Katharina Tempel (Franziska Hartmann) kann es offenbar kaum erwarten, endlich wieder die raue Luft der Straße zu schnuppern. Bereits einen Tag vor Dienstantritt bei der Hamburger Mordkommission stürzt sich die Vollblutpolizistin, die für die Stelle bei der Kripo sogar ihren besser bezahlten Innendienstjob beim LKA aufgegeben hat, an der Seite ihres Chefs Georg König (Stephan Szász) und der Kollegin für die Recherche, Dela Tahiri (Hannife Sylejmani), in ihren ersten Fall. Ein renommiertes Arzt-Ehepaar, Hans und Ulla Leitermann (Jörg Pose und Christiane von Poelnitz), ist spurlos verschwunden. Sie sind offenbar entführt worden. Die Überwachungskamera zeigt, dass der Täter in deren Haus eingebrochen ist. Es kam zu einem Kampf. Eine Lösegeldforderung gibt es jedoch nicht. Wenig später wird Leitermann auf dem eigenen Hausboot unverletzt aufgefunden. Er wurde betäubt, hat daher keine Erinnerung. Von seiner Frau fehlt nach wie vor jede Spur. Da das Paar eine Kinderwunschklinik betreibt, dessen Pränatal-Diagnostik inklusive Schwangerschaftsabbrüche ihnen viele Feinde gemacht hat, gerät bald eine Aktivistengruppe ins Visier der Kommissare. Die junge Natalie Matchevski (Alberta von Poelnitz) ist momentan die einzige Ansprechpartnerin der Gruppe; alle anderen Abtreibungsgegner befinden sich offenbar auf Reisen. Allerdings wurde der Transporter des Vereins am Haus der Leitermanns gesichtet. Könnte Natalies vorbestrafter Vater Nico (André Szymanski) etwas mit der Entführung zu tun haben?
Foto: ZDF / Georges Pauly
Mit „Was wir verbergen“ geht eine potenzielle neue Krimi-Reihe als ZDF/Arte-Koproduktion an den Start. Die Hauptrolle, Katharina Tempel, spielt Franziska Hartmann. Seit Jahren stellt sich die Frage, ob wirklich jede Schauspielergröße hierzulande, ob 35 oder 65 Jahre alt, die Hauptrolle in einer Krimi-Reihe übernehmen muss. Da die Nicht-Krimistoffe Jahr für Jahr abnehmen, ist dieses Phänomen von Schauspielerseite aus verständlich. Und traurig, aber wahr: Während jeder Krimi problemlos sechs bis acht Millionen Zuschauer holt und Publikumslieblinge wie „Nord bei Nordwest“ oder „Nord Nord Mord“ in Corona-Zeiten an der Zehn-Millionen-Marke gekratzt haben, besteht bereits Grund zum Jubeln, wenn ein schweres, anspruchsvolles TV-Drama wie „Kalt“ es auf über vier Millionen Zuschauer bringt. Franziska Hartmann, die auch in diesem Ausnahme-Fernsehfilm die Hauptrolle spielt, hat keinen Grund zu klagen. Sie ist seit vier Jahre neben Verena Altenberger nicht nur die interessanteste Schauspielerin ihres Alters, sondern sie ist auch gut im Geschäft. Sie veredelt auch in kleinen Rollen jeden Film. Zurzeit aber sind nur noch Hauptrollen angesagt: So führt sie als heimgekehrte Berufssoldatin die illustre Frauenriege um Mina Tander, Peri Baumeister und Anneke Kim Sarnau in der sehr starken Drama-Serie „Neuland“ an.
