Wilde Wellen – Nichts bleibt verborgen

Richter-Röhl, Zirner, Zischler, Sadlo und „das Schicksal lässt sich nicht aufhalten“

Foto: ZDF / Hagen Keller
Foto Rainer Tittelbach

„Wilde Wellen – Nichts bleibt verborgen“ erzählt von Familiengeheimnissen und tragischen Verwicklungen aus grauer Vorzeit, streift zugleich den Krimi und bezieht die mythologische Landschaft mit ein. Holzschnittartig die Konflikte, die Handlung überdehnt und einige Charaktere arg überzeichnet, schwach die Krimi-Elemente – das war zu erwarten. Andererseits besitzt das breite Erzählen durchaus seinen (nicht nur fernsehhistorischen) Reiz. Das beginnt bei Henriette Richter-Röhl, Johannes Zirner und Hanns Zischler und endet beim stimmungsvollen, optischen Ambiente – den Locations, den Landschaften, dem Licht.

Es beginnt in Paris. Die Polizistin Marie gerät in eine Verfolgungsjagd mit einem Junkie. Dieser erschießt ihren Kollegen und wird von ihr tödlich getroffen. Marie selbst wird angeschossen und verliert ihr Gedächtnis. Eine Chance für ihren Vater Michel Dumont, der seit fast 30 Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter hat. Er nimmt Marie mit in Bretagne – ohne ihr die Wahrheit über die gemeinsame Beziehung zu verraten. Auch Maries vermeintlichen Retter vom Pariser Tatort, den Archäologen Paul, verschlägt es in diese urgeschichtsträchtige Gegend Frankreichs. Hier, zwischen majestätischen Menhiren und sturmumtosten Klippen, kommt ans Licht, dass nicht er ihr, sondern sie ihm das Leben gerettet hat. Doch bis dahin wird sich noch allerhand Undurchschaubares ereignen. Im Zentrum dieser Ereignisse, von Erpressung über Entführung bis hin zu Mord, steht die Familie des wohlhabenden Fischereibesitzers Leon Menec und seiner zweiten Frau, der ehrgeizigen Claire, die ihren gemeinsamen Sohn Caspar so schnell wie möglich zu Leons Nachfolger machen möchte.

„Wilde Wellen – Nichts bleibt verborgen“ erzählt von Familiengeheimnissen und tragischen Verwicklungen aus grauer Vorzeit. Das ist typisch für dieses Genre. Doch ein Vierteiler muss mehr erzählen – und so verlässt das Familien(melo)drama die eingefahrenen Pfade des ZDF-Sonntagsfilms, streift den Krimi und bezieht die mythologische Landschaft mit ein. Vieles ist dramaturgisch trivial: die Konflikte werden holzschnittartig aneinander gereiht, Handlungsmomente nicht selten überdehnt und einige Charaktere geraten arg überzeichnet. Viele Szenen sind merklich nur für den Zuschauer da, andere lassen wegen der vielen Stränge allzu lange auf sich warten, und die Krimi-Momente sind von einer solchen Naivität, dass man der Melo-Expertin Sadlo noch einen Crime-erfahrenen Autoren an die Seite gewünscht hätte.

Wilde Wellen – Nichts bleibt verborgenFoto: ZDF / Hagen Keller
Die graue Eminenz & die blonde Intrigantin. Katja Weitzenböck & Hanns Zischler, der ein feines Understatement an den Tag legt.

Trotz alldem lässt sich dieser traditionellen epischen Erzählweise ein gewisser Reiz nicht absprechen. Das dürfte insbesondere jenen Zuschauern so gehen, die mit den Weihnachts-Vierteilern, der Forsythe-Saga, mit „Dallas“ oder TV-Romanen wie „Eine Frau in Weiß“ groß geworden sind. In „Wilde Wellen“ heißt es miträtseln und kombinieren, was die Krimihandlung angeht, sich der Klischees üblicher Familien-Sagas erinnern und die Motivketten des Genres (Liebe/Eifersucht/Wahn, Erbschaft/uneheliches Kind/gefälschtes Testament) durchspielen, Sinnsprüche interpretieren und Bedeutungsträchtiges für die Geschichte in ihnen aufstöbern.

