Unter dir die Stadt

Krebitz, Hunger-Bühler, Hochhäusler. Geometrie der Lust, entmythologisierte Liebe

Foto: WDR / Tom Trambow
Foto Rainer Tittelbach

„Unter dir die Stadt“ ist eine weitgehend unpsychologische, artifiziell ausgerichtete Versuchsanordnung in Sachen Liebe, Geld und Macht. Die beiden Hauptcharaktere sind Kunst-Figuren – der biblischen Bathseba-Geschichte postmodern nachempfunden, in der König David einen Mann in den Krieg schickt, um mit dessen Frau zu schlafen. Dieser Geschichte sollte man nicht zu viel Semantik aufzwingen. Ein sperriger, perfekt konstruierter Film, verrätselt, ästhetisch edel & mit der hinreißenden Nicolette Krebitz – Konzeptkino!

Frankfurt, Mainhattan. Robert Cordes, Vorstandsvorsitzender einer Großbank, hat ein Auge auf die schöne Svenja geworfen. Dass sie verheiratet ist, stört den kultivierten Mittfünfziger wenig. In seinem Job hat er moralisch ganz andere Dinge zu verantworten. Ein Mitarbeiter ist in Indonesien unter tragischen Umständen ums Leben gekommen. Jetzt schickt er Svenjas Mann Oliver als Troubleshooter ins asiatische Krisengebiet – und der ist auch noch glücklich über diese unerwartete Chance. Svenja gibt dann doch dem Werben des 20 Jahre älteren Mannes nach und erliegt seinem spröden Charme. Ist es seine Macht, die Svenja fasziniert, oder ist es ihre Macht über ihn? Vielleicht ist es auch nur ihr eigener Narzissmus, der sie in seine Arme treibt. Svenja ist attraktiv, wirkt selbstbewusst, obwohl sie als Fotografin keinen Boden auf die Erde bekommt. Und noch weiß sie nicht um das Spiel, das ihr Liebhaber treibt.

Unter dir die StadtFoto: WDR / Tom Trambow
Lust im Konferenzsaal. Die Zigarette danach? Nicolette Krebitz und Robert Hunger-Bühler in „Unter dir die Stadt“

Einige Fragen, die Psychologie der beiden Hauptfiguren betreffend, sind naheliegend, aber die möglichen Antworten für den gesamten Film nur wenig erhellend. „Unter dir die Stadt“ ist weniger eine sich an der Realität abarbeitenden Charakterstudie, sondern eine artifiziell ausgerichtete Versuchsanordnung in Sachen Liebe, Geld und Macht. Cordes und Svenja sind Kunstfiguren – der biblischen Bathseba-Geschichte postmodern nachempfunden, in der König David einen Mann in den Krieg schickt, um mit dessen Frau zu schlafen. Vielleicht ist aber auch die Interpretation von der Macht der Gefühle noch viel zu bodenständig und profan für diesen perfekt durchkomponierten Film mit seinen Glasfassaden und seiner kapitalistischen Kunst-Ikonographie. Zum Kinostart war Christoph Hochhäuslers Film vielen Kritikern hierzulande zu kalt, zu verkopft, während er in Frankreich als Meisterwerk gefeiert wurde. Wer heute noch Spaß haben kann an einer solchen geometrischen Darstellung der Lust und einer radikalen Entmythologisierung der Liebe, wer ein Faible für sperrige Ästhetik, für Abstraktion besitzt, wer mit Filmen von Michelangelo Antonioni noch etwas anfangen kann und wer Verrätselung als ästhetische Herausforderung versteht, der muss diesen Film lieben. Wem diese Beziehungswirklichkeit eine zu „entfremdete“ ist, der kann sich notfalls damit trösten, dass es sich in Hochhäuslers Film um das Liebeskonzept aus der kalten Chefetage handelt. Des Bankers Begehren folgt der Logik einer unfreundlichen Übernahme. Wen das alles kalt lässt, der müsste zumindest von Nicolette Krebitz hin & weg sein.

Fazit: zu viel Semantik sollte man der Geschichte von „Unter dir die Stadt“, die aus Motiven und (Beziehungs-)Bruchstücken zusammengesetzt ist, nicht aufzwingen. „Das alles bedeutet nichts“, sagt Svenja. Vielleicht bezieht sich das ja nicht nur auf diese unmoralische Affäre. „Es geht los“, sind die letzten Worte im Film. Was gehr los? Es bleibt rätselhaft.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kinofilm

Arte, WDR

Mit Nicolette Krebitz, Robert Hunger-Bühler, Mark Waschke, Wolfgang Böck, Corinna Kirchhoff, Van Lam Vissay, Paul Faßnacht, Robert Schupp, Oliver Broumis

Kamera: Bernhard Keller

Schnitt: Stephan Stabenow

Musik: Benedikt Schiefer

Produktionsfirma: Heimatfilm

Drehbuch: Christoph Hochhäusler, Ulrich Peltzer

Regie: Christoph Hochhäusler

EA: 11.11.2012 21:50 Uhr | Arte

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach