Gegensätze ziehen sich an. Der Bäckermeister Oliver und die Cellistin Greta sehen sich das erste Mal beim Brautkleidkauf der Tochter. Der Witwer döst vor sich hin, während die attraktive Frau sich mit vollem Körpereinsatz der Anprobe hingibt. Das nächste Treffen ist geplanter, aber kaum zufriedenstellender. Der einsilbige Bäcker, der völlig aus der Übung ist, was Frauen angeht, und die quirlige, etwas ungeduldige Musikerin – das scheint gar nicht zu passen. Auch Olivers Mutter Elisabeth macht mit diesem Beziehungsmuster der Gegensätze Bekanntschaft – in Form des türkischen Gemüsehändlers Kemal, dem die Ausländerbehörde im Nacken sitzt. Elisabeth bietet ihm die (Schein-)Ehe an. Sie, aber auch er versprechen sich offenbar mehr davon. Sie geben sich das Ja-Wort und kommen sich näher, näher kommt aber auch der Tag, an dem Kemal die Kontaktanzeigen seiner Liebsten findet. Mit Greta und Oliver scheint es derweil doch zu klappen. Das Vorspiel zur Liebes-Ouvertüre ist beendet, doch dann bringt ein anderes Vorspiel, das mit Cello, die Liebeswünsche der beiden erneut ins Wanken.
Foto: Degeto / WDR / Frank Dicks
Dieser Typ! Bei der Polizisten-Tochter im Brautkleid sieht er nur deren kräftigen Oberarme, beim Cello-Konzert der Frau, die ihn interessiert, entschlummert er, danach ist er ausnahmsweise fit – aber was tun? „Ich hab keine Ahnung, was macht man denn um diese Zeit?“ Das Komplimente machen hat der stets mit seiner Müdigkeit kämpfende Held in „Wie Tag und Nacht“ spätestens in der Backstube verlernt. Wer jeden Tag um zwei Uhr aufstehen muss, dem fehlt die Energie zum Süßholzraspeln. Genau das ist das Angenehme an diesem Film. Die Protagonisten leben ihr Leben – und sie leben es nicht nur, um damit den gängigen Mustern der romantischen Komödie Genüge zu tun. Ein Bruch mit den Konventionen ist auch die Art und Weise, wie der deutsch-türkische Culture-Clash ins Spiel kommt: beiläufig, als Nebenplot(!), als sei dieses Miteinander der Kulturen das Normalste der Welt. Auch dass ein Mann um die 50 im Zentrum einer ARD-Freitagskomödie steht, war längst überfällig. Thomas Sarbacher zeigt wie unlängst in „Die letzte Fahrt“, dass er das vermeintlich Leichte mit dem Gespür für einen alltagsnahen Umgangston ungemein glaubwürdig vermittelt. Dass er darüber hinaus gut aussieht und ein „cooler Typ“ ist, etabliert schon beim berühmten ersten Blick den Sympathiebonus. Das sieht die lockere Cellistin ähnlich (auch Katharina Müller-Elmau würde wohl kein Zuschauer von der Bettkante schubsen) – und doch würde sie, da kommt wieder der Realismus ins Spiel, ihr bisheriges Leben, ein Leben aus dem Koffer, nicht der Liebe wegen gänzlich aufgeben: „Hast du jetzt erwartet, dass ich mit dir Brötchen backe?“
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Dieser Film gibt von der ersten Minute an ein Versprechen auf eine Unterhaltung, die dem Zeitgeist auf Augenhöhe begegnet, und auf einen dramaturgisch klugen, realitätsnahen Familienfilm, der im Chor der Geschlechter alle möglichen Stimmungen vereint. Autorin (und Nebendarstellerin) Claudia Matschulla und Regisseurin Sibylle Tafel, die auch am Drehbuch mitgewirkt hat, zeigen, dass es nicht immer die Liebe unter Palmen sein muss, die den Zuschauer glücklich macht, und dass Alltag und Geschlechterkampf („Ich bin doch kein Brötchen, das du tief gefrierst und dann wieder aufbackst“) durchaus mit Romantik, Spiel und Situationskomik vereinbar sind. Es ist nicht nur das vortrefflich ausbalancierte Verhältnis zwischen Genre-Zwang und Charakter-Stärke, es ist vor allem das gefühlte Auf-den-Kopf-Stellen der Dramaturgie, das den Reiz von „Wie Tag und Nacht“ ausmacht.
Man hat als Zuschauer das Gefühl, dass sich aus den kleinen „Dingen des Lebens“ die Geschichte ergibt. Die Handlung besteht nicht vornehmlich daraus, auf dem Weg zum Happy End Probleme aus dem Weg zu räumen. Matschulla und Tafel setzen vielmehr auf das Situative, das Flüchtige. Die Geschichte bekommt so eine für TV-Komödien ungewohnte Offenheit – kleine Überraschungen inklusive. Von Situationen lebt das Leben, von Situationen lebt dieser Film. Man hat den Eindruck, als fließe die Geschichte aus dem Alltag heraus. Dramaturgisch gebunden und verdichtet wird das Ganze mit Hilfe von Motiven, Dingen, Gegenständen. Das Wohnmobil ist ein solches: als Hochzeitsgeschenk für die Tochter war es gedacht, dann wird es zum Liebesnest, später zum Frustobjekt/Liebessymbol, schließlich zum Aufbruchsvehikel. Aus alldem ergibt sich eine Frische und Lebendigkeit, die man in Fernsehfilmen des Unterhaltungsfachs viel zu selten findet. (Text-Stand: 28.4.2013)