an „Kottan“, den Kult-Ermittler aus den 70er und frühen 80er Jahren. So vorder- bis hintergründig verrückt, so unkonventionell deppert, was die Buch- und Regie-Einfälle angeht, so unkompatibel mit dem Massengeschmack ist „Willkommen in Wien“ allerdings nicht, aber die Aura Wiens hat sich stimmig in diesen köstlichen Film eingeschrieben. Das fällt umso mehr auf, als regionale Besonderheiten, Dialekt, Mentalitäten, lokale Kulturgeschichte, bekanntlich kaum noch eine Rolle spielen in der Fernseh(film)- und Krimi-Landschaft. „Willkommen in Wien“ ist in mehrfacher Hinsicht eine vorbildliche deutsch-österreichische Koproduktion. Es wurden zwei verschiedene Fassungen erstellt: eine „Hardcore-Version“ mit Original-Dialekt und für die ZDF-Ausstrahlung eine passagenweise neu synchronisierte Fassung mit gemäßigtem Dialekt. Hinzu kommt der Kniff, einen übereifrigen Deutschen als zweite Hauptfigur einzuführen: dieser Thorsten will alles genau wissen, er lässt sich Begriffe erklären und lernt sie wie Vokabeln auswendig.
Foto: ORF / ZDF / Bernhard Berger
Schuh: „An Steck’n hobt’s Ihr Deitschen im Popo. Unlocker seid’s.“ Darauf Richter: „Ach ja, und Sie haben wohl den berühmten Wiener Schmäh. Schlamperei, Faulheit, Unfreundlichkeit – so nenn ich das.“
Der Film ist gespickt mit solchen filmischen Kleinigkeiten, mit hingeworfenen Worten oder Gesten, die untergehen können, weil es zwischendurch auch lauter zugeht. Zwischen Kasseler Slapstick und Wiener Schmäh, deutscher Direktheit und österreichischer Hinterfotzigkeit, zwischen extremer sprachlicher Sinnlichkeit, zwischen „Oarschkretzn“, „Schass“ und „Geschnacksel“, entwickelt sich ein vielschichtiges Seh- und Hörvergnügen. „Der Wiener Dialekt hat so viele Farben“, versucht Leytner diesen Charme zu erklären. „Für viele Dinge gibt es Ausdrücke, die kleine Unterschiede und Nuancen beschreiben, die eine starke poetische Kraft oder Komik haben. Die Sprache ist immer auch Ausdruck einer Wesensart, eines Temperaments – und das Wienerische ist etwas ganz Spezielles.“ Beispiel: Johannes Silberschneider als „der schnelle Rudi“ und dessen Schnellkurs in Sachen „Kieberer“ (Polizist) und „Bagasch“ (Krimineller). Dabei vergisst Rudi allerdings dem deutschen Musterpolizisten zu sagen, dass er nicht nur Schuhs Spezi ist, sondern auch der Einbrecherkönig der Stadt. Fazit: wunderbarer Wien-Krimi mit hohem Komödienanteil. „Do göt no wos.“ Hoffentlich!