Seit 60 Jahren gibt die Pianistin Traude Krüger Klavierunterricht in einem Frauengefängnis. Sie hasst „Negermusik“ und pflegt ein gutes Benehmen. Ihre neue Schülerin Jenny ist ein rotziges Borderline-Mädchen, ein musikalisches Wunderkind und eine brutale Mörderin. „Ich halte Sie für niederträchtig – aber Sie haben eine Gabe“, lässt die stramme Klavierlehrerin gleich zu Beginn keinen Zweifel daran, um was es ihr geht. Sie stellt harte Regeln auf und einen Klavierwettbewerb in Aussicht. Jenny geht darauf ein. Die junge Frau aus „gutem Haus“, vom eigenen Vater sexuell missbraucht, emotional abgestumpft, (selbst)zerstörerisch, gewalttätig, sie weiß, das Klavierspielen ist ihre einzige Hoffnung. Die Frauen geraten immer wieder aneinander, lernen aber mit der Zeit, sich gegenseitig zu akzeptieren. Und dann rutscht es dem widerborstigen Wunderkind irgendwann heraus: „Ich mag sie.“ Ein Lächeln huscht über das Faltengesicht von Traude Krüger – diese verhärmte Frau, die wie Jenny eine Schuld mit sich herumträgt. Sie hat 1945 den Menschen, den sie liebte, vor den Nazis verleugnet – und danach ihr Herz für immer verschlossen und ihr Leben ganz der Musik verschrieben.
„Vier Minuten“ ist eine der größten deutschen Kino-Überraschungen der letzten Jahre. Sogar den Deutschen Filmpreis schnappte Chris Kraus Tykwers „Parfum“ weg. Abgesehen von dem psychologisch etwas übermotivierten Drehbuch ist dieses Gefängnisdrama mit Hang zur großen Gefühlsoper ästhetisch ein Meisterwerk. Die scharfe Kadrierung der Bilder, die kühle Farbgebung, die Wucht der Montage, insbesondere im furiosen Schlussakkord, einem sinnlichen Plädoyer für die Kraft des Eigensinns – das alles sieht man nicht alle Tage.
„Vier Minuten“ ist wie ein Musikstück komponiert, der Film erzählt ruhig, in ausgewählten Bildern und raubt einem doch immer wieder den Atem. Ein bisschen Kitsch muss auch einmal im Arthaus-Film erlaubt sein. Auch die Schauspieler erreichen bis in die kleinsten Nebenrollen hinein internationales Spitzenniveau: Monica Bleibtreu als preußisches Muttchen und Hannah Herzsprung als unberechenbares Knast-Girlie sind die vermeintlich ungleichen Motoren des Films, der eigentlich um zwei verwandte Seelen kreist. So wie sich die Figuren immer wieder kontrollieren, so disziplinieren sich auch die beiden Schauspielerinnen unterschiedlichsten Typs. Ein würdiger Auftakt zur „Debüt im Ersten“-Reihe 2010 (Trailer)!