Der kleine Sascha wird vermisst. Der Achtjährige wächst in schwierigen Verhältnissen bei seiner labilen Mutter (Marie Leuenberger) auf, sein Vater (Hinnerk Schönemann) ist vorbestraft, auch wegen Körperverletzung an Saschas älterem Bruder. Kommissarin Winter (Natalia Wörner), Kollege Hamm (Ralph Herforth) und das Team suchen verzweifelt nach dem Jungen und dem Vater, der seit seiner Haftentlassung untergetaucht ist. Als die Ermittler den aufbrausenden Mann schließlich zu fassen bekommen, hat der jedoch ein wasserdichtes Alibi. Und das gibt ihm ausgerechnet Janas Vorgesetzter (Martin Brambach). Ihr wird klar, dass die Schwierigkeiten innerhalb der Familie viel tiefgreifender sind, als anfangs geglaubt.
Foto: ZDF / Marion von der Mehden
Kontinuität ist ein prägendes Merkmal der Krimi-Reihe mit Natalia Wörner. Die Schweizer Regisseurin Judith Kemmel hat alle bisherigen Filme inszeniert und auch den zehnten Fall, „Unter anderen Umständen – Das verschwundene Kind“, in Szene gesetzt. Dass sie eine Liebhaberin des skandinavischen Films ist, sieht man an der Ästhetik und dem Look des Films, aber auch an der Psychologisierung der Figuren. Und immer wieder fliegt die Kamera über die Landschaft, die kalte Jahreszeit und das Meer üben einen starken Reiz aus, der dem Film (Kamera wie stets: Nathalie Wiedemann) eine besonders intensive Stimmung gibt.
Das Drehbuch stammt von Daniel Schwarz und Thomas Schwebel. Beide haben auch schon die vierte und fünfte Folge („Unter anderen Umständen – Tod im Kloster“ und „Auf Liebe und Tod“) geschrieben. Nicht der Kriminalfall steht bei ihnen im Vordergrund, es geht mehr um das Drama dahinter, die menschlichen Hinter- und Abgründe. Und so deckt Jana Winter ein dunkles Familiengeheimnis auf. Dass dies sehr erwart- & vorhersehbar erzählt wird, ist ein Manko, eine Stärke ist zweifelsohne die emotionale Zielrichtung des Films. Die ist – wie immer – eng verbunden mit der Hauptfigur: Jana Winter. Sie ist kompromisslos im Job, einfühlsam im Umgang mit Tätern und Opfern und ihr Privatleben spiegelt sich in dem Fall eines verschwundenen Kindes. Jana ist ja selbst Mutter – was ihr eine persönliche Haltung abverlangt. Das wirkt nicht aufgesetzt, ist klug reduziert und in die Handlung integriert. Wie immer interessant ist auch die Konstellation innerhalb des Ermittlerteams. Das Binnen-Verhältnis spielt eine tragende Rolle. Man mag sich, hat Spaß an der Arbeit, setzt sich aber auch auseinander und trägt Konflikte aus. Eine besondere Rolle kommt in diesem Fall Martin Brambach als Arne Brauner zu. Die privaten Probleme des Vorgesetzten von Jana Winter sind mit den Ermittlungen eng verknüpft, da menschelt es im Team gewaltig.
Foto: ZDF / Marion von der Mehden
Fazit: „Das verschwundene Kind“ ist ein dichtes, intensiv erzähltes Krimi-Drama mit skandinavischem Touch. Auch wenn die Aufdeckung eines Familiengeheimnisses vorhersehbar ist und die Inszenierung – trotz fliegender Kamera über die norddeutsche Landschaft – eher konventionell bleibt, ist auch die zehnte Episode aus der ZDF-Reihe „Unter anderen Umständen“ ein gutes Stück Gebrauchsfernsehen, das man sich mit dieser intelligenten, attraktiven, schlagfertigen, uneitlen und stimmig emotionalen Hauptfigur samt Darstellerin Natalia Wörner ein Mal im Jahr gern gefallen lässt. (Text-Stand: 13.3.2015)