„Wir in Bayern spielen auch bei der Verbrechensbekämpfung in der Champions League.“ Just als Dr. Reiter (Claus Anthoff) in seiner launigen Rede beim Richtfest für das neue Polizeipräsidium auf dem Höhepunkt angelangt ist, stürzt ein Mann vom Dach und der Festgemeinschaft vor die Füße. Der Tote ist Jens Viersen, stellvertretender Leiter des Münchener Bauamts. Selbstmord scheint nicht ausgeschlossen, denn auf der Baustelle trifft die Polizei nur den bulgarischen Arbeiter Metodi Nontchev (Bijan Zamani) und seinen siebenjährigen Sohn Ilian (Ilian Kiskinov) an. Er habe seinem Jungen vom Dach des Rohbaus aus die Berge zeigen wollen, sagt Nontchev, und habe ansonsten nichts gesehen. Viersens Tod kommt vor allem Ministerialdirigent Lindengruber (Tim Seyfi) gelegen. Der hat’s nicht so mit der Frauenquote („Kommt noch soweit, dass wir Stöckelschuhe tragen müssen, dass es auch mal ein Mannsbild nach oben schafft“) und würde gerne den bevorstehenden Karrieresprung von Bauamts-Leiterin Monika Weißhaupt (Saskia Vester) ins Ministerium verhindern. Auf Lindengrubers „Wunsch“ übernimmt die interne Ermittlung den Fall.
Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
Der 25. Film der „Unter Verdacht“-Reihe mit Senta Berger als Dr. Prohacek führt ins trübe Reich der Schattenwirtschaft und Bau-Mafia. In der ersten Szene sieht man, wie zwei Unbekannte Schaukel und Gartenlaube auf dem Privatgrundstück eines Mannes anzünden, der sich wenig später als Bauunternehmer Gunter Gentner (Martin Umbach) erweist. Und schon bald nach dem makabren Sturz vom Dach tritt auch der Pate in Erscheinung: Samuel Finzi spielt diesen Dimitar Zvetanov auf typische Finzi-Art, nur weniger charmant. Von Nontchev erhält Zvetanov, der gerne den Wert der „Familie“ beschwört, in der Unterkunft der Arbeiter einen Geldkoffer. Wie sich später herausstellt, ist der bulgarische Pate als Polier auf mehreren Baustellen tätig. Jeder ist mit jedem verbandelt: Geldbote Nontchev beliefert auch Gentner. Der Unternehmer ist Weißhaupts Vorgänger und wird von Zvetanov unter Druck gesetzt.
Wie häufig in dieser gesellschaftskritischen Krimi-Reihe steht auch in der Jubiläums-Folge neben dem „Whodunit“, also der Tätersuche, das „Howdunit“ im Mittelpunkt. Wie funktioniert das Schmiergeldgeschäft mit öffentlich ausgeschriebenen Großbauten wie dem 34 Millionen Euro teuren Dialyse-Zentrum? Dass da in einigen Szenen allerhand erklärt werden muss, ist kein Wunder. Wirtschaftskriminalität zu veranschaulichen ist nicht einfach, aber die Methode Langner (Rudolf Krause), der das System aus Scheinfirmen in Gentners Büro anhand von Spekulatius und Schoko-Täfelchen erläutert, kann nur bedingt überzeugen. Tatsächlich liegen die hier beschriebenen Zustände aber dicht an der Realität. Ausländische Arbeiter, von dubiosen Subunternehmen angeheuert, schuften unter Mindestlohn-Niveau und ohne Sozialversicherung auf deutschen Baustellen. „Sparen will heute jeder, aber wie diese Ersparnis zustande kommt, das will keiner wissen“, sagt Zoll-Ermittler Huber. Auf solche Mechanismen hinzuweisen, ist das Verdienst dieses Films, den Arte mitfinanziert hat.
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Das Pöstchengeschacher im Hinterzimmer wird in dieser allenfalls soliden Folge ebenfalls wieder aufs Korn genommen. Dass Prohacek und Langner im Grunde auch nur Mittel zum Zweck sind, damit sich die männlichen Seilschaften durchsetzen, ist eine hübsch bösartige Pointe. Beide sind als klassische Ermittler ohne persönliche Betroffenheit die moralischen „Anker“ im Film, Prohacek wird gar zur mütterlichen Lebensretterin. Allerdings gab es schon glaubwürdiger konstruierte und spannendere Folgen. Die Zuschauer sind den Ermittlern meist einen Schritt voraus, die Übeltäter frühzeitig identifiziert. Dass die Homosexualität Viersens als mögliches Motiv ins Spiel gebracht wird, ist ein eher müdes Ablenkungsmanöver. Offen bleibt vorerst, wer ihn vom Dach geschubst hat. Die Auflösung am Ende ist wenig überraschend.
Dass Zvetanovs pathetische Beschwörung der „Familie“ blanker Zynismus ist, erzählt der Film durch den emotionalen Handlungsstrang um den kleinen herzkranken Ilian. Sein Vater hofft, durch die Arbeit das nötige Geld zu verdienen, um seinem Sohn und seiner Mutter in der Heimat ein besseres Leben zu ermöglichen. Die notwendige Operation von Ilian kann er aber nur bezahlen, indem er sich aus den Schwarzgeldkoffern bedient. Diese tragische Geschichte vom fürsorglichen Familienvater ist auch deshalb wichtig, um möglichen Ressentiments entgegen zu wirken. Die Szene beim Showdown im Krankenhaus, in der zwei osteuropäische „Gorillas“ jungen Patienten an die Gurgel gehen, bleibt dennoch fragwürdig.
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