Bedeutungsschweres, Metaphorisches, Banales:
„Was gestern noch ganz war, kann heute schon in Scherben liegen.“
„Solange es noch ein Geheimnis gibt, bleiben die Toten bei uns.“
„Hier liegt so eine Spannung in der Luft. Es ist nur so ein Gefühl, aber man hat den Eindruck, dass alles in irgendeiner Weise eine Bedeutung hat.“
„Die Menschen sind nicht ehrlich miteinander. Sie sind ja nicht einmal ehrlich zu sich selbst.“
„Das Meer vergisst nichts.“
„Das Schicksal lässt sich nicht aufhalten.“
„Menschen machen Fehler, große Fehler.“

Prachtvolle Locations, hier ein feudales Schloss, dort ein malerisches Haus auf der Klippe, gewaltige Landschafts-Tableaux, umrahmt von wuchtigen Menhiren, das kraftvolle Spiel der Wellen, der Nebel im Hafen, magisches Licht… das Ambiente ist das Beste an diesem Vierteiler. Gegenüber diesen „großen“ Stimmungen wirkt das Kleine, der Dialog, banal. Durchaus hätte man auf die eine oder andere kryptische Behauptung verzichten können zugunsten etwas mehr „amerikanischer“ Figurenzeichnung: Was hätte man nicht alles machen können daraus, dass die Heldin, kein Parfum mag. Die einmalige Behauptung, dass Druiden das Unentdeckte im Gegenüber entdecken und dass die ermordete Celine wohl eine Druidin war, verpufft in der sechsstündigen Erzählstrecke. So eindrucksvoll bisweilen auch das (vor allem optische) Mythen-Gewabere ist – so fehlt es dem Film doch an narrativer Dichte.

Wilde Wellen – Nichts bleibt verborgenFoto: ZDF / Hagen Keller
Auf Distanz: Blöd, so ohne Erinnerung! Henriette Richter-Röhl und Johannes Zirner in „Wilde Wellen – Nichts bleibt verborgen“

Sind die Dialoge auch schwach, mal bedeutungsschwanger, mal alltagssprachlich nichts sagend – einige Schauspieler können sich dennoch sehen lassen. Dicke Pluspunkte sammelt das nette junge Paar: Henriette Richter-Röhl und Johannes Zirner unterspielen ihre Texte und packen viel „Normalität“ in ihr Verhalten. Pleitgen indes dramatisiert anfangs furchterregend, während Weitzenböck mit der schlecht geschriebenen, nicht „realistisch“ spielbaren Doppelbödigkeit ihrer Figur zu kämpfen hat. Zischler und Weisgerber bewegen sich souverän zwischen diesen beiden Spielarten: obwohl sie sehr viel mehr „Schweres“ zu spielen haben als die „Jugend“, legen sie ein angenehmes Understatement in ihre Rollen. (Text-Stand: 3.8.2011)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Serie & Mehrteiler

ORF, ZDF

Mit Henriette Richter-Röhl, Johannes Zirner, Katja Weitzenböck, Hanns Zischler, Ulrich Pleitgen, Leonore Weisgerber, Daniel Rösner, Brigitte Zeh, Angela Roy

Kamera: Fritz Seemann

Szenenbild: Ellen Latz

Schnitt: Manuela Kempf

Musik: Karim Sebastian Elias

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Christiane Sadlo

Regie: Ulli Baumann

Quote: 1. Teil: 3,75 Mio. Zuschauer (13,6% MA); 2. Teil: 4,74 Mio. (14,4% MA); 3. Teil: 4,07 Mio. (14% MA); 4. Teil: 4,89 Mio. (14,2% MA)

EA: 25.08.2011 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach