Vierwändeplus

Osei, Hanusrichter, Yun, Hahn, Bauder, Bill. Keinen Bock auf Konsens-Nonsens

Foto: ZDF / Frank Dicks
Foto Tilmann P. Gangloff

In der achtteiligen ZDF-Serie „Vierwändeplus” (Network Movie) zieht eine zehnköpfigen „Framilie“ (Freunde und Familie) gemeinsam in ein noch nicht vollständig renoviertes Haus. Das bleibt naturgemäß nicht ohne Spannungen, zumal sich ausgerechnet die Keimzelle der Gemeinschaft trennen will. Viele Themen haben einen ernsten Hintergrund, doch die Umsetzung ist vorwiegend heiter. Das funktioniert allerdings nicht immer, weil manch’ ein Dialog allzu sehr auf Pointe gebürstet ist. Die Mitwirkenden begehen zudem mitunter den Fehler, komische Situationen auch komisch zu spielen; ein typisches Comedy-Missverständnis, das die Heiterkeit in der Regel jedoch keineswegs verdoppelt. Trotzdem macht es Spaß, dem Ensemble zuzuschauen und vor allem zuzuhören: Einige Wortwechsel sind ganz schön bissig. Große Freude bereiten auch die originellen Einfälle am Rande.

„Framilie“ tauft Martin die Hausgemeinschaft: Freunde und Familie. Die Gruppe – sieben Erwachsene, ein Teenager, zwei Kinder – hat gemeinsam ein Haus renoviert und ist soeben eingezogen; prompt beginnen die Probleme. Dies ist die Quintessenz, auf die sich die achtteilige Dramedy „Vierwändeplus” bringen lässt. Die behandelten Themen sind zum Teil durchaus ernst, doch die Umsetzung ist vorwiegend heiter. Richtiger gesagt: soll heiter sein; das funktioniert nicht immer, denn manch’ ein Dialog ist allzu sehr auf Pointe gebürstet. Das gehört natürlich dazu, wenn’s lustig sein soll, zumal die vom ZDF als Comedy etikettierten Geschichten ohnehin stark jenem Muster folgen, das hierzulande unter „Sitcom“ verstanden wird: Die Handlung trägt sich größtenteils in den Gemeinschaftsräumen der WG zu, sämtliche Charaktere werden durch bestimmte Eigenschaften, Vorlieben und Marotten definiert.

Gleichzeitig hat sich das vierköpfige Drehbuchteam (Tali Barde, Marian Grönwoldt, Helena Lucas, Laura Rabea Tanneberger) jedoch an der klassischen Familienserie orientiert, was wiederum einen besonderen Reiz ausmacht, denn die „Framilie“ ist betont divers: Eins der Paare ist schwarzweiß und hat dunkelhäutige Kinder, ein anderes ist homosexuell, eine Frau hat einen asiatischen Migrationshintergrund. Allerdings dauert es eine Weile, bis sich herauskristallisiert, wer hier mit wem liiert ist; wenn das geklärt ist, funktionieren die Folgen prompt besser. Keinerlei Zweifel kann dagegen an jenem Konflikt bestehen, der verschiedene Ereignisse überhaupt erst auslöst: Kaum eingezogen, eröffnet Caro (Birte Hanusrichter) ihrem Mann Martin (Alexander Prince Osei), dass sie sich von ihm trennen wird. Der Gatte will das nicht wahrhaben und handelt zwei Monate Galgenfrist aus, erst dann sollen die anderen informiert werden, schließlich ist das Paar mit seinen beiden Töchtern die Keimzelle der Gemeinschaft. Natürlich hofft Martin insgeheim, Caro in dieser Zeit umstimmen zu können, und sorgt unter anderem mit einer Sabotage im „Teichhaus“ genannten Anbau dafür, dass sie die eigenen vier Wände erst mal nicht verlassen kann.

VierwändeplusFoto: ZDF / Frank Dicks
Freddie (Eugen Bauder, l.), Anna (Antonia Bill, 2.v.l.), Gregor (Julien Neisius, M.), Erik (Moritz Vierboom, 3.v.r) und Julia (Henrike Hahn) trauen ihren Ohren nicht: Caro (Birte Hanusrichter) und Martin sind getrennt? Die „Framilie“ hat Erklärungsbedarf.

Rund um diesen roten Faden spinnen die knapp dreißig Minuten kurzen Folgen allerlei Begebenheiten, die jeweils mit den unverwechselbaren Merkmalen der handelnden Personen verknüpft sind: Die kleine Emma (Mary Amber Oseremen Tölle) missversteht den leidenschaftlichen Sex von Erik und Anna, die sich hingebungsvoll mit der Produktion von Nachwuchs beschäftigen, als unfreundlichen Akt, und weil das Kind ein bisschen speziell ist, verwickelt es Anna in ein Puppenspiel über häusliche Gewalt. Nicht minder aus der Art geschlagen ist die ältere Schwester Luisa (Nola Essam), die Gefälligkeiten gern mit kleinen Erpressungen verknüpft, fließend Chinesisch spricht und auch mal mit sinistren Handelspartnern einen düsteren Deal einfädelt. Erik (Moritz Vierboom) ist Holländer, lebt nach dem Motto „Wer kämpft, hat schon verloren“ und läuft gern halbnackt durchs Haus, weshalb Mitbewohner Freddie (Eugen Bauder) bei der Gemeinschaftsversammlung das Thema „Elefant im Raum“ zur Sprache bringt. Anna (Antonia Bill) will unbedingt ein Kind, aber Eriks Spermien sind ähnlich entspannt wie er selbst. Einige Dialoge lasen sich auf Papier vermutlich witziger, als sie nun tatsächlich klingen, aber andere sind durchaus bissig und stellenweise recht makaber. Besonders finster ist ein Patchwork-Dreieck: Ärztin Bo (Kotti Yun), die sich ohnehin durch seltsame Vorlieben und einen ebensolchen Humor auszeichnet, möchte ihre Freundin Julia (Henrike Hahn) für sich allein haben. Deshalb tut sie alles, um die Gleichung 1 plus 1 gleich 3 zu korrigieren und Julias Sohn Gregor (Julien Neisius) loszuwerden. Der Teenager wiederum nervt alle anderen mit seiner Öko-Diktatur. Es haben ohnehin nicht immer alle Bock auf „Konsens-Nonsens“, wie sich zeigt, als Gregor einen geheimen „Panikraum“ entdeckt.

Einige Mitwirkende begehen mitunter den Fehler, komische Situationen auch komisch zu spielen; ein typisches Comedy-Missverständnis, das die Heiterkeit in der Regel jedoch keineswegs verdoppelt (Regie: Janosch Chávez-Kreft, Sophie Averkamp). Davon abgesehen macht es Spaß, dem Ensemble zuzuschauen, wobei gerade die beiden jüngsten Darstellerinnen trotz zum Teil schwieriger Dialoge sehr beeindrucken. Die Inszenierung wiederum ist vergleichsweise brav, auch die Musik ist für dieses Genre beinahe zu zurückhaltend. Um so mehr Freude bereiten viele Einfälle am Rande, etwa die Idee, die fehlende Badezimmertür durch einen Kleiderschrank ohne Rückwand zu ersetzen, oder ein Ausstattungsdetail wie ein Fisch an der Wand, der auf Knopfdruck „Don’t worry, be happy“ anstimmt. Die komplette Serie steht bereits vor der ZDF-neo-Ausstrahlung ab dem 5. August in der ZDF-Mediathek.

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Serie & Mehrteiler

ZDF

Mit Alexander Prince Osei, Birte Hanusrichter, Kotti Yun, Henrike Hahn, Eugen Bauder, Antonia Bill, Moritz Vierboom, Nola Essam, Mary Amber Oseremen Tölle, Julien Neisius, Johanna Gastdorf

Kamera: Claire Jahn, Theresa „Toni“ Maué

Szenenbild: Nora M. Stenutz

Kostüm: Verena Birk

Schnitt: Anton Korndörfer

Musik: Natalie Hausmann

Redaktion: Berit Teschner

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Wolfgang Cimera

Drehbuch: Tali Barde, Marian Grönwoldt, Helena Lucas, Laura Rabea Tanneberger

Regie: Janosch Chávez-Kreft, Sophie Averkamp

EA: 05.08.2022 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

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