Mario Götze, Robert Lewandowski, Mats Hummels, die Liste der spektakulären Spielerwechsel von Borussia Dortmund zum FC Bayern München muss um einen Namen erweitert werden: Andy Marxen. Marxen? Noch nie gehört? Der kickt auch nicht wirklich, um den dreht sich aber alles in der Romantic Comedy „Volltreffer“, mit der Sat 1 sein Publikum am Dienstag Abend um viele Fußballfans erweitern will. Den Fußballer bekommt man über die knapp 90 Minuten nie zu Gesicht: er ist nur der Aufhänger und der Auslöser für die Story. „Deutschlands wahre Liebe“, skandieren die Bayern-Fans, „Echte Liebe“ ist der Slogan der Dortmunder Borussia – Fußball und Liebe werden oft in einem Atemzug genannt. Warum also nicht eine Liebeskomödie in der Welt des runden Leders ansiedeln, dachten sich die Autoren Anne-M. Keßel und Granz Henman. Sowohl hier als auch da geht es um Gefühle, Leidenschaft, Glück, um Enttäuschung und den (oft vergeblichen) Traum vom Happy End.
Arg betulich der Anpfiff zu diesem Film: Nach den – erwartbaren – Bildern zur Faszination Fußball ertönt eine Stimme aus dem Off und kündigt an, die Geschichte einer Handvoll Fans erzählen zu wollen. Und schon sehen wir die Gegenwelten: hier das eher prollige Leben in Schwarz-Gelb, da das mondäne Leben in Rot-Weiß. So wie sich Lieschen Müller das halt so vorstellt und man die Klischees gerne bedient. Philipp (Axel Stein) und seine beiden Jungs Theo (Jamie-Dean Schmelzer) und Max (Jonas Oeßel) sind BVB-Fans durch und durch. Als Philipp im Stadion der affektierten Viktoria (Julia Hartmann) begegnet und sie – Achtung, wir sind im Fußballstadion – mit Currywurst bekleckert, wird ihm schnell klar, dass die in den Pott gekommen ist, um Borussen-Star Andy Marxen an die Isar zu locken. Als dann – wie der Zufall so spielt – ein Fußball mit voller Wucht gegen Viktorias Kopf knallt und die daraufhin unter kurzzeitiger Amnesie leidet, nutzt er die Chance. Philipp nimmt sie mit nach Hause und gaukelt ihr vor, er wäre ihr Mann und ihr Name sei Dörte. Erinnert verdammt stark an die US-Komödie „Overboard – Ein Goldfisch fällt ins Wasser“ (mit Goldie Hawn). Drei Tage lang muss das Lügenspiel klappen, genau so lange, bis die Wechselfrist abgelaufen ist. Doch – man ahnt es schon – Philipps schlechtes Gewissen wird immer größer und außerdem findet er Viktoria als Dörte zunehmend sympathischer. Als die sich auch noch rührend um seinen dementen Schwiegervater (Tom Gerhardt) kümmert, springt der Funke über…
Die Gegen-Meinung:
„Der dreiste Mix aus ‚Ein Goldfisch fällt ins Wasser‘ (1987) und ‚Fußball ist unser Leben‘ (2000) unterhält mit prolligem Witz, der nur manchmal entgleist. Die sympathischen Darsteller machen das Beste aus der Klischeestory. Also, wer den Fußball liebt, muss hier einfach mitgackern.“ (TV-Spielfilm)
Dieses TV-Lustspiel mit anderen Fußballfilmen zu vergleichen – von Sönke Wortmanns zeitgeschichtlichem „Das Wunder von Bern“ über das Hooligan-Drama „66/67 – Fairplay war gestern“ und die preisgekrönte Tragikomödie „Eine andere Liga“ bis zur atmosphärisch höchst gelungenen Nick-Hornby-Verfilmung „Fever Pitch“ – das wäre nicht richtig. Denn hier will man sich weniger mit Fußball und wie er das Leben von Menschen tangiert und auch dominiert beschäftigen: Es geht um eine romantische Liebesgeschichte, die eingebettet wird in eine Fußball-Rahmenhandlung. Der Film nimmt die Fans nicht ernst, sondern versucht sie eher zu karikieren. Das gelingt leider nur stellenweise, meist wird hier ganz schön dick aufgetragen – ob Ruhrpott-„Manni the man“ (mit netten Momenten: Sönke Möhring), die Borussen-Babes (drei Mädels in schwarz-gelb), der Bayern-Fan mit Hut und Lederhose oder der – und da tut es richtig weh – zur Knallcharge verkommene Bayern-Manager, der seine Lippenstift-Tussi-Tochter zur Geheimaktion nach Dortmund schickt, weil er selbst auf dem Krankenbett liegt. Viele kleine Anspielungen aus der Welt des Fußballs sind drin in der Story und der Inszenierung: Natürlich muss der gerade erwähnte Bayern-Manager einen Bruder haben: Uli und Dieter Hoeneß lassen grüßen! Und die hübsche Viktoria wird im Stadion von einem Ball am Kopf getroffen. Moment, da war doch mal was. Ja, Sky-Reporterin Jessica Kastrup ging durch einen Ball vor laufender Kamera k.o. und wurde so via Youtube über Nacht ein gutes Stück bekannter. Das kann man nett finden, hat ja auch was… aber solche pfiffigen Momente sind selten in dieser von Granz Henman („Kein Bund fürs Leben“, „Knallharte Jungs“) inszenierten einfallsarmen Mischung aus Liebes- und Fußball-Film.
„Volltreffer“ bringt ein Wiedersehen mit Axel Stein und Tom Gerhardt. Gut zehn Jahre waren die beiden in der Sat-1-Proll-Comedy „Hausmeister Krause“ Vater und Sohn, jetzt geben sie hier nach langer Pause Vater und Schwiegersohn. Fußballaffin sind beide, Stein ist bekennender Köln-Fan – so war es für ihn ein Spaß, denn nicht nur in Dortmund, auch in Köln wurde im Sommer, als in Frankreich die EM lief, gedreht. Und die Rolle sei ihm auch nicht schwer gefallen. „Ich habe auch Sympathien für den BVB – und auch für den FC Bayern. Ich bin jetzt nicht so Hardcore-mäßig unterwegs, dass ich sagen würde: Es gibt nichts Besseres als den 1. FC Köln! Ich gehe sogar zu Schalke ins Stadion.“
Die Dauerrivalität zwischen Dortmund und Bayern ist schon ein prima Stoff für einen Film, gerade wenn man ein großes Publikum anlocken will. Beide Teams wurden gerade in einer Fußballstudie zu deutschen Markenmeistern erkoren (hier rangiert der BVB sogar vor den Bayern). Doch diese spannende Reizbeziehung wird kaum genutzt. Und es mangelt sowohl der Story als auch den Bildern (Kamera: Leah Striker) an Originalität. So ist diese Liebes-Komödie ums runde Leder alles andere als ein „Volltreffer“, auch kein Lattenknaller, keine Tiki-Taka-Zauberei, sondern ein eher müder Kick, irgendwo zwischen Lachnummer und Fehlschuss. Knapp daneben ist auch vorbei, sagt der Fußballfan. (Text-Stand: 12.9.2016)