Peter ist anders als die anderen in seiner Familie. Er ist ein Einzelgänger, ein Künstler-Typ, und er arbeitet am Theater als Bühnenbildner. Er wohnt auf einem Hausboot, fährt einen 60er-Jahre Citroen und – obwohl er einmal Frau und Kind hatte – träumte er nie den Traum vom Familienglück. Als er zum Geburtstag seines Vaters mal wieder gute Miene zum üblichen Spiel machen will, steht plötzlich sein Sohn vor ihm. Acht Jahre hatte er keinen Kontakt mehr zu Lukas. Jetzt hat der alte Herr die Sache selbst in die Hand genommen. Peter fühlt sich überrumpelt – und lässt seinen verunsicherten Sohn stehen. Die Familie ist aufgebracht – und Peter spürt, dass er handeln muss. Der fast 50-Jährige, der nie seine Verantwortung als Vater wirklich angenommen hat, will endlich seinen mittlerweile 18-jährigen Sohn kennenlernen. Die Zeit wird knapp. Peter ist schwer krank, will sich aber nicht behandeln lassen. Und niemand – weder seine Freundin noch Lukas noch seine Familie – soll etwas davon erfahren.
Der ZDF-Fernsehfilm „Wenn es am schönsten ist“ erzählt eine doppelte Vater-Sohn-Geschichte. Der Held hat sich noch immer nicht freigeschwommen von seinem übermächtigen Vater, der so ganz andere Werte vertritt und doch in einer Sache nicht ganz Unrecht hat. Das weiß die Hauptfigur auch – was die Wut auf den alten Patriarchen nur noch steigert. Und jener Peter weiß auch, dass sein Sohn Lukas derjenige ist, der so gar nichts dafür kann, dass sich sein Vater die letzten Jahre noch immer an seinem Erzeuger abgearbeitet hat, anstatt sich um ihn zu kümmern, und dafür, dass Lukas’ Mutter versucht hat, nach der Trennung den Kontakt zwischen Peter und ihm zu unterbinden. Trotz schwierigem Start kommen sich die beiden näher. Jeder ist glücklich darüber, Gemeinsamkeiten, die man mit dem anderen teilt, festzustellen. Wie einst Peter spielt auch der Junge Klavier – und er will seine Leidenschaft zum Beruf machen. Doch als Lukas durch Zufall von der Krankheit seines Vaters erfährt, bricht erneut ein Teil seiner Welt zusammen. Auf diesen Vater ist tatsächlich kein Verlass: zuerst ist er da, dann lange fort, dann kommt er wieder, um schließlich für immer abzutreten… Der Junge ist völlig verstört, weiß nicht mehr, was er denken soll.
Die Autorin Astrid Ruppert zeichnet nicht nur ein spannendes Porträt eines Unangepassten, wobei sie die Schwachstellen seines Individualismus’ durchaus ausleuchtet und biographisch grundiert, sie nimmt auch die Lage ernst, in der sich der nach seinen Wurzeln suchende junge Mann befindet. Hin und her gerissen zwischen dem, was er von seiner Mutter erfährt, die sich jahrelang liebevoll um ihn gekümmert hat, und dem, was er bei seinem Vater alles entdeckt an Reizvollem aber auch Irritierendem, tritt er die Reise ins Erwachsenwerden, den Weg in die eigene Identität, sehr viel früher an als sein Erzeuger. Auch wenn es ein, zwei Szenen gibt, in denen die Figuren, insbesondere die in der zweiten Reihe, vielleicht etwas zu rhetorisch ihre Wertvorstellungen zum Besten geben, verkneift sich die Geschichte jegliche Botschaften. Sie kreist vielmehr um einige Themenfelder und macht dem Zuschauer Angebote: Die Geschichte erzählt vom Leben und Sterben in einem Zustand höchster Selbstbestimmung, sie zeigt Familie in all ihren emotionalen Facetten, und sie bringt die mögliche Entfremdung zwischen Kind und einem der Elternteile nach deren Trennung zur Sprache. So wie die Autorin die Problemlagen unaufdringlich ineinander webt, so finden der österreichische Regisseur Johannes Fabrick (Grimme-Preis für „Der letzte schöne Tag“) und sein kreatives Team eine Bildsprache und einen Erzählrhythmus, die den Zuschauer als ähnlich selbstbestimmt begreifen wie die von Heino Ferch gespielte Hauptfigur. Die kontemplativen Bilder sind Stimmungsbilder, und sie sind zugleich Projektionsflächen für das Erzählte – und sie bieten dem Betrachter Zeit an, um über das Gesehene hier und jetzt nachzudenken.
Es sticht immer wieder ins Auge, wie formvollendet die Szenen(wechsel) und Einstellungen im Detail gearbeitet sind. Beispielsweise der Einstieg: Auto, Straße, Brücke, Himmel, vier Einstellungen, bizarre Formen – 22 Sekunden und schon ist man in der Stimmung des Films. Oder die erste Szene: Der verlorene Sohn kehrt heim; die Anderen, die liebe Familie, wartet schon. Der Held dringt widerwillig ein in die ihm fremde Welt. Vieles von dem, was die Geschichte emotional im Großen erzählt, nimmt diese eindrucksvoll aufgelöste Szene vorweg. Zentrales Motiv ist der Himmel – als Metapher im Kunstraum Theater, als Traumbild vom Glück („Das ist der Himmel für Erwachsene“) oder als jenseitiger Sehnsuchts-Ort.
Es wird viel geweint in „Wenn es am schönsten ist“. Die Tränen werden aber nicht zum Heulreflex für den Zuschauer; dafür ist der Film zu perspektivenreich, zu beobachtend, zu strukturiert erzählt. Ins Auge fallen immer wieder die für einen Fernsehfilm extremen Wechsel zwischen psychologisch intensiven Naheinstellungen und atmosphärischen Totalen. Heino Ferch bewegt sich in diesem visuellen Konzept ähnlich souverän wie als Polizeipsychologe Brock in der Krimi-Reihe „Spuren des Bösen“. Ferch, viel zu oft in historischen Rollen zum Kleiderständer gemacht, ist am besten, wenn er mit knapper Gestik und kleinsten mimischen Nuancen innere Zustände markiert. Max Hegewald, preiswürdig bereits in der Siegfried-Lenz-Verfilmung „Arnes Nachlass“, steht seinem erfahrenen Kollegen kaum nach. Sein Gesicht hält dem Drama stand. Keine Schnitte verwässern die Konflikte. Sie werden ausagiert – bis es wehtut. Ihr letztes Duett, der Vater und sein Sohn, sich so nah wie noch nie, zwei Gesichter, groß füllen sie den Bildschirm. Bilder, die in Erinnerung bleiben. Dazu ein Satz, der unter die Haut geht: „Und wenn ich von drüben – wie auch immer das aussieht – mit meiner Liebe irgendetwas für dich tun kann, sei dir sicher, ich tu’s.“ (Text-Stand: 9.8.2014)