Fünf Paare buchen ein Wochenende in einem Wasserschloss, Therapie inklusive. Schon beim Einchecken kommt es zu Irritationen, weil nicht jeder weiß, dass er gleich „nur mal reinschauen“ soll in die Beziehung, wie es Therese Pönsgen (Anke Engelke) ausdrückt. Ihren Freund Thomas Leber spielt Sebastian Blomberg, dem als Reaktion auf diese Überraschung ein erstaunlicher Satz einfällt: „Ich habe schon jetzt einen Geschmack auf der Zunge, der nach altem Pfirsich schmeckt.“ Im Therapie-Gespräch erfährt man, dass Therese (50) ein erfolgreiches Catering-Unternehmen führt. „Was sie anfasst, wird Gold“, sagt Lebensmittel-Fotograf Thomas (44), der sich selbst abfällig als „Produktnutte“ beschreibt. Engelke und Blomberg spielen eher kontrollierte, kopflastige Schickeria-Typen, doch in der Sitzung stellen sich Momente großer Nähe ein. Wohl auch, weil Blomberg ihrer gemeinsamen Geschichte eine überraschende Wendung gibt.
Autor-Regisseur Jan Georg Schütte (im Film als Hotelmanager zu sehen) entwickelte vor den Dreharbeiten mit den Schauspielern die Figuren, brachte aber in Einzelgesprächen persönliche Geheimnisse ins Spiel, so dass die jeweiligen Partner nicht auf alle Details vorbereitet waren. Schütte erläutert: „Ankes Job war ja eigentlich, sich von ihrem jüngeren Partner vorbeugend zu trennen, weil sie denkt, dass er sie sowieso früher oder später verlassen wird. Irrsinniger Weise hat Sebastian Blomberg das früh herausgefunden und Anke mit so viel Liebe überhäuft, dass sie das mit der Trennung nicht mehr hinbekommen hat und die Geschichte in eine ganz andere Richtung gegangen ist.“ Schütte hatte mit dem vielfach preisgekrönten „Altersglühen – Speed-Dating für Senioren“ bewiesen, dass man mit (gut vorbereiteter) Improvisation auch im Fernsehen erfolgreich sein kann – bei Publikum und Kritik. Völlig neu war das nicht: Anke Engelke zum Beispiel hatte schon 2003 Preise für ihr „Blind Date“ mit Olli Dittrich abgeräumt. Nun ist sie auch in Schüttes Folgeprojekt „Wellness für Paare“ dabei, und die gemeinsame Therapie mit dem fabelhaften Blomberg zählt zu den Höhepunkten des Fernsehfilms.
Diesmal geht es um die Beziehungsprobleme von Paaren um die 40 und 50. Es geht um den Wunsch, Kinder zu bekommen. Um die geheime Sehnsucht nach sexuellen Abenteuern. Oder um verborgene Affären, die nach langer Zeit ans Tageslicht kommen. Im Vergleich zum Speed-Dating, bei dem in einem einzigen Raum gedreht wurde, war die logistische Herausforderung deutlich größer. Gedreht wurde mit 21 Kameraleuten an zwei Tagen im Foyer, in den einzelnen Hotelzimmern, bei der Therapie, beim gemeinsamen Abendessen und überhaupt auf dem ganzen Schloss-Gelände: Anneke Kim Sarnau springt samt Klamotten in den Wassergraben, Gabriela Maria Schmeide steigt ins Ruderboot, Katharina Marie Schubert rennt in den Wald und wird dort von Martin Brambach gesucht. Es geht buchstäblich weiträumiger, aber nicht unbedingt dynamischer zu, denn im Vergleich zum „Altersglühen“ fehlt der schnelle Paar-Wechsel und die kribbelige Atmosphäre des ersten Kennenlernens. Auch deswegen wirkt „Wellness für Paare“ nicht ganz so dicht und abwechslungsreich.
Außerdem bleiben die drei Therapeuten – zwei Männer und eine Frau, die zum Teil Schauspieler sind und alle eine Therapeuten-Ausbildung haben – ziemlich blass. Sie haben’s aber auch nicht leicht in diesem selbstbewussten, spielfreudigen Ensemble. Wenn sie denn zu Wort kommen, fallen meist Standard-Sätze wie: „Versuchen Sie zu formulieren, was Ihnen eigentlich auf dem Herzen liegt.“ Die Interaktion mit den Schauspielern kommt schwer in Gang. Manchmal scheint es aber auch so, als müssten die Therapeuten die Darsteller in die richtige Richtung lenken, weil es nicht wie gewünscht vorangeht. So sagt Benedikt Esser (Martin Horn) nach einer Weile zu Kasa Truskiewicz (Magdalena Boczarska): „In unserem Vorgespräch hat mir ihr Partner gesagt, dass er pleite ist. Und er hat Angst, sie zu verlieren.“ Die Polin Kasa hat die Mutter von Jan Erik Schult (Devid Striesow) gepflegt. Nun wird sie während der Therapiesitzung von einem Heiratsantrag überrascht.
Dass es mal hakt und nicht so perfekt läuft, ist allerdings auch der Reiz bei einer Improvisation, bei der es zwar gewisse Absprachen, aber kein Drehbuch mit ausformulierten Dialogen gibt. Den Freiraum nutzt das Ensemble auf unterschiedliche Weise. Mit geradezu unbändiger Energie gehen Martin Brambach und Katharina Marie Schubert miteinander in den Ring. Dirk Krakow und Maren Schnettler sind ein temperamentvolles Paar mit Hang zum Ordinären, zu pausenlosem Geschnatter, schlechtem Outfit und schlechten Witzen. Sie wünscht sich unbedingt Kinder, er macht dabei nur widerwillig mit, ohne dies seiner Partnerin einzugestehen. In der Therapiesitzung kommt es zur Explosion, Maren rennt davon. Dirk begibt sich auf die Suche und kommt dabei mehrfach Nina (Anneke Kim Sarnau) und Malte Hell (Bjarne Mädel) in die Quere, die nach ihrer Therapiesitzung beschlossen haben, an verschiedenen Orten etwas gegen die Langeweile in ihrem Sexualleben zu tun. Sehr komisch, wie sich die Geschichten kreuzen – davon hätte man gerne mehr gesehen. Und sehr schön, wie ernsthaft und ohne jeden Anflug von Lächerlichkeit Bjarne Mädel den sanften Pädagogen gibt und damit die durch „Tatortreiniger“ Schotty und Hengasch-Faultier Dietmar („Mord mit Aussicht“) geschürte Erwartungshaltung des Publikums gerade nicht bedient.
Bleiben noch Michaela (Gabriela Maria Schmeide) und Heinz Peter Ellerbrock (Michael Wittenborn), der seiner Frau gesteht, vor 20 Jahren eine Affäre gehabt zu haben. Wie Schmeide die Wut und den verletzten Stolz einer Frau im gehobenen Alter zum Ausdruck bringt, gehört ebenfalls zu den besonderen Momenten des Films. Wittenborn treibt die unverhoffte Ehe-Krise mal auf die Fensterbank, mal in den Kleiderschrank. Und nicht zuletzt: „Wellness für Paare“ behält trotz des einen oder anderen Hängers Leichtigkeit und Humor – dank Schütte und Cutter Ulf Albert, die das 111-stündige Material zu diesem 90-Minüter montiert und verdichtet haben. Die Dreharbeiten einer filmischen Improvisation sind kurz, der Film selbst entsteht erst in der Nachbearbeitung. (Text-Stand: 28.10.2016)