Tippsen als Top-Manager. Die Firmeninhaberin des Berliner Kosmetikkonzerns Winter International will nicht nur den amerikanischen Markt erobern, sie möchte auch mit ungewöhnlichen Methoden, neue Talente entdecken und mit Team-Spirit firmenpolitisch punkten. Konkret heißt das: Dr. Phillip Richter, Generaldirektor und erfahrener Sanierer, darf künftig kopieren, Kaffee machen und tippen, was die Zeigefinger hergeben, während seine Lebenspartnerin und Assistentin Juliane Engelhardt für die Zeit des Experiments die Geschicke des Konzerns zu verantworten hat – an ihrer top-chicen Seite zwei nicht minder adrette Vorzimmerdamen, die Chef spielen dürfen. Der entmachtete Richter ist genervt, mimt aber nach außen den Profi. Juliane als neue Chefin ist voller Tatendrang, will die Gunst der Stunde nutzen, vergaloppiert sich aber mit ihrem Herzensprojekt, einer jungen Kosmetiklinie, bezahlbar & Bio, und bringt so nicht nur die intrigante Personalchefin gegen sich auf.
Soundtrack: Boy („Little Numbers“), Brooke Fraser („Something in the water“), Dusty Springfield („Spooky“), Gotan Project („Vuelvo al sur“), Jason Mraz/Colbie Caillat („Lucky“), The XX („Intro“), Dean Martin („Everbody loves somebody“)
„Vorzimmer zur Hölle – Plötzlich Boss“ macht da weiter, wo der zweite Film der losen Reihe, „Streng geheim“, vor zwei Jahren aufgehört hat. Frau darf zeigen, was sie kann, nicht unbedingt Chefin sein, aber kreativ und ehrgeizig, gelegentlich zu ehrgeizig, doch mit genügend Selbstreflexivität, Gewissen und Empathie ausgestattet, um das Experiment, das zu einer verfahrenen Kiste zu werden droht, schließlich doch noch einem Happy End zuzuführen. Dramaturgisch ist das ein Drahtseilakt (bei dem die Big Bosse dei ex machina spielen dürfen) – weil Autor Christian Pfannenschmidt sicher nicht als feministischer Märchenerzähler belächelt, aber auch nicht eines konservativen Geschlechterrollen-Verständnisses bezichtigt werden möchte. Und die herzallerliebste Karrierefrau, gespielt von der cool liebreizenden Henriette Richter-Röhl, ins Abseits laufen zu lassen, kann auch nicht im Sinne des Erfinders dieser Geschichte sein. Die sozialen Klischees, Männer und Frauen betreffend, sind in diesem ZDF-Fernsehfilm am Sonntag zum Bestätigen, zum Brechen – zum lustvollen Herumspielen da. Interessant, dass die Palette der Verhaltensweisen und Kommunikations-Muster im Film ohne die klassisch männliche Variante – hart, autoritär, zielstrebig – auskommt. Männliche und weibliche „Anteile“ sind bei den beiden Hauptfiguren gleichmäßig verteilt, befinden sich nur ständig in einem Umschichtungsprozess. Andreas Pietschmanns Dr. Richter ist ein sensibler Chef, dem durchaus auch die Gefühle in die Quere kommen, während Juliane sich in ihren Aufgaben zu verbeißen droht, bevor sie sich wieder auf ihre soziale Kompetenz besinnt.
„Vorzimmer zur Hölle 3“ schließt auch ästhetisch an seinen Vorgänger an und übertrifft ihn noch in seiner stilistischen Elaboriertheit. Dass die Splitscreen-Technik in den Sixties nicht allein eine Krimi-Erfindung war, daran erinnert „Plötzlich Boss“ mit Reminiszenzen an die Doris-Day-Klassiker jener Jahre. In Ausstattung, Kostüm, Farbdramaturgie und weiblicher Ikonografie erinnert der Film mehr noch an die PopArt eines Blake Edwards („Frühstück bei Tiffanys“). Dass Kleider Leute machen und das Design das Sein bestimmt, wird in Fernsehfilmen selten so deutlich wie im Film von Michael Keusch, in dem das alles natürlich auch perfekt zum Milieu und der Story passt. Fazit: Rollen-Experiment & das Spiel mit dem Augenschein verbinden sich zu einem sehr unterhaltsamen Film. (Text-Stand: 31.3.2013)