Lena Jörning hatte ihre Schwester schon fast aus ihrem Leben gestrichen – da tauchte sie nach 12 Jahren wieder auf in dem Kaff an der Ostsee, das sie einst wegen ihres schrecklichen Vaters verlassen hatte. Jetzt ist sie tot, liegt unter dem Eis der zugefrorenen Ostsee begraben. Für Lena ist es ein Schock. Vieles bricht in ihr auf. In der kurzen Zeit nach der Rückkehr hatte sie ihre Distanz noch nicht überwunden. Für sie, die in der Heimat geblieben ist und den Vater gepflegt hat, war es schwer, den Lebenswandel ihrer lebenshungrigen jüngeren Schwester zu verstehen. Sie muss erkennen, dass sie sich in einem Leben der Lüge eingerichtet hat. Der Mord zwingt sie nun, auch die Beziehung zu ihrem langjährigen Partner zu überdenken, der ausgerechnet am Tag des Leichenfunds um ihre Hand anhält.
„Zusammen mit dem Schmelzen des Eises schmelzen auch alle Fassaden und Schutzmauern dahin“, beschreibt Veronica Ferres die emotionale Grundsituation ihrer Heldin. „Vom Ende der Eiszeit“ (Trailer) heißt denn auch der in vielfacher Hinsicht bemerkenswerte Film. Dem Zuschauer nahe gebracht wird diese Entwicklungsgeschichte einer Frau, die Krimi und Drama zugleich ist, durch die Bilder. Sie spiegeln die Befindlichkeiten der Menschen in einer fremden, seltsamen Welt, die vor allem von Kälte geprägt ist. „Mir liegt so viel an dieser Atmosphäre, weil sie den eingefrorenen, festgefahrenen inneren Zustand meiner Figuren reflektiert“, sagt Friedemann Fromm. „Der tote Körper, der durch das Ostsee-Eis durchschimmert, ist durch die Eisdecke zunächst nur schemenhaft wahrzunehmen“, betont Fromm. Die optische Idee steht quasi als Metapher für das, was der Ferres-Protagonistin passiert. Wie die Leiche zu Beginn, so werden später Gedanken aus der Tiefe des Unterbewussten hoch geschwemmt.
Das Spiel der Ferres entspricht ganz dem optischen Konzept des Films. „Lena gehört zu den stoischen, sturen, wortkargen Menschen, wie man sie im hohen Norden antrifft“, charakterisiert die Star-Schauspielerin ihre schwer zugängliche Figur. Fromm, der auch in den ersten drei Folgen von Senta Bergers Krimireihe „Unter Verdacht“ der zu Manierismen neigenden Münchnerin einen strengen Stil verordnete, wünschte sich von Veronica Ferres ein Spiel mit reduzierten Ausdrucksmitteln. Ihre Gesichtszüge scheinen eingefroren, nur im Inneren schmilzt langsam das Eis. Wenn man Ferres so sieht mit ihrer schwarzen Fellmütze, wie sie auf dem Eis hockt und der toten Schwester ins Antlitz schaut oder wie sie durch den verschneiten Ort stapft, irgendwo im ewigen Winter, da fühlt man sich erinnert an „Fargo – Blutiger Schnee“ der Gebrüder Coen mit der famosen Hauptdarstellerin Frances McDormand.
Gedreht wurde der wortkarge Film nach dem Buch von Christian Jeltsch („Auf ewig und einen Tag“) in Finnland. Dass der letzte Winter in Finnland milder war als bei uns, das konnte man nicht wissen. Der Drehort musste ganz in den Norden Finnlands verlegt werden. Am Ende aber passte doch alles. Verschlossene Menschen in einem frostigen Ambiente. Eine Geschichte aus einem Niemandsland, irgendwo am Meer, in der der von Detlev Buck schön zynisch gespielte Kommissar nicht einmal einen Namen trägt. (Text-Stand: 9.7.2007)