Den Machos contra geben: Die Kommissarin passt zur rauen Herbst-Winterlandschaft
Dafür hat Kommissarin Norgaard noch weiterhin mit ihren Dämonen zu kämpfen – dem Trauma des Verlassenwerdens durch die Mutter und der Wut über die eigene Naivität, hat sie sich doch zuletzt in Dänemark – ohne es zu bemerken – in einen Kriminellen verliebt. Lost in Usedom – so ließe sich ihre aktuelle Lage beschreiben. „Ich weiß gar nichts“, sagt sie am Ende der zehnten Episode „Träume“. Offenbar hat sie sich doch ein bisschen von Dr. Brunners ständigen Fragen nach ihren Zukunftsperspektiven beeindrucken lassen. Weil sie offenbar seine Krankenakte kennt und weil er ihr bei einer Konferenz zum Thema grenzüberschreitende Polizeiarbeit im Vollsuff offenbar noch andere Geheimnisse anvertraut hat, möchte er sie nun offensichtlich wegmobben. Im Umgang mit ihm und den anderen Männern von gestern, dem polnischen Macho-Charmeur Gadocha oder dem Streifenhörnchen-Spießer Holm Brendel (Rainer Sellien), weiß sie sich nach außen hin allerdings nordisch cool zu behaupten. Sie ist eine, die weder kuscht noch Kuschelkurs fährt. Das Lächeln überlässt sie anderen. Rikke Lylloff spielt die taffe Kommissarin – passend zur Rolle – streng, herb & oft mit einem Contra auf der Stirn, umso mehr fällt es auf, wenn sich mal ein (ironisches) Schmunzeln in ihre Physiognomie verläuft. Diese Figur passt bestens zur rauen Herbst-Winterlandschaft.
Ein Krimi(familien)drama wächst sich zu einem clever gebauten Whodunit aus
Auch in der zweiten neuen Episode, „Träume“, ist der Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes Augenzeuge. Wieder wird aus drei, vier Handlungssträngen eine dichte Exposition gebaut und wieder wird weitgehend in Bildern erzählt. Die Bildgestaltung ist etwas weniger kunstvoll; dafür entwickeln die Schauplätze und das Szenenbild eine große narrative Kraft. Es laufen die Vorbereitungen für ein tragisches Familiendrama, das sich nach einem Leichenfund nach 20 Minuten zu einem mehr als soliden Krimi auswächst. Die Familie von Jörn Sievers (Christian Kuchenbuch), dem stinkreichen Usedomer Bauunternehmer, der sich nach der Wende eine goldene Nase verdient hat, befindet sich im Ausnahmezustand. Sievers rechte Hand, noch dazu sein künftiger Schwiegersohn, ist ermordet worden. Zu den Tatverdächtigen gehört die ganze Familie, der „Versager-Sohn“ (Dennis Moyen), die Tochter des hochherrschaftlichen Hauses (Lena Kalisch), aber auch die Hausdame Ilka Bodin (Birge Schade), die von sich selbst behauptet, die geborene Domestikin zu sein, und der Patriarch selbst verhalten sich nach dem Mord seltsam. Auch Bodins Bruder Dirk (Karsten Mielke) könnte etwas mit dem Mord zu tun haben. Und auch eine polnische Hotelangestellte (Larissa Fuchs), die sich mit kleinen Gefälligkeiten was dazuverdient, hatte offenbar Kontakt mit dem Toten. Der Plot ist etwas überkonstruiert; wie allerdings der Whodunit bis zum bitteren Ende ausgereizt wird – das dürfte Rätselkrimi-Freunden gefallen. (Text-Stand: 22.10.2019)