Kann es etwas Unterschiedlicheres geben als diese beiden Frauen?! Hannah ist eine grantige, alte Dame, bärbeißig, besserwisserisch und vom Leben enttäuscht. Sophie dagegen ist ein wahrer Sonnenschein, sie ist freundlich, lebensfroh und sieht nur das Gute in den Menschen. Die eine ist Ende 70, die andere Ende 30. Beide sind Nachbarn in einem gepflegten Altbau in Oldenburg. Sophie ist gerade eingezogen. Die Wohnung war auch für ihren Freund gedacht; dieser tut sich allerdings plötzlich mit der Trennung von Frau und Kind schwerer als zuvor behauptet. Dennoch lässt Sophie ihm alle Zeit der Welt. Hannah, die sich an einem digitalen Testprogramm für allein lebende alte Menschen beteiligt, ist dadurch nicht nur sehr viel kommunikativer geworden, sondern sie hat auch durch einen unglücklichen Zufall plötzlich den Zugang zum E-Mail-Konto ihrer Nachbarin. Bald ist sie im Bilde, was die Hinhaltetaktik von Sophies Liebstem angeht. Hannah würde der bedingungslos Liebenden gern die Augen öffnen. Aber wie – ohne ihr zu verraten, dass sie sich in ihr Intimleben eingeloggt hat?
Das Thema „Alleinsein im Alter“ in einen ARD-Freitagsfilm (Kernzielgruppe: 60+) zu integrieren, ist keine schlechte Idee. Das Gleiche gilt für den Generationen verbindenden Aspekt der Geschichte. Technik ist schön und gut, aber sie kann echte, direkte Kommunikation nicht ersetzen, insbesondere dann, wenn man wie die 78-jährige Hannah im Film „Tür an Tür“ wohnt mit einer so liebenswerten jungen Frau. Ein bisschen Utopie darf sein in einem Degeto-Film, erst recht kurz vor Weihnachten. Die nachdenklich stimmende Alltagskomödie von Matthias Steurer nach dem Drehbuch von Nina Bohlmann trägt ihre Themen allerdings schon ein bisschen überdeutlich vor sich her. Man spürt: dieser Film über eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft will den Zuschauern in Form eines launigen Unterhaltungsfilms Beispiele vom Leben geben. Das ist dramaturgisch oft clever gelöst, aber das Erzählerische tritt dabei deutlich in den Hintergrund. Die Situationen in diesem Film wirken nicht aus dem Leben gegriffen, in irgendeiner Weise authentisch, sondern „gemacht“. Das handwerklich gute Buch bekommt in dem unfilmischen, überfreundlich ausgeleuchteten Kammerspiel-Ambiente etwas Ausgedachtes. Auch das Miteinander von Jung und Alt wirkt behauptet. Stimmiger (gespielt) sind die Szenen, in den die Generationen unter sich bleiben.
Foto: Degeto / Marc Meyerbroeker
Aus der langsamen Annäherung zwischen der schroffen Alten und ihrem Verehrer (charmant gespielt von Uwe Friedrichsen), der sie mit seiner gewitzt-verschmitzen Art aus ihrer Widerspenstigkeit herauslockt, resultieren kleine komödiantische Miniaturen. Einige Szenen wie beispielsweise der Gang über den Weihnachtsmarkt und die Feststellung, dass sie, die Alten, nicht gesehen werden, enthalten darüber hinaus einen lebensklugen Unterton. Angenehm realistisch gespielt, schmerzliche Momente inklusive, sind die Szenen des „jungen“ Paares. Dass der verheiratete Freund nicht zum Buhmann gemacht wird, ist eine Nuance, die man so nicht erwartet hätte. Bleibt das größte Manko von „Tür an Tür“, durch das die festgestellte seltsame „Unechtheit“ dieses Films ganz besonders betont wird: Thekla Carola Wieds Hannah, die zehn Jahre älter ist als die Schauspielerin, wirkt von Anfang an verkleidet; ihr Spiel, ihre Maske, vor allem aber ihre Gehbehinderung haben mehr von einem Comedy-Sketch als einem Fernsehfilm mit realistischem Anspruch. Eine Schauspielerin, der man ihr reales Alter ansieht, wäre authentischer gewesen, hätte den Film sehr viel „ehrlicher“ gemacht und wäre dem Anspruch der Macher letztlich näher gekommen.