Lara (Jella Haase) provoziert gern und hat eine große Klappe. Alex (Paula Beer) hingegen fällt kaum auf und nimmt sich ständig zurück. Ähnlich wie der Georgier Fedja (Moritz Leu), der unter panischen Angstattacken leidet. Auch Timo (Jannis Niewöhner) bringt kaum ein Wort heraus; dafür platzt er förmlich vor lauter Wut und innerer Anspannung. Alle vier verbringen Weihnachten nicht bei ihren Eltern, sondern gemeinsam in einer jugendpsychiatrischen Einrichtung. Sie seien freiwillig hier, betont ihr Psychiater, der leidenschaftlich engagierte Dr. Wolff (Clemens Schick), der seine jungen Patienten an der langen Leine lässt, ihnen Freigänge erlaubt und an ihr Verantwortungsgefühl appelliert. Ganz zum Leidwesen der konservativen Krankenschwester Simone (Anneke Kim Sarnau), die es nicht richtig findet, dass der aggressive Timo aus der geschlossenen Abteilung in dieses Projekt „Weihnachtsgemeinschaft“ aufgenommen wurde. Anfangs wirken die vier lustlos, haben sich nichts zu sagen, allenfalls Lara und ihre Idee, in kurzen Videos die Gruppe und einige Anstaltsangestellte zum Thema Weihnachten zu befragen, lockern ein wenig die Stimmung. Und irgendwann scheinen die vier zu erkennen, welche Chance ihnen der Aufenthalt in diesem geschützten Raum bietet, mit diesem unkonventionellen Psychiater und der Gruppe seelisch gebeutelter Gleichgesinnter.
„Die Regisseurin reduziert sogar auf der Bild- und Tonebene noch zusätzlich, lässt im Kontrast zum grellen Krankenhauslicht viele Szenen im Dunkel eines angrenzenden Waldes oder in unbeleuchteten Zimmern spielen; die Gesichter der Darsteller sind dann kaum auszumachen. Und sie traut sich, ein Schweigen auszuhalten, das in jedem schlechteren Film mit endlosen Erklärungen oder einem gefühligen Score gefüllt worden wäre.“ (Oliver Kaever – Spiegel online)
„Der Cast der Jungtalente spielt furios und ist genial besetzt, insgesamt überzeugen alle Darsteller bis in die kleinen Nebenrollen. Die Dialoge sind auf den Punkt, immer wieder auch witzig, und schenken damit dem Zuschauer den so wertvollen Comic Relief. … Minimalistisch ist auch der Look des Films, jung und frisch wirkt er und schafft das Kunststück, die Kühle des Kliniklebens und die Wärme unter den Bewohnern zu verbinden. Immer ist der Film im besten Sinne ökonomisch, alles ist reduziert, weil die Wucht der Emotionen ohnehin groß genug ist.“ (Julia Olbrich – Psychologie heute; bietet sehr gute Analyse des Films)
„Vier Könige“ ist ein außergewöhnlicher Psychiatrie-Film und er ist außergewöhnlich reif für ein Erstlingswerk. Die Vorgeschichten der vier jungen Patienten werden nicht wortreich zur Diskussion gestellt, sondern eher beiläufig und unvollständig nachgereicht. Vieles lässt sich erahnen, manches erkennen durch die Szenen, in denen die Eltern ins Spiel kommen. Die eine Tochter wird von der Mutter weggestoßen, sie stört die weihnachtliche Ruhe; Bilder ihrer Drogenpsychose gibt es nicht. Die andere wird von der haltlosen Mutter förmlich erdrückt; der Psychiater hilft ihr mit einer spontanen Schrei- und Bewegungsaktion von dieser Bindung loszukommen („Ich liebe dich, aber du machst mich kaputt. Kümmer’ dich um deinen eigenen Dreck!“). Der junge Mann aus der geschlossenen Abteilung hat seine Mutter mit dem Kopf über eine heiße Herdplatte gedrückt; für seinen Vater empfindet er bestenfalls Verachtung. Und was dem Georgier von seinen Mitschülern angetan wurde, das sieht man: Blau und grün geschlagen ist sein Körper, und man sieht auch, was die brutalen Mobbing-Attacken aus ihm gemacht haben: ein zitterndes Bündel Mensch. Die vorsichtige Annäherung der vier von Misstrauen geplagten Jugendlichen ist Drama genug: Auf Psychologisierung wird verzichtet, die Gruppendynamik ist das Zentrum der Geschichte, und der dramatische Höhepunkt, den es dann doch geben muss, wird nicht übermäßig ausgespielt. Auf jeden Fall aber holt die Realität am Ende das liberale Psychiatrie-Konzept ein Stück weit ein. Wird so ein eher pessimistisches Bild des klinischen Alltags gezeichnet, so gibt es auch die andere, die hoffnungsvollere Seite: die vier – oder besser gesagt drei – Könige. (Text-Stand: 5.6.2017)