Der zweite Mord an einer Prostituierten beunruhigt die Hamburger LKA-Beamtin Karin Meister. Weil die Merkmale einem länger zurückliegenden Fall ähneln, bittet sie ihren ehemaligen Ausbilder, „Deutschlands ersten großen Profiler“ Hans Denning, um Mithilfe. Der wurde zwar bei der Polizei aussortiert und hat die Whiskeyflasche griffbereit neben dem Bett stehen, wird nun aber flugs zum Leiter einer Sonderkommission berufen – weil er den alten Fall als Einziger richtig beurteilt hatte. Der angebliche Täter hatte sich damals erhängt.
Als Zuschauer ist man in Thorsten Näters „Verhängnisvolle Nähe“ den Ermittlern meist einen Schritt voraus – aber nie soweit, dass man sich sicher sein könnte, den wahren Täter zu kennen. Das sorgt über weite Strecken für eine gut dosierte Spannung, zumal Näter den Fall mit einer besonderen Konstellation würzt. Drehbuch und Inszenierung präsentieren von Beginn an Meisters Ehemann Paul als dringend tatverdächtig. Der Deutsch-Lehrer interessiert sich auffällig für den Fall und andere Gewalt-Verbrechen, er verschwindet nachts schon mal aus seinem Bett und hat vor seiner Frau auch sonst einige Geheimnisse: Ein Boot, mit dem er auf Hamburgs Wasserstraßen unterwegs ist. Kladden, die er manisch vollschreibt. Vielleicht sammelt er nur Material für seinen ersten Roman, den er endlich schreiben will? Allerdings passt er auch ideal zu Dennings Täter-Profil: Der Mörder sei „das Gegenteil von einem Monster“, schüchtern, unauffällig, unzufrieden mit Beruf & Leben, so der Profiler. Dass Paul Meister Angst vor Frauen hat, soll durch Szenen mit einer Schülerin im Minirock beglaubigt werden, auf die er unsicher reagiert. Die Absicht des Autors ist unschwer zu erkennen.
Auch sonst bietet der Film kaum Zwischentöne und keine Figuren, deren Schicksal wirklich berührt. Die düster ausgeleuchtete Wohnung der Meisters, die beständig eine Bedrohung heraufbeschwörende Musik sorgen zwar zeitweise für eine beklemmende Atmosphäre, aber das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kommissarin und Gatte bleibt in Ansätzen stecken. Es dominiert das übliche Krimi-Schema, die dialoglastig inszenierte Ermittlungsarbeit, die Absicht, das Publikum durch mehr oder weniger glaubwürdige Wendungen in Atem zu halten. Vor allem im letzten Drittel fühlt man sich eher an die Alltagsroutine einer Vorabend-„Soko“ erinnert als an einen „Fernsehfilm der Woche“, der sich vom Krimi-Allerlei herausheben will.
Da ist es kein Wunder, dass die Besetzung keine schauspielerischen Glanzlichter setzen kann. Die anfangs vielversprechend schillernde Figur des Profilers Denning (Peter Simonischek) wird in der zweiten Hälfte völlig an den Rand gedrängt. Anja Kling und Thomas Sarbacher hat man schon vielfach eindrucksvoller gesehen, und Dirk Borchardt gibt mal wieder einen mäßig sympathischen Zeitgenossen, den Polizeibeamten Mike, der mit der Forensikerin des Teams in Scheidung lebt und sich vor dem ehemals gemeinsamen Haus einen Blowjob von einer Prostituierten gönnt – mit Tränen in den Augen. Denn Mike blickt dabei durchs Fenster ins Wohnzimmer und beobachtet seine niedergeschlagen wirkende Ex. Nun ja, hier werden Motive und Hintergründe einer Figur mit dem Holzhammer ins Drehbuch getrieben.
Näter lässt es auch sonst ordentlich krachen: Es gibt noch eine Leiche, und eine weitere Frau wird entführt. Das ist kurzweilig, aber leider auch anstrengend – wegen der vielen Standard-Krimi-Dialoge mit Sätzen wie „Lass uns einfach unsere Arbeit machen“ und einer schon arg konstruiert wirkenden Auflösung. Immerhin gibt es ein ganz hübsches Finale, in dem endlich mal nicht ohne Grund viel geredet wird. Womöglich in einem Anflug von Selbstironie.