Endlich haben Doris (Jutta Speidel) und Simon (Harald Krassnitzer) mehr Zeit für einander. Ihre Firma haben sie ihrem Sohn Mike übergeben. Jetzt muss das Paar nur noch einen gemeinsamen Nenner für die neue Lebensphase finden: Denn – so nahe sich die beiden auch sind – Doris will etwas von der Welt sehen, will reisen, während es Simon vor allem in seine geliebten Berge zieht. Die Karten ihrer Beziehung werden neu gemischt, als Doris den Arzt und Abenteurer Johannes (Peter Kremer) kennenlernt. Sein Hilfsprojekt für Peru fasziniert sie genauso wie dieser charmante, selbstgewisse Mann. Und der sagt bald, was Sache ist: Er hat sich verliebt – und er möchte, dass sie ihn bei seinem nächsten Südamerika-Trip begleitet. Doris ist hin und her gerissen. Auch sie muss sich eingestehen, dass es bei ihr mehr als das Gefühl von Verliebtheit ist. Aber sie liebt auch ihren Ehemann und ihr gemeinsames Leben in Bayern. Als sie dem ihre Situation beichtet, reagiert der anders als erwartet. „Finde heraus, ob du mit diesem Mann ein neues Leben anfangen willst“, rät er ihr. Seine Gefühle behält er vorerst für sich. Dann möchte Simon seltsamerweise seinen „Nebenbuhler“ kennenlernen. Er will wissen, wer dieser Mann ist, der vielleicht mit seiner Frau weggehen wird.
Was Selbstverantwortung und Achtsamkeit in einer langjährigen Beziehung, ja was vielleicht sogar „Liebe“ bedeutet – davon erzählt der bemerkenswerte Sonntags-Fernsehfilm im ZDF, „Wenn es Liebe ist“. Dafür Sorge tragen, dass es dem Menschen, den man von Herzen gern hat, gut geht – mit diesem Liebeskonzept dürfte die Drehbuchautorin Dominique Lorenz („Sturköpfe“) so manchen „Herzkino“-Zuschauer verwirren. „Ich könnte nicht aushalten, dass dich das hier mit mir nicht mehr glücklich macht“, sagt der wunderbar lebensklug und milde leidend von Harald Krassnitzer gespielte Ehemann. Die noch unentschiedene Frau hätte lieber einen Gefühlsausbruch von ihm gesehen oder einen jener Verzweiflungssätze wie „Ich kann ohne dich nicht leben“ oder „Bleib bei mir“ gehört, mit denen „betrogene“ Partner noch einmal ihre Machtposition auszutesten versuchen. Und sie fragt sich, warum kämpft der nicht um mich (wie es das Klischee in solchen Situation verlangt)? Später schiebt die Ehefrau, die Jutta Speidel anfangs sehr lebendig und später reich an nachdenklichen Zwischentönen verkörpert, ihrem Mann sogar noch die Verantwortung zu für ihr eigenes Handeln: „Wenn du jetzt sagst, ‚bitte bleib’, dann ist alles entschieden, dann seh’ ich ihn nie wieder.“ Ist das die Frau, die ihrer Tochter ständig Nachhilfe in Frauenemanzipation gibt?! Der Ehemann findet die richtige Antwort für ein Paar, das seit über 30 Jahren zusammenlebt: „Steh’ zu dem, was du da machst, aber trag’ bitte auch die Konsequenzen mit allem, was dazu gehört.“
Foto: ZDF / Jacqueline Krause-Burberg
Endlich mal (wieder) ein erwachsener Liebesfilm am Sonntag im ZDF. Endlich ein Film, der von etwas anderem erzählt als der immergleichen Idealisierung des Liebesobjekts und der der egoistisch-reaktionären Romantik ein aufgeklärtes Bild von Zweisamkeit entgegensetzt. Endlich ein Film, für den das Label „Herzkino“ besser passt als für all die Schweden-, Cornwall- oder New-York-Romanzen, bei denen sich die Autoren zunehmend aus der Verantwortung in Sachen Liebe stehlen, indem sie sich wild durch alle möglichen Genres, Uraltkonflikte und Zeitgeistphänomene plotten – und das am Ende für modern und zeitgemäß halten. So wie die männliche Hauptfigur, so ruht „Wenn es Liebe ist“ ganz in sich. Der Film koppelt „Liebe“ an eine konkrete Lebensphase, den Traum vom Ruhestand, und trifft damit einen zentralen Punkt des Phänomens, das andere „Herzkino“-Filme lieber in Schlager-Manier verklären oder dramaturgisch auf die Schmetterlinge-im-Bauch-Phase verkürzen.
Das alles hat selbstredend auch etwas damit zu tun, wie der Mainstream dieses Thema sieht. Wer mitten im Leben steht, wer in der modernen Alltagswelt funktionieren muss, der verwechselt schon mal gern Beziehung mit einem Tauschhandelsgeschäft. Eine solch konsequente Haltung und Innerlichkeit, wie sie die Krassnitzer-Figur in Bezug auf die Philosophie der Liebe an den Tag legt, ist ein Privileg des Alters. Es ist interessant zu sehen, wie die erwachsenen Kinder des reifen Paares auf die „Ehekrise“ reagieren. Sie sehen offenbar nur den eigenen Verlust (Mutti kann nicht mehr bei der Kinderbetreuung helfen), „reagieren extrem spießig“ (Speidel) und können oder wollen sich gar nicht in die Situation ihrer Eltern hineinversetzen. Wenngleich da natürlich auch die Dramaturgie ein Wörtchen mitredet, so bewegt sich auch in dieser Hinsicht diese beispielhafte Geschichte nah am gelebten Familienalltag, in dem sich die Elterngeneration mehr Freiheit erlauben kann bzw. könnte. Ob sie’s tut, ist die Frage. Umso wichtiger, dass es Filme gibt wie „Wenn es Liebe ist“, der all diese Problemlagen auf entspannte Art und Weise zur Sprache bringt, der mit einer idealen Besetzung diesen vermeintlichen Allerweltskonflikt ebenso sinnhaft wie sinnlich erzählt und ihm mit klaren, einfachen, aber nie simplen Metaphern anschaulich Nachhaltigkeit verleiht. Und wenn sich die Ehepartner immer wieder irgendwo in ihrem Haus im Zwielicht gegenübersitzen, hat man als Zuschauer dank der präzisen Dialogsätze und dank Speidel, Krassnitzer und beider traumwandlerisch sicherer Politik der Blicke und Pausen das Gefühl, bis auf den seelischen Grund der jeweiligen Situation sehen zu können. Große Momente.
Foto: ZDF Jacqueline Krause-Burberg