Es war Liebe auf den ersten Blick. Vor elf Jahren in einer Kunstgalerie in Lissabon redete sich Eva um Kopf und Kragen, weil dieser Mann irgendetwas in ihr wachrief. Sie philosophierte über das Thema einer Fotografie: über Leidenschaft, ausgerechnet sie, eine Deutsche. Der portugiesische Fotograf Luis war schwer beeindruckt – und dann dieser letzte Blick, „das war kein Abschied“, war sich Eva sicher. Trotz ihres Bernie und trotz der Frau am Arm des schönen Südländers. Und so macht sie sich wenige Tage später auf die Suche nach dem Mann, der die vermeintliche Liebe ihres Lebens ist. Sie findet ihn – und beide kultivieren ihren ersten Blick zu einer leidenschaftlichen Liebe. Lissabon und die Warmherzigkeit von Luis’ Eltern tragen mit dazu bei, dass Eva ihre Heimat nicht vermisst, die Pille „vergisst“ und sie bald zu dritt sind. Ging alles zu schnell, um das Glück der beiden langfristig zu konservieren? Hat Evas private Leidenschaft dem Künstler seine beruflichen Träume genommen? Hat sie zu viel auf diese Beziehung projiziert und zu viele eigene Probleme auf die Liebe abgeladen? Am zehnten Hochzeitstag jedenfalls stehen die beiden vor den Trümmern ihrer Ehe.
Foto: Sat 1 / Jaoa Tuna
„Weil ich dich liebe“ ist kein klassischer Liebesfilm, eher ein Film über die Liebe, über die Phasen, die ein junges Paar durchlebt, das zwar eine große Leidenschaft mitbringt, aber von den Unwägbarkeiten des Alltags bald nicht verschont bleibt. Die brotlose Fotokunst des Gatten nährt anfangs die Familie nur unzureichend. Als sich dann der Mann endlich seiner Verantwortung stellt, seine berufliche Passion aufgibt, stimmen zwar bald die materiellen Rahmenbedingungen für die Vater-Mutter-Sohn-Existenz, aber die klassische Rollenaufteilung und ein zwar erfolgreicher, aber ständig abwesender Ehemann/Vater bringen neue Konflikte mit sich. Weniger Beachtung als den individuellen bzw. geschlechtsspezifischen Dispositionen schenkt Drehbuchautor Christian Jeltsch dem interkulturellen Aspekt dieser Liebe. Es ist auch nicht das Verharren in traditionellen Rollenbildern, das diese Beziehung vor allem belastet. Bei der Frau sind es vornehmlich die konkreten Prägungen durch ihre Ursprungsfamilie, die Beziehungsprobleme vorprogrammieren: Alltagsmutti vs. Sonntagsvati, die gescheiterte Ehe, der Vater, der die Biege macht, die ewig frustrierte Mutter, das Opfer. In dieses Muster will die Tochter nicht verfallen – und steckt doch bald mittendrin („Ich bin der Depp, ich bin die Böse“). Dabei sollte doch der Ehemann all die Wunden auf ihrer Seele heilen. Sie will es anders machen als ihre Eltern und fängt schnell damit an, zu schnell für ihren Ehemann, den sie mit ihrem Nestbautrieb sichtlich überrumpelt. Aber jener Luis weiß, was er an Eva hat, also sagt er schließlich ja zum Kind und zu einer gemeinsamen Familie (während seine erste Reaktion war: „Willst du es etwa behalten?“). Autor Jeltsch deutet all das nur an, auch die überhöhten Erwartungen der von ihrer frustrierten Mutter so enttäuschten Heldin. Erst am Ende redet die Tochter Klartext. Bis dahin kann sich der Zuschauer selber seine Gedanken machen darüber, weshalb diese Beziehung unter keinem guten Stern zu stehen scheint.
Foto: Sat 1 / Jaoa Tuna
Der Film von Christina Schiewe („Be my Baby“) beginnt da, wo handelsübliche TV-Romanzen aufhören: beim Startschuss ins vermeintliche Glück. Und er befindet sich schnell dort, wo Ehedramen sich vorzugsweise aufhalten: bei der Zweisam-einsam-Phase. Das rasche Springen zwischen den unterschiedlichen Zeiten ihrer Beziehung wird ermöglicht durch Jeltschs clevere Erzählstrategie: Zielpunkt ist der Scheidungstermin in Lissabon und die Frage, wer das Sorgerecht bekommt. In den Stunden zuvor erinnern sich beide Partner getrennt voneinander an die gemeinsamen Jahre, die Frau vom Anfang der Beziehung her, als sie die treibende Kraft war, der Mann vom Ende her, wo er plötzlich wieder alleine dastand („weg war sie, mit meinem Sohn“). Dieses Prinzip wird zwar nicht durchgehalten, der Wechsel zwischen ihren und seinen Gedanken allerdings schon. Durch die verschiedenen Perspektiven und durch die kurzen Momente in der Gegenwart – hier Szenen, in denen die scheidungserprobte Mutter versucht, ihre Tochter auf Kampf einzustimmen, dort Szenen, in denen der trampende Ehemann einem ebenso gut gelaunten wie lebensklugen Portugiesen seine Liebes- und Leidensgeschichte erzählt – ergeben sich für den Zuschauer stets neue Blicke auf das Geschehen. Zur Trennung gehören wie zur Liebe immer zwei. Jeder hat seinen Anteil am Scheitern der Ehe. Diese Erkenntnis gehört zum Interaktions-Einmaleins moderner Paarbeziehungen. In Unterhaltungsfilmen finden solche moderaten Töne relativ selten Verwendung, da das Dramatische, der Konflikt, der Rosenkrieg vermeintlich mehr hergibt als Einsicht und Vernunft. In „Weil ich dich liebe“ gelingt es allerdings, den bald absehbaren Weg zu dieser Erkenntnis abwechslungsreich – sowohl ernsthaft als auch komisch – und insgesamt ausgesprochen unterhaltsam zu gestalten.
Foto: Sat 1 / Jaoa Tuna
Der Dramaturgie, der ein Distanz schaffendes und damit reflektierendes Moment eingeschrieben ist, begegnet auch die Inszenierung ganz auf Augenhöhe. Christina Schiewe, die erst 2014 mit ihrem viel beachteten, preisgekrönten Erstling „Be my Baby“, eine Coming-of-age-Geschichte um eine schwangere junge Frau mit Down-Syndrom, ihr Langfilm-Debüt vorlegte, findet eindrucksvolle Bilder für die Zustände einer Liebe. „Ich komm’ nie wieder von dir los, nie wieder, du bist mein Glück“, heißt es in der Eingangsszene, in der sich die Liebenden ganz nah sind, so nah, dass man nicht viel wahrnimmt von ihnen. Zwei Menschen im Rausch der Sinne. Ganz kurz nur sieht man das, was sich beide offenbar erhoff(t)en: Leidenschaft. Den Großteil des Films geht es dann allerdings um die Liebe, die Leiden schafft. Das per se sehr telegene Portugal spielt keine Rolle als Sightseeing-Objekt, sondern dient einzig und allein als sinnliche Projektionsfläche der Beziehung. Anfangs zeigt der Portugiese der Deutschen stolz seine Stadt, in der beide Spuren ihres Glücks hinterlassen, die die Ehefrau später wieder aufsucht. Ähnlich wie Autor Jeltsch begnügt sich auch Schiewe mit (oft nonverbalen) Andeutungen – und vertraut dabei ganz auf ihre vortrefflichen Schauspieler: Nach „Die Ungehorsame“ brilliert Felicitas Woll abermals in einem Sat-1-Movie, während sie von den Öffentlich-Rechtlichen zuletzt nur Klischeerollen (sechs Mal ermittelte sich für die Nele-Neuhaus-Reihe) angeboten bekam. Auf ihrem Gesicht spiegelt sich nuancenreich die Wandlung ihrer Beziehung. Renato Schuch als Ehemann überzeugt ebenso, wenngleich er nicht so viele seelische Varianten zum Ausdruck bringen muss. Einen köstlichen Sidekick gibt Vedat Erincin als der Mann, der dem Gatten sein Ohr leiht, aber nicht mit Einwürfen spart – und liefert damit einen launigen Kontrapunkt zu den miesepetrigen deutschen Frauen.
Zielt die Montage eher auf die Kopfnote, haben es einige Szenen mit der Herznote – beispielsweise das erste Aufeinandertreffen der Liebenden in spe in der Kunstgalerie oder der Besuch des jungen Glücks bei Evas künftigen Schwiegereltern; in dieser Szene spiegeln sich beiläufig die Sehnsüchte, die unbefriedigten emotionalen Bedürfnisse der (deutschen) Heldin. In den Bildern ein Äquivalent für die Seelenlage der weiblichen Hauptfigur zu finden – auch das ist eine Stärke von „Weil ich dich liebe“. Sinnlichstes Beispiel: der Luxus-Bungalow, ein goldener Käfig mit Ausblick, mitten in der portugiesischen Pampa, draußen nur Sonne, Macchie und am Horizont das Meer. Und Eva in diesem Haus, ganz allein, in der Fremde, ohne Freunde – das hat sie sich anders vorgestellt, mit ihrer Ehe, mit der Liebe… Manch einer wird sagen: Das ist „nur“ ein Liebesfilm. Aber was für einer! (Text-Stand: 23.1.2016)