Verliebt auf Island

Ann-Kathrin Kramer, Blaskovic, Seebacher, Dinter, Sommer. Stunde der Wahrheiten

Foto: Degeto / Arnaldur Halldórsson
Foto Rainer Tittelbach

Es wird nichts aus der Doppelhochzeit auf Island, denn die eine Braut springt ab und auch die andere macht Zicken, und das nicht ohne Grund: denn sie ist die Mutter des abgewiesenen Bräutigams, der von deren Liebe zu seinem besten Freund nichts weiß. Selten ist die Diskrepanz zwischen narrativem Vorwand und filmischem Aufwand, zwischen Geschichte und Inszenierung so groß wie bei dem ARD-Freitagsfilm „Verliebt auf Island“ (Ariane Krampe Filmproduktion). Die Gefühle in dieser Dramödie bleiben äußerlich und sind wie der gesamte Plot mit seinen bemühten Nebenhandlungen nur behauptet. Die Figuren sind oberflächlich, besitzen kein Innenleben, sind Träger von Gemeinplätzen. Das Spiel ist steif, die Dialoge sind mitunter, die Off-Kommentare durchweg peinlich. Die Bilder indes sind beeindruckend, zumal Nico Sommer und sein Kameramann sie nicht als Fototapete inszeniert haben, sondern mit der nordisch wilden Frische eines verkappten Road-Movies.

Hochzeit auf Island. Alex (Ferdinand Seebacher), der beste Freund des Bräutigams, wollte das Scenario noch verfeinern: Warum nicht gleich eine Doppelhochzeit?! Doch dann gibt die Braut ihrem Langzeitfreund Patrick (Ben Blaskovic) einen Korb – und auch Alex‘ Herzdame macht Zicken. Kein Wunder, denn der Busenfreund des konsternierten Bräutigams a.D. ist seit Längerem mit dessen Mutter zusammen. Immer wieder hat Claudia (Ann-Kathrin Kramer) es aufgeschoben, ihrem Sohn von ihrer Liebe zu Alex zu erzählen. Anfangs waren sie sich wohl nicht sicher, ob ihre Beziehung eine Zukunft haben würde. Jetzt könnte für beide die Zukunft beginnen. Das Timing ist allerdings schlecht. „Wir können doch jetzt nicht auf glückliches Pärchen machen“, findet Mutter und Geliebte. Also heißt es: Die Wahrheit und das Bekenntnis zur Liebe mal wieder aufschieben. Deutlich offener mit ihren Gefühlen geht Nina (Julia Schäfle) um, die Allround-Assistentin aus der ins Schlingern geratenen Startup-Firma der beiden Jungmänner. Sie ist Patrick nachgereist, weil sie ein paar Ideen für die Rettung der Firma hat und weil sie die Hochzeit boykottieren wollte. Das muss sie nun nicht mehr. Aber der sitzengelassene Bräutigam kriegt mal wieder nicht mit, was um ihn herum passiert.

„Verliebt auf Island“ ist ein Film, der selbst dem leichten Genre zugeneigte Kritiker ratlos machen muss. Selten ist die Diskrepanz zwischen narrativem Vorwand und filmischem Aufwand, zwischen Geschichte und Inszenierung so groß wie bei dem Film von Nico Sommer („Lucky Loser“) nach dem Buch von Matthias Dinter („Einstein“). Ausgangspunkt ist ein typisches Was-wäre-wenn-Scenario, das den Schönheitsfehler besitzt, mit gleich zwei Riesen-Konflikten aufzuwarten: Eine Braut sagt nein, und eine Mutter weiß nicht, wie sie ihrem Sohn klar machen kann, dass sie seinen besten Freund liebt. Hätte sich der Autor nur ein wenig auf diese latente Beziehungsebene eingelassen, auf das Gefühl der doppelten Ablehnung, auf den empfundenen dreifachen „Verrat“ durch die Ex, den besten Freund und die Mutter – der Film hätte sich leidlich bis zum Happy End durchwursteln können; zumal ja die aufregenden Bilder von Island entschädigen, die Sommer und sein Kameramann nicht als Fototapete inszeniert haben, sondern mit der nordisch wilden Frische eines verkappten Road-Movies. Doch Dinter interessiert sich nicht für seelische Blessuren. Die Gefühle in diesem Film bleiben äußerlich und sind wie der gesamte Plot mit seinen bemühten Nebenhandlungen nur behauptet. Die Figuren sind oberflächlich, besitzen keinerlei Innenleben, sind Träger von Gemeinplätzen.

