Abgemacht ist abgemacht – und so hängt der leidenschaftliche Haussanierer Gerd (Peter Lohmeyer) seinen Beruf an den Nagel, verkauft seinen kleinen Handwerksbetrieb und ist von nun an Hausmann. Seine Partnerin Michaela (Christina Große) atmet auf: Endlich kann sie zurück in ihren Job als Krankenschwester. Da Gerd nun seinen Teil erfüllt, drängt er auf den anderen Punkt der Abmachung: Michaelas Zustimmung zur Hochzeit. Davon will sie jetzt nichts mehr wissen. Sie hat ihre Gründe: Gerd, der drei Kinder von drei unterschiedlichen Frauen hat, war bereits zwei Mal verheiratet – und Michaela will nicht die dritte Ex-Ehefrau werden. Und da momentan für sie alles gut ist, so wie es ist, wird das Thema vertagt. Bald stehen ohnehin andere Dinge auf der Familien-Agenda. Endet auch der Einschulungstag der gemeinsamen Tochter Laura (Lilli Ogaj) mit einem heftigen Anpfiff der Direktorin, so ist Gerds Problem bald nicht die neue Rolle in seiner aktuellen Lebensgemeinschaft, sondern die Vaterrolle in seiner vorhergehenden Familie: Denn plötzlich steht seine 17jährige Tochter Nele (Lorna zu Solms) vor der Tür: frech wie immer – und jetzt dazu auch noch schwanger.
Hausmann sein heißt wohlweislich nicht: der Mann im Hause sein. Denn das Sagen haben überwiegend die Frauen in dem launigen Mehrteiler „Väter allein zu Haus“ – obwohl die Männer ausnahmsweise mal im Mittelpunkt dieser ARD-Freitagabendfilme stehen. Die sehen das ganz ähnlich, nehmen es aber mit einem Schmunzeln: „Wir warten auf die Frau, die wir lieben – und die sagt uns dann, was wir tun sollen.“ Ja, es geht um die berühmten Geschlechterklischees. Da ist von „Weicheiern“ und „Gladiatoren“ die Rede, und natürlich behaupten alle Männer in dem Mehrteiler von Arne Nolting (Buch) und Jan Martin Scharf (Buch & Regie), sie wüssten einfach nicht, was Frauen wollen. Nur eines weiß jener Gerd, den Peter Lohmeyer gewohnt cool & lässig gibt: „Ihr seid erst zufrieden, wenn Ihr uns völlig enteiert habt und dann steht ihr nicht mehr auf uns.“ Dass Männer untereinander keine Gefühle zeigen können, ja nicht mal in der Lage sind, ernsthafte Gespräche zu führen, ist Tenor eines Frauendialogs – was „das starke Geschlecht“ in den folgenden Szenen dann auch ausreichend unter Beweis stellen darf. Nur bei großen Problemen holen sich die Männer der Reihe – es sind vier an der Zahl – Rat bei einem Freund. Echte Hilfe ist eher nicht zu erwarten, doch wenigstens die Parole stimmt: „Wir Männer müssen zusammenhalten.“ Und so stiefeln die vier Asphaltcowboys solidarisch in Richtung Rektorat (wo ein weiblicher Sheriff mit dem Spitznamen „Terminator“ sitzt), um gemeinsam eine Abreibung entgegenzunehmen.
Foto: WDR / Kai Schulz
Den Alltag und dessen pragmatische Bewältigung im Blick ist das alles entsprechend leicht und locker erzählt, zwar ohne allzu großen Tiefgang, aber auch ohne falsches Botschafts-Bohei und ohne künstliche Dramatisierung. „Väter allein zu Haus“ ist entstanden frei nach der australischen Familienserie „House Husbands“, die es auf mehr als 50 Folgen brachte. Übernommen wurden „die Figuren, die Figurenkonstellationen, vor allem die Freundschaft zwischen diesen sehr unterschiedlichen Vätern“, so Jan Martin Scharf. Diesen Herbst werden die ersten beiden Episoden ausgestrahlt. Neben „Gerd“ bekommt noch „Mark“, der den umgekehrten Weg geht, vom Hausmann zurück in einen Halbtagsjob, seinen Film. Das Konzept ähnelt dem von „Eltern allein zu Haus“ (ARD, 2017), einer Dramödien-Trilogie, in der Ehen unterhaltsam auf den Prüfstand gestellt und so mancher Rosenkrieg tragi(kom)isch ausgefochten wurde. Drei Filme waren zunächst auch für die „Väter“ bestimmt; jetzt heißt es allerdings, dass alle vier Papas ihr Solo-Stück bekommen. Die beiden, die diesmal nur am Rande zu sehen sind, dürften allerdings für die konservative Ü60-Zuschauerschaft eine kleine Herausforderung sein: Timo (Tim Oliver Schultz) ist um die 30, ein vom Schicksal gebeutelter Ex-Fußballprofi, eine Art Berufsjugendlicher, der gern mehr Zeit mit seinen drei Kindern verbringen würde, zum Leidwesen seiner geschiedenen Frau (Yasemin Cetinkaya), die mit Timos ehemaligem Manager liiert ist. Der vierte Mann ist Andreas (Tobias van Dieken), der Schwager von Mark, der mit einem Mann zusammenlebt. Was die „Endlich-Freitag“-Klientel von gleichgeschlechtlichen Beziehungen der Hauptcharaktere hält, zeigte „Vier kriegen ein Kind“ (2015), eine Komödie, die peppig & witzig war, dazu gemäßigt queer, es aber nur auf 2,5 Millionen Zuschauer brachte. In „Andreas“ wird es nicht um Samenspende gehen, von daher dürfte die ARD 2020 mit einem schwulen Helden eine höhere Akzeptanz erzielen.