Warum nun also auch Franziska Hartmann als Kommissarin? fragt sich der Kritiker. Nach Sichtung des Films rückt die Frage deutlich in den Hintergrund. „Was wir verbergen“ ist der vielversprechendste Auftakt aller neuen ZDF-Krimi-Reihen der letzten drei, vier Jahre. Der trotz seiner Geradlinigkeit unauffällig atmosphärisch inszenierte Film von Francis Meletzky („Aenne Burda“, „Lotte Jäger und die Tote im Dorf“) nach dem Drehbuch von Elke Rössler (drei „Ella Schön“-Episoden) beginnt mit einer Thriller-Ausgangssituation, nimmt einen Verlauf als wohl temperierter Ermittlerkrimi, der die Fakten des Verbrechens flott und knackig verbal auf den Punkt bringt, der die wichtigsten Fragen stellt, um die Handlung voranzutreiben und um die Orientierung des Zuschauers zu sichern. Neben dem Krimiplot verläuft auch eine Drama-Spur, die lange Zeit – anders als in vielen anderen Krimi-Dramen, in denen Familien- und Beziehungsgeschichten über die kriminalistische Handlung dominieren – im Verborgenen bleibt. Mal ein banger Blick, ein kurzer Schreck sind die einzigen Vorboten, umso heftiger und äußerst schockhaft vermittelt sich nach 65 Filmminuten der erste Moment der bitteren Wahrheit. Davor fragt man sich als Zuschauer allenfalls: Was für eine seltsame Beziehung haben da die junge Abtreibungsgegnerin und ihr obdachloser Vater? Weshalb lässt der Chef Kollegin Tempel allein mit dem merkwürdigen Doktor den düsteren Keller inspizieren (wobei die beiden eine noch merkwürdigere Entdeckung machen)? Und weshalb turteln die Paare mitunter so ausgesprochen neckisch wie Frischverliebte miteinander herum?
Foto: ZDF / Georges Pauly
Man sollte vorab nicht zu viel verraten, um den Aufbau der fein austarierten psychologischen Spannung nicht zu stören. Beim Sehen besitzt der Film überaus packende Momente, in der Konstruktion des Plots wird nichts dem Zufall überlassen (mit einem guten Gerichtsmediziner hätte Rössler die zweite Filmhälfte allerdings anders erzählen müssen) und selbst das bei Drehbuchschreibern hierzulande so beliebte dramaturgische Spiegelungsprinzip funktioniert aufgrund des Verbergungsmotivs ausgesprochen gut. Aus alldem ergibt sich eine große Identifikationsbereitschaft und eine ungewöhnliche emotionale Anteilnahme auf der Zielgeraden. Auch nach dem Film kein Katzenjammer – im Gegenteil: Die Konstruktion ist zwar kompliziert, allerdings nicht an der Realität vorbei gedacht. Und man erinnert sich an scheinbar belanglose narrative Details, die im Nachgang eine tiefere Bedeutung bekommen.
So schafft es der Film, ein spannender Krimi zu sein und zugleich ein noch spannenderes Drama. Das offenbart sich in der Handlung, aber auch in den Charakteren und den Schauspielern. Schwiegermutter-Schwarm Florian Stetter lächelt verständnisvoll. Jörg Pose und André Szymanski agieren am Rande des Overactings, was retrospektiv betrachtet die passende Form der Darstellung ist. Und das nuancierte Spiel von Franziska Hartmann kann nicht genug herausgestellt werden. Aber auch der Umgangston nimmt für den Film ein: wie die Ermittelnden miteinander reden, die Tempels zuhause oder wie „natürlich“ und ohne Zicken die Befragungen verlaufen. Keine verbiesterten oder typisch deutschen bedeutungsschwangeren Blicke. Dabei gibt es in „Was wir verbergen“ doch so viele Wunden, die nicht verheilt sind und die peinlich sorgsam verborgen werden. (Text-Stand: 12.11.2022)
2 Antworten
War sie nicht alleinerziehend in Helen Dorn? Mit einem gewalttätigen Ex? Naja
Endlich gesehen.
Seltsamer Film. Eigentlich kann man kaum von einem Krimi sprechen, denn der Fall ist langweilig, eher Familiendrama. Wer der Täter ist, war mir egal. Da ich als Ausländerin die Schauspielerin, die Tempel spielt, nicht kenne, werde ich sie anhand dieser einen Rolle beurteilen. Während sie in der Helen Dorn Serie eine gute Figur machte (sie war eine erfahrene Polizistin und alleinerziehende Mutter mit einem verrückten Ex-Mann), kommt sie hier als verheiratete Frau mit einem verrückten Ehemann und unerfahrene Ermittlerin sehr schlecht rüber.
Templer hat kein Charisma und ist im Vergleich zu Jana Winter, Helen Dorn, Weiss oder Karin Lossow fad und langweilig. Die Schauspielerin nervt. Vielleicht wird es mit der Zeit besser, naja… Heute HÖCHSTENS 4/10