Verliebt auf IslandFoto: Degeto / Arnaldur Halldórsson
Verkapptes Road-Movie mit einem Reiseführer, der kein Wort sagt: was Gunnar alias Gunnar Hansson zum heimlichen Helden des viel zu wortlastigen Films macht. Gerhardt Kresters (Hans-Joachim Heist), der sich zum Reiseführer aufschwingt, hält nicht das, was dieser Sidekick anfangs verspricht. Ann-Kathrin Kramer, Ferdinand Seebacher, Ramona Kunze-Libnow: „Verliebt auf Island“

Selbst die Devise durchschnittlicher Unterhaltungsfilme – Bis es Euch gefällt – verfängt bei „Verliebt auf Island“ nicht. Dafür entwickelt man zu wenig Sympathie für die Figuren. Die innige Freundschaft der Männer ist nur zu erahnen, das steife Spiel, insbesondere von Ferdinand Seebacher, tut ein Übriges und die Dialoge sind auch nicht besser („Sie hat mir dir Schluss gemacht? Ay, das kann doch nicht sein“). Altbacken wirken vor allem die betulichen Kommentare der weiblichen Hauptfigur aus dem Off. Beispiel: „Dass Patrick und Alex beste Freunde seit ihrer Kindheit sind, hat’s mir natürlich nicht leichter gemacht. Aber heute ist es soweit. Ich werde meinem Sohn endlich die Wahrheit sagen.“ Ann-Kathrin Kramer soll offenbar die Zuschauer, die extrem schwer von Begriff sind, bei der Hand nehmen. Als ob ihre Dialogsätze wie „Ehrlichkeit ist in manchen Situationen auch nicht die richtige Wahl“ oder „Manchmal muss man auch mal etwas Nettes sagen – auch wenn einem nicht danach ist“ nicht schon gewöhnungsbedürftig genug sind. Die naiven und redundanten Erläuterungen zum Geschehen werden von Kramer auch noch entsprechend schwach gesprochen. Und noch ein Beispiel: „Aber es lag auch etwas in der Luft – die Ruhe vor dem Sturm sozusagen. Ja, wir sollten noch überrascht werden.“ Selbst das überdeutlich typisch deutsche Touristenpärchen mit Ramona Kunze-Libnow und Hans-Joachim Heist erweist sich nicht als der erhoffte komische Sidekick. Allenfalls Julia Schäfle als Mädchen für alles bringt etwas frischen Wind in die festgefahrene Geschichte mit Schwüren aus einem anderen Fernsehjahrhundert („Wir halten zusammen, keine Frau kommt zwischen uns“), die sich mit Sightseeing-Touren immerhin landschafts- und naturgewaltig über die Zeit rettet. Und auf der Zielgeraden gibt es dann noch ohne jede Ironie ein Bündel „guter“ Ratschläge (Schicksal akzeptieren, zum Glück gezwungen werden, auf die Stimme des Blutes hören statt auf Trolle und Elfen).

So hinterlässt „Verliebt auf Island“ am Ende einen mehr als zwiespältigen Eindruck. Als Kritiker, der nicht nur werten, sondern verstehen will, auch die Hintergründe einer Produktion, hätte man gern Mäuschen gespielt bei den Dreharbeiten. Hat das Erlebnis Island den Blick auf das Drehbuch vernebelt? Haben der aufwendige Auslandsdreh und die prominente Hauptdarstellerin, die den Film durchaus quotentechnisch funktionieren lassen könnten, eine bessere, namhaftere Besetzung unmöglich gemacht? Muss der talentierte Regisseur Nico Sommer nicht verzweifelt gewesen sein ob dieses Dilemmas: diese grandiose optische Kulisse und dazu diese unausgegorene Geschichte und diese Besetzung, mit der einer, der in seinem letzten Langfilm mit Peter Trabner, Annette Frier, Emma Bading, Kai Wiesinger, Andreas Hoppe und Ursula Werner arbeiten durfte, einfach nicht glücklich sein kann. Wollten Redaktion und Produktion etwa so eine dünne, oberflächliche Geschichte, die das Geschehen nicht zu durchdringen versucht? Man muss es fast annehmen, denn ein Blick auf Dinters bisherige Drehbücher finden sich ja vor allem derbe und ein paar weniger derbe Komödien, aber so gut wie nichts einigermaßen Drama-Affines. Vielleicht ist ja der Produktionsboom hierzulande schuld, der es öffentlich-rechtlichen Filmen immer schwerer macht, das passende Personal für einen Film zu bekommen. Mit Wehmut jedenfalls erinnert sich der Kritiker an „Ein Sommer in Island“, den die dieselbe Produzentin im Jahr 2014 verantwortete: Das war „Herzkino“ zum Hingucken, Mitfühlen und Mitdenken.

Verliebt auf IslandFoto: Degeto / Arnaldur Halldórsson
Patrick (Ben Blaskovic) zwischen seinen Liebsten. Davon, dass seine Mutter Claudia (Ann-Kathrin Kramer) seinen besten Freund Alex (Ferdinand Seebacher) liebt, hat der Startuper nichts mitgekriegt. Noch ist nur das meteorologische Klima auf Island rau.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Ann-Kathrin Kramer, Ben Blaskovic, Ferdinand Seebacher, Julia Schäfle, Ramona Kunze-Libnow, Hans-Joachim Heist, Gunnar Hansson, Arnmundur Björnsson

Kamera: Guntram Franke

Szenenbild: Eggert Ketilsson

Kostüm: Lena Wolf

Schnitt: Günter Heinzel

Musik: Chris Bremus

Redaktion: Carolin Haasis

Produktionsfirma: Ariane Krampe Filmproduktion

Produktion: Ariane Krampe

Drehbuch: Matthias Dinter

Regie: Nico Sommer

Quote: 3,48 Mio. Zuschauer (12,4% MA)

EA: 06.04.2019 20:15 Uhr | ARD

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