Ein überqualifizierter Trainer übernimmt eine bunt zusammengewürfelte Außenseitertruppe und führt sie gegen alle Wahrscheinlichkeit zum Titel: Das beliebte Sportfilmsujet gibt es längst auch in anderen Genres. „Weil wir Champions sind“ erinnert stark an die äußerst unterhaltsame Sat-1-Komödie „Die Mongolettes – Wir wollen rocken!“ (2012), aber das Drehbuch basiert auf dem spanischen Kinofilm „Campeones“ (2018). Die Handlung ist rasch skizziert: Ein kommender Star-Trainer verliert seinen Job in der Basketball-Bundesliga, weil er mit Alkohol im Blut ein Polizeiauto gerammt hat. Die Richterin verdonnert ihn zu Sozialstunden, die er bei einem Team geistig behinderter junger Männer absolvieren soll. Auch ohne die Kenntnis von Sportfilmvorbildern wie „Schlappschuss“ (1977) von George Roy Hill ist klar, wie die Geschichte weitergeht: Andreas Ellgut hat überhaupt keinen Bock auf den Job, zumal die Jungs komplett untalentiert sind und nicht mal die simpelsten Basketball-Basics beherrschen. Das ändert sich, als sich der Coach auf die Truppe einlässt und die Teammitglieder besser kennen lernt. Als die Mannschaft dann auch noch durch eine Zaubermaus verstärkt wird, beginnt ein unerwarteter Höhenflug.
Foto: RTL / Constantin / Trambow
Natürlich ist die eigentliche Geschichte nicht der sportliche Erfolg, sondern die Läuterung des Trainers, der selbst zwar ständig Disziplin predigt, sich durch seine Unbeherrschtheit aber um alle Sympathien bringt. Wotan Wilke Möhring ist genau der richtige Typ für die Rolle, weil er den übertriebenen Ehrgeiz ebenso glaubwürdig verkörpert wie den allmählichen Sinneswandel. Für diese Metamorphose steht das Verhältnis Ellguts zu seinem Sohn: Daniel (Ben Münchow), Schauspieler ohne Engagement, hat die Erwartungen seines Erzeugers nie erfüllen können. Andererseits hat Andreas die Ambitionen offenbar ohnehin nie ernst genommen; das einzige Mal, dass er Daniel auf der Bühne gesehen hat, war in der fünften Klasse. Immerhin ist ihm klar, dass er als Vater versagt hat. Weil er das nicht noch einmal erleben will, ist seine Beziehung in die Brüche gegangen: Freundin Pia (Katharina Schüttler) will ein Kind, er nicht; also hat sie ihn vor die Tür gesetzt.
Diese private Ebene bildet jedoch nur eine Art Hintergrundrauschen. Viel mehr Zeit widmet das Drehbuch (Olivier Philipp, Andreas Fuhrmann) dem sportlichen Teil, hier liegt die eigentliche Stärke von Christoph Schnees Inszenierung. Das hat natürlich auch mit seiner Führung des grandiosen Ensembles zu tun, aber vor allem mit der gelungenen Gratwanderung: Die Trainingsszenen sind ein großes Vergnügen, doch der Film macht sich nie über die Spieler lustig, zumal die meisten Scherze ohnehin auf Kosten des Trainers gehen. Besondere Anerkennung gebührt dem Casting (Iris Baumüller): Die Mitwirkenden sind monatelang in Behindertenwerkstätten, Sportvereinen und inklusiven Theatergruppen gesucht worden. Die herausragende Qualität von „Weil wir Champions sind“ besteht darin, die Spieler nicht über ihre jeweilige Behinderung zu definieren, sondern über ihre völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten. Deshalb erwächst die Zuneigung zu den Figuren auch nicht aus Mitgefühl, zumal es dafür überhaupt keinen Grund gibt: Die jungen Männer kommen besser mit ihrem Leben klar als der Coach. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang der trockene Humor. Die Gags mögen schlicht sein und meist aus Missverständnissen resultieren, weil die Mannschaft weder Metaphern noch Ironie kapiert, aber sie sind nichtsdestotrotz sehr lustig.
Foto: RTL / Constantin / Trambow
Jedes einzelne Ensemblemitglied hätte eine besondere Würdigung verdient, zumal sie alle zum ersten Mal vor einer Kamera standen; in diesem Film ist tatsächlich die Mannschaft der Star. Antonia Riet sticht als einzige Frau in der Gruppe allerdings zwangsläufig heraus: Die kleine Krafzyk hebt das Team sportlich auf eine höhere Stufe, und das nicht nur wegen ihrer eigenwilligen Methode, den gegnerischen Spielmacher zu neutralisieren. Dem Film tut die Rolle ebenfalls gut, weil Krafzyk dem Trainer frech die Stirn bietet; mit ihrer Neigung zu Kraftausdrücken bereichert sie außerdem den Dialogwitz um eine verbalbrachiale Komponente. Ähnlich wie „Die Mongolettes“ gibt es auch hier reichlich Gelegenheit für feinfühlige Gemüter, Anstoß zu nehmen, denn der ignorante Coach, der „nur mit normalen Spielern“ arbeiten kann, ist bei seiner Wortwahl nicht zimperlich; die entsprechenden Belehrungen („Was ist schon normal?“) kommen zum Glück nicht als Merksatz daher.
Soundtrack: Gregory Finley Jr. & Chris Harris („Roc With Me”), Jan Loechel („All I Want“, „Still Here“), Gilde Flores Feat. David Morgan („My Moment”), Henning Wehland („Weil wir Champions sind”)
Respekt verdienen neben dem Ensemble sowie Christoph Schnee, selbst Vater eines Sohnes mit Down-Syndrom, auch die RTL-Familie sowie Constantin Television. „Campeones“ war zwar mit über drei Millionen verkauften Eintrittskarten der erfolgreichste spanische Kinofilm des Jahres 2018, weshalb das Risiko eines Transfers ins Deutsche kalkulierbar war, aber die meisten Mitwirkenden brauchten eine besondere Betreuung, und auch die Dreharbeiten dauerten deutlich länger als sonst; dass sich ein Sender und eine Produktionsfirma darauf einlassen, ist in der Tat nicht normal. Schnee wiederum setzt mit dem Film seinen persönlichen Höhenflug der letzten Jahre fort: Seine Tragikomödie „Goldjungs“ (2021) über die historische Pleite der Kölner Herstatt-Bank war eine vergnügliche Zeitreise in die Siebziger, „Matze, Kebab und Sauerkraut“ (2020) eine mitreißende romantische Multikulti-Komödie über einen Juden und einen Moslem, die sich in eine Christin verlieben, und „Größer als im Fernsehen“ (2019) ein heiteres Märchen mit viel Tiefgang. (Text-Stand: 20.3.2022)