Willkommen im Club / Familie ohne Grenzen

Lisa Martinek, Richy Müller, Joanna Ferkic. Doppelte Familienzusammenführung?

Foto: Sat 1 / Volker Roloff
Foto Rainer Tittelbach

Ein Ehepaar will auf Teneriffa seine Beziehung kitten – das Schicksal eines senegalesischen  Flüchtlingsjungen scheint die beiden endgültig zu entzweien. Tatsächlich?! „Willkommen im Club“ ist ein TV-Movie, das ein alltägliches Ehedrama in einen Familien-Abenteuerfilm überführt und dabei noch ein kräftiges politisches Statement abgibt. Kein Thesen-Stück, das der Realität Nachhilfe zu geben versucht, sondern ein Film, der im alltagsnahen Umgangston eine emotionale, spannende, am Einzelfall orientierte Was-wäre-wenn-Story entwickelt.

Mona und Thilo Wagner machen mit ihrer Tochter Sophie Urlaub auf Teneriffa. Vor 15 Jahren waren die beiden schon einmal in derselben Clubanlage – damals waren sie frisch verliebt, hatten Ideale, heute haben sie vor allem eines: eine handfeste Ehekrise. Das, was damals am anderen faszinierend war, nervt nur noch. Der Polizist und die Journalistin sind offenbar doch zu verschieden für ein ganzes Leben. Der Urlaub sollte die Beziehung kitten, doch der Zufall will es, dass die Ehe auf eine extreme Bewährungsprobe gestellt wird. Gleich am ersten Tag landet ein mit afrikanischen Flüchtlingen überladenes Boot am Clubstrand. Mona ist entsetzt über das eiserne Vorgehen der Polizei. Als sich wenig später einer von mehreren flüchtigen Teenagern im Bungalow der Wagners versteckt, will sie dem Jungen unbedingt helfen. Sie will dafür sorgen, dass jener 11jährige Senegalese Jamaal zu seinem Vater nach Deutschland gelangen kann. Eine solche Hilfe wäre allerdings strafbar und kommt für Thilo nicht in Frage. Mona aber ist fest entschlossen. Werden die Wagners bald getrennte Wege gehen?

„Willkommen im Club“ ist ein TV-Movie, das ein alltägliches Ehedrama in einen Familien-Abenteuerfilm überführt und dabei noch ein kräftiges politisches Statement abgibt. Ein solcher Film lässt sich grundsätzlich leicht abtun als blauäugiges Thesen-Stück zwischen wohlfeilen Haltungen: „Zurückschicken ist keine Lösung“, sagt die weibliche Heldin, die endlich in diesem Einzelfall „Nägel mit Köpfen“ machen möchte. Ihr pragmatischer Gatte indes kritisiert dieses Mal-eben-kurz-die-Welt-retten-Wollen als sinnlosen Akt, der nichts bewirkt als einem als Europäer das schlechte Gewissen zu erleichtern. Auf der Diskurs-Ebene kann ein 90-Minuten-Unterhaltungsfilm der politischen Realität keine Nachhilfe geben, aber er kann moralisch sensibilisieren. Und das macht er – im engen Rahmen eines Sat-1-Movies – überaus geschickt. Die Saturiertheit der westeuropäischen Lebensart spiegelt sich nicht nur in der Club(un)kultur, dem Inbegriff verwalteter Langeweile & eines dekadenten Lebensstils, auch die Ehe der beiden Hauptfiguren steckt in einer Sinn-Krise. Die Einzelaktion der Wagners lässt sich wohl nicht verallgemeinern als politisch korrekte Handlung, als Aktion, die die beiden Doppelverdiener mit Biodiesel und viel zu hohen materiellen Ansprüchen auf ihre Basics als Mensch zurückwirft, könnte es indes heilsam sein. Endlich spüren die zwei wieder etwas.

Eine solche in Filmen ausgestellte Moral kann schnell in gutmenschelndem Kitsch enden. Dass die Akteure in „Willkommen im Club“ nach kurzer Eingewöhnungsphase, nach überflüssiger Touri-Rhetorik (die Schlepperboote, „das gehört zu Teneriffa wie der Sonnenbrand“) und einiger dramaturgischer Knall-auf-Fall-Situationen („Sie werden doch nicht gleich jeden Bungalow untersuchen.“ – klopf klopf) bei allem Ehedrama einen angenehm alltagsnahen Umgangston treffen, ist eine der großen Stärken dieser typischen Was-wäre-wenn-Story, die nicht den Anspruch erhebt, die ultimative Antwort auf das Nord-Süd-Gefälle oder die europäische Asylgesetzgebung parat zu haben. Ein großes Plus ist in diesem Zusammenhang die Besetzung: Lisa Martinek und Richy Müller finden eine stimmige Tonlage zwischen Wirklichkeit und Film, zwischen Alltag und Genre. Ihre Sache prima macht auch Joanna Ferkic – und die gute Besetzung der beiden tragenden spanischen Nebenrollen sorgt für weitere Authentizität. Hübsch auch die Idee, zwei Hippies, gespielt von Susan Sideropoulos und Marc Ben Puch, beiläufig und ohne nennenswerten Dialog mit der Haupthandlung mitlaufen zu lassen. Fazit: ein viel versprechender Auftakt zur Sat-1-Movie-Saison 2013/14.

Willkommen im Club / Familie ohne GrenzenFoto: Sat 1 / Volker Roloff
Ein Boot mit Flüchtlingen landet am Club-Strand von Teneriffa. Trotz durchschaubarem dramaturgischen Konstrukt ein sehenswertes TV-Movie – nicht zuletzt dank des alltagsnahen Spiels von Richy Müller und Lisa Martinek.

Der politische Hintergrund:
Zehntausende Afrikaner versuchen jedes Jahr, illegal nach Europa zu kommen. Die Gründe: Kriege, nationale Konflikte, persönliche Verfolgung, fehlende Perspektiven und Armut in den Heimatländern. In kaum seetauglichen Booten schleusen Schlepper die Flüchtlinge illegal über die Grenzen und steuern bevorzugt die Kanarischen Inseln oder Italien an. Dabei kommen jedes Jahr Tausende ums Leben, ertrinken oder verdursten. Diejenigen, die es an die europäischen Strände schaffen, werden in Auffanglagern gesammelt oder direkt zurückgeschickt.“

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Lisa Martinek, Richy Müller, Joanna Ferkic, Sylvain Mabe, Alicia Borrachero, Joel Joan, Susan Sideropoulos, Marc Ben Puch

Kamera: Peter Joachim Krause

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Drehbuch: Kristin Derfler, Christoph Darnstädt

Regie: Oliver Schmitz

Quote: 2,42 Mio. Zuschauer (8,6% MA)

EA: 03.09.2013 20:15 Uhr | Sat 1

Spenden über:

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BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach