„Wenn’s um Liebe geht“: Das ist im Grunde eine Sendeplatzbeschreibung, die perfekt auf den Sonntagabend im ZDF gemünzt ist. Die Romanze ist zwar ein Freitagsfilm im „Ersten“, aber auch dort geht es meistens darum, dass sich zwei Herzen finden. Wie unterhaltsam und qualitätsvoll die Geschichten sind, hängt im Einzelfall von ihrer Originalität ab. Ähnlich wie zuletzt in „Camping mit Herz“ gehen die Gefühle durchs Ohr. Für den in Österreich lebenden deutschen Drehbuchautor Uli Brée, auch im hiesigen Fernsehen wegen seiner bissigen Dialoge geschätzt („Die Spätzünder“, „Vorstadtweiber“), ist das Gesangsmärchen zwar vergleichsweise brav, aber geschickt eingefädelt: Schlagerstar Sunny (Julian Looman) will an einem Duettwettbewerb teilnehmen und braucht dafür eine neue Sängerin. Bei der Hochzeit einer Freundin auf einem badischen Weingut soll Winzertochter Nina (Cristina do Rego) den Part übernehmen. Weil sie aber vor Aufregung keinen Ton rauskriegt, muss kurzerhand ihre ältere Schwester Laura (Inez Bjørg David) einspringen – ein Stern geht auf.
Ganz so einfach macht es sich Brée aber doch nicht. Außerdem muss Laura ja auch noch die Liebe finden, und deshalb wird’s jetzt ein bisschen kompliziert. Nina, die das Leben auf dem Weingut schon lange satt hat, will sich die Chance auf die Gesangskarriere trotz des Aussetzers nicht entgehen lassen. Sie nutzt eine günstige Gelegenheit, als Sunny mit einigem Alkohol im Blut einen Autounfall verursacht, bei dem Laura verletzt wird: Weil sein Agent Vincent (Maxim Mehmet) die Idee hat, dass Beifahrerin Nina die Schuld an dem Unfall auf sich nehmen soll, hat sie die beiden nun in der Hand. Die Lüge ist außerdem der Regelverstoß, der in Liebesgeschichten gern dafür sorgt, dass sich zwischen den Liebenden vor Beginn des dritten Akts eine tiefe Kluft auftut. Bevor es soweit ist, müssen sich Laura und Vincent aber natürlich erst einmal näherkommen. Deshalb besinnt sich der Agent seines eigenen musikalischen Traums, und als er entdeckt, dass Laura nicht nur eine schöne Stimme hat, sondern auch schöne Lieder schreibt, steht dem gemeinsamen Glück sowie einem Auftritt beim Duettwettbewerb nichts mehr im Wege; bis auf die Lüge.
Es gab schon deutlich düsterere Abrechnungen mit dem Showgeschäft. Das Gewerbe kommt hier vergleichsweise glimpflich davon, zumal sich die Antipathien auf Sunny konzentrieren. Vincent wird weitgehend verschont, damit Lauras Zuneigung plausibel ist. Sunny bleibt dagegen als Figur eher oberflächlich und eindimensional: Buch und Regie (Wolfgang Eißler) reduzieren den sarkastischen Sänger auf die Figur des gockeligen Gegenspielers, der zwar nicht kokst, aber nach dem Sex mit Nina ein Selfie macht; ohne Nina. Viel zu schlicht gestrickt ist auch die Rolle für Cristina do Rego, die ihr Potenzial zuletzt unter anderem in der Sat-1-Komödie „Rockstars zähmt man nicht“ ausschöpfen konnte und regelmäßig für Glanz in den „Schnitzel“-Filmen mit Armin Rohde & Ludger Pistor oder der „Frühlings“-Reihe sorgt. Warum sich Nina seit Jahren Hoffnungen auf eine Karriere als Sängerin macht, bleibt ein Rätsel, denn als sie im Studio einen Song aufnehmen soll, klingt das ziemlich schief. Do Rego singt nach eigener Aussage „wahnsinnig gern“, aber offenbar eher für den Hausgebrauch. Dennoch ist es gar nicht so leicht, absichtlich krumme Töne zu produzieren; dafür gebührt ihr echter Respekt. Maxim Mehmet ist ebenfalls Musiker, lässt der Kollegin auf der Bühne gesanglich jedoch den Vortritt: Die gebürtige Dänin Inez Bjørg David hat eine überraschend gute Gesangsstimme und früher gemeinsam mit ihrer in Skandinavien recht populären Schwester, der Sängerin Anna David, gemeinsam Musik gemacht. Die Begeisterungsstürme beim Wettbewerb sind trotzdem nicht recht nachzuvollziehen, zumal das Lied niemanden umhauen wird. Seltsam auch, dass das Duo anscheinend kaum zu proben braucht.
Regisseur Wolfgang Eißler hat nach seinem Debüt „Berlin am Meer“ (2008) vorwiegend für die ZDF-Reihe „Löwenzahn“ gearbeitet und einige ARD-Märchen inszeniert, die sich unter anderem durch die gute Führung der Darsteller auszeichneten. Daran knüpft er mit „Wenn’s um Liebe geht“ in jeder Hinsicht an: Inez Bjørg David hat die weibliche Hauptrolle in „Die zertanzten Schuhe“ (2011) gespielt, Maxim Mehmet den Prinzen in „Die kluge Bauerntochter“ (2010); für diesen Film wurde Eißler mit dem Robert-Geisendörfer-Preis ausgezeichnet.
Das inhaltliche Drumherum stammt ohnehin aus dem üblichen Baukasten solcher Geschichten: Der Vater (Peter Sattmann) der Schwestern ist ein verbitterter Witwer und wäre mit der Arbeit auf dem Weingut überfordert, weshalb es wie Verrat wirkt, als Nina zu Sunny zieht. Vincents Mutter (Lina Wendel) ist ebenfalls alleinstehend und klaglos bereit, einzuspringen, damit sich Laura auf den Wettbewerb vorbereiten kann. Andererseits wird für einen Musikfilm erstaunlich wenig gesungen. Der Film bezieht seine Spannung letztlich aus der Frage, ob sich die schüchterne Laura, die Vincent mehrmals zu- und wieder absagt, doch noch zur Teilnahme am „Duett für Europa“ durchringen kann. Weil die Handlung also eher überschaubar ist, hat Kameramann Jonas Schmager zum Ausgleich für viele schöne Bilder gesorgt. „Wenn’s um Liebe geht“ – die Arbeitstitel lauteten „Liebe wird aus Herz gemacht“ und „Wachgeküsst“ – ist im Oktober und November 2018 rund um Baden-Baden entstanden, weshalb es viele Morgenbilder mit Nebel von den Weinbergen in der Ortenau und dem nördlichen Schwarzwald gibt. Sonnenauf- oder untergänge gehören ohnehin zu den üblichen Versatzstücken solcher Produktionen, und auch die Innenaufnahmen wirken gern, als scheine eine tief stehende Sonne in die Räume. Die Anmutung signalisiert gemeinsam mit der sanften Musik (viel akustische Gitarre und Klavier) und der in freundlichen warmen Farben gehaltenen Ausstattung gerade in den Szenen auf dem Weingut viel Wohlbehagen, weshalb auch ein kleiner Kollaps von Vater Paul nicht weiter ins Gewicht fällt. (Text-Stand: 4.6.2019)