Problematisch erscheint da schon eher die Besetzung. Tim Oliver Schultz, beliebt durch die preisgekrönte Serie „Club der roten Bänder“, zu deren Gelingen die Grimme-Preisträger Scharf und Nolting maßgeblich beigetragen haben, dürfte zumindest einige jüngere Zuschauer locken. Dagegen ist Tobias van Dieken („Die Büffel sind los“) ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Peter Lohmeyer und David Rott, der den Mark verkörpert, sind im Vergleich dazu deutsche (TV-)Stars. Hinzu kommt, dass sie tatsächlich wissen, was sie spielen: Lohmeyer hat vier Kinder von unterschiedlichen Frauen, und auch Rott – sein Mark bringt es nur auf eine Tochter – weiß, wie sich Vater sein anfühlt; der 41-jährige Schauspieler hat sogar fünf Kinder und seine Frau ist wie im Film Ärztin. Auch die Partner haben Klasse: Christina Große setzt ein Lächeln auf, bei dem selbst der größte Macho klein beigeben muss – und ihre so besonnene Michaela, nach wie vor nahezu perfekt in der Mutterrolle, ist immer gut für einen witzigen Schlagabtausch. „Ich weiß nicht, womit ich dich verdient habe“, schwärmt Gerd. „Ich auch nicht“, kommt es prompt zurück. Auch Franziska Woll als Ehefrau von Mark ist eine gute, stimmige Besetzung. Ihre Judith ist mit Michaela befreundet. So ist man als Zuschauer immer auch ein Stück weit über das Innenleben der Frauen im Bilde. „Ich weiß doch, was die Leute über Frauen wie mich denken“, bringt beispielsweise die Ärztin ihre Selbstzweifel auf den Punkt. Immerhin ein Fortschritt: In den 70er Jahren meldete sich das weibliche schlechte Gewissen nur dann, wenn frau das falsche Waschmittel benutzt hatte.
Foto: WDR / Kai Schulz
Der zweite Film des Mehrteilers ist in der ersten Hälfte noch eine Spur komischer als die Episode „Gerd“. Besonders David Rotts Ehemann, der nicht nein sagen kann und der seiner Frau jeden Wunsch erfüllt, sorgt mit seiner verspannten Ernsthaftigkeit, dem Ehrgeiz, der allerbeste Vater und Ehemann zu sein, und mit seiner aufrichtigen Verzweiflung nach einem „Fehltritt“ für eine (tragi)komische Tonlage. Aufgerieben von der Doppelbelastung durch Halbtagsjob und Kinderbetreuung besteht sein „Fehltritt“ in einem innigen Kuss, den er mit der Klassenlehrerin (Nadja Becker) seiner Tochter austauscht. Nur ein Kuss – und doch löst er eine kapitale Ehekrise aus! Das kann man übertrieben finden. Über diesen „Aufstand“ stolperte zunächst auch Rott, doch bereits beim Drehen habe er erkannt, „dass in dem Werte-Kontext dieser Figuren der Kuss ein echt großes Ding ist“. Die darauffolgenden romantischen Schlussakkorde sind nicht ganz so gelungen wie die Komödien-Elemente, zu denen auch noch Marks übergriffige Chefin (Tanja Schleiff) gehört, die den attraktiven neuen Mitarbeiter schon mal bis auf die Toilette verfolgt. Dagegen wirkt in „Gerd“ der Ausgangsgag – um die erzieherische Kompetenz des Vaters infrage zu stellen – etwas ausgedacht: Papa witzelt, Laura könne doch alleine zur Schule fahren. Gesagt, getan. Wenig später rollt die Erstklässlerin unter großem Hallo mit Papas Pkw Richtung Schulhof, und neben ihr sitzen noch andere Kiddies.
Das Ganze ist angenehm flüssig und flott inszeniert, mit Ellipsen zur rechten Zeit, allein an diese Heller-als-hell-Ausleuchtung (selbst noch in den nächtlichen Schlafzimmerszenen) mag sich der Kritiker nicht gewöhnen, der noch zu gut die Bildästhetik von Stefan Krohmers „Neu in unserer Familie“ im Kopf hat und der von US-Familienserien wie „This is us“ oder „Parenthood“ einfach einen narrativ relevanteren Look gewohnt ist. Dennoch gehört „Väter allein zu Haus“ dieses Jahr mit zum Besten, was die ARD dem Zuschauer auf dem Unterhaltungssendeplatz am Freitagabend anbietet. Man erkennt, dass dieses Projekt deutlich durchdachter ist als Reihen wie „Eifelpraxis“ oder „Praxis mit Meerblick“, die mitunter – ohne narrativen Sinn (für den Fortgang der Geschichten) – ein viel zu großes Personal durch die einzelnen Episoden mitschleppen. Äußerst gelungen in „Väter allein zu Haus“ ist die Umkehrung der Mann-Frau-Rollenklischees. Vor allem in der Episode „Mark“ dürften sich manche Zuschauer und Zuschauerinnen immer wieder ertappt fühlen. Nachdem Marks Chefin Zicken macht wegen dessen Arbeitszeiten, beruhigt ihn seine Frau. Macht nichts – „notfalls verdiene ich doch genug.“ Da weiß er noch nicht, dass für das Miststück in seiner Firma sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ganz selbstverständlich ist. (Text-Stand: 24.8.2019)