Mit seinem Großvater Anton (August Schmölzer) übt der 13jährige Franzi (Enzo Gaier) in einem Steinbruch das Schießen. Als der Junge auf eine leere Flasche zielt, trifft er aus Versehen den Opa. Geschockt rennt er davon, will sich seinem Vater anvertrauen, doch es kommt immer etwas dazwischen. Anton schleppt sich noch zur Straße, dann bricht er zusammen. Zwei Tage später stirbt er, ohne die Wahrheit ans Licht gebracht zu haben. Und so nehmen die Dinge ihren Lauf: Fast alle Dorfbewohner verdächtigen Franz (Max von Thun), seinen Vater im Streit erschossen zu haben, und betreiben eine verbale und teilweise auch körperliche Hetzjagd auf ihn. Die wird auch zur Bewährungsprobe zwischen Franz und seiner Frau Irene (Franziska Weisz), der Bürgermeisterin des Dorfes. Als Josef (Manuel Rubey), Franz’ Bruder, ins Dorf zurückkehrt, ist er der Einzige zu sein, der an die Unschuld seines Bruders glaubt. Dann gibt es noch eine Überraschung bei der Testamentseröffnung: Eine Frau (Nicole Beutler) mit Baby taucht auf; der Vater des kleinen Wurms ist Anton.
Foto: ZDF / Andrea Mayer-Rinner
Mit „Treibjagd im Dorf“ setzt Konstanze Breitebner die Geschichte aus „Die Fremde und das Dorf“ und „Ein Geheimnis im Dorf – Schwester und Bruder“ fort. Als „neue Heimatfilme“ bezeichnet die Drehbuchautorin, die lange als Schauspielerin arbeitete, die Reihe. „Ich möchte mir den Heimat-Begriff wieder zurückholen, der missbraucht wird und besudelt ist durch den Sündenfall der Nazizeit“, sagt sie, „Heimat ist nun mal da, wo wir unsere Wurzeln haben und wo die Menschen sind, die wir lieben.“ Und das gelingt ihr eindrucksvoll. Waren die ersten beiden Filme von den Frauen dominiert, so treten nun die Männer in den Vordergrund, das Verhältnis von Sohn, Vater, Großvater wird näher beleuchtet. So entstehen neue Blickwinkel und Perspektiven. Dazu kehrt eine Figur aus dem ersten Film zurück: Josef, gespielt von Manuel Rubey. Zudem kommen zwei neue Frauenfiguren ins Dorf, die Geheimnisse aufdecken, die Kommissarin und zum die „Fremde“, die von Anton ein Kind hat.
Der Zuschauer ist von der ersten Minute an im Bilde: Er weiß, dass der Tod von Anton ein Unfall war. Doch im Film weiß dies außer Franzi niemand. Und so beginnt ein Psychokrieg gegen Franz. Vergiftete Blicke, Worte wie Pfeile – die Bewohner lassen ihn spüren, dass sie ihm den Mord zutrauen. Er wird gemobbt, sein Auto beschmiert, ein Stein fliegt in sein Fenster und die Jäger treiben ihn in einer Szene in die Enge und richten sogar ihre Gewehre auf ihn. Peter Keglevic inszeniert diese Treibjagd behutsam, braucht keine großen Gesten. Überhaupt hat er dieses dritte archaisch anmutende Familiendrama im alpenländischen Milieu sehr atmosphärisch inszeniert. Wuchtige Bilder und sensible Nahaufnahmen wechseln sich ab, das Spiel mit Licht und Schatten ist äußerst gelungen. Und nicht alle Szenen sind mit Dialogen vollgepackt. Das Motiv der Sprachlosigkeit spielt eine wichtige Rolle – vor allem charakterisiert es das deutlich belastete Verhältnis der beiden ungleichen Brüder.
Foto: ZDF / Andrea Mayer-Rinner
Es sind die inneren und die äußeren Konflikte, in denen die Charaktere stecken: Irene will zu ihrem Mann halten, doch ihr kommen Zweifel, wenn er ein Alibi angibt, von dem sie weiß, dass es falsch ist. Keglevic zeigt dies in wunderbar verschachtelten Sequenzen mit kleinen Rückblenden. Franz hat Geld verzockt, steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, traut sich dies aber Irene nicht zu beichten. Franzi schleppt die Schuld am Tod des geliebten Großvaters mit sich herum, findet niemandem, dem er sich anvertrauen kann. Und das Dorf richtet – ohne zu prüfen, ob es die Wahrheit ist. So dreht sich der Film um Rufmord & Verleumdung: ein Thema von großer Aktualität und Brisanz. Eine Behauptung wird über einen Menschen in die Welt gesetzt, ohne Grundlage, ohne Beweis. Keiner fragt nach. In Zeiten von Internet, Social Media und Fake News trifft der Film den kommunikationspolitischen Kern. Und er zeigt: Die Brutalität beginnt schon mit der Sprache. Dann folgen die Taten der Treibjagd.
Erneut beeindruckend ist das Ensemble, das man größtenteils bereits aus den ersten beiden Filmen kennt: Franziska Walser, Sissi Höfferer, Max von Thun, Franziska Weisz, August Schmölzer. Hinzu kommt der famose Manuel Rubey. Edita Malovčić fügt sich mit ihrem zurückgenommenen Spiel als Kommissarin hier bestens ein. Ein besonderes Lob gilt Enzo Gaier. Der 15-Jährige, der schon seit fünf Jahren vor der Kamera steht, meistert die schwierige Rolle des versehentlichen Todesschützen, der von Gewissensbissen geplagt wird und neimanden findet, der ihm hilft, mit Bravour. Man darf schon jetzt gespannt sein, wie es weitergeht. Denn was mal als Einzelstück geplant war, dann zur Trilogie ausgebaut wurde, soll jetzt fortgesetzt werden. Ein vierter Film ist in Planung. (Text-Stand: 19.4.